Rheinische Post Kleve

Ein Fall für talentiert­e Pflasterer

Viele Jahre lang haben sich nicht nur Gehandicap­te über den Zustand des Pflasters auf Kalkars historisch­em Marktplatz beklagt. Nun wird die Oberfläche nach den Vorgaben des Denkmalsch­utzes erneuert.

- VON ANJA SETTNIK

Es ist knapp über null Grad kalt, ordentlich windig und dazu nieselt es. Wie es sich anfühlt, stundenlan­g auf dem buchstäbli­ch steinharte­n Boden zu knien und was der Rücken dazu sagt, will sich der Schreibtis­chmensch lieber nicht vorstellen. Johannes Fehlemann kann das weit besser einschätze­n und bestätigt, dass diese Arbeit schon eine ordentlich­e Plackerei ist. Bevor er nämlich Geschäftsf­ührer von Völkers Bau wurde, hat er selbst eine Ausbildung im Straßenbau gemacht. „So kann ich viel besser beurteilen, was die Leute leisten, und sachgerech­t mit ihnen reden“, erklärt er. Aktuell drückt Johannes Fehlemann einigen Männern seine Anerkennun­g aus, die seit ein paar Wochen dafür sorgen, dass der Kalkarer Marktplatz sein neues Pflaster bekommt. Die alten Steine werden dazu wiederverw­endet, aber die Verlegung ist eine andere und wird von echten Fachleuten ausgeführt.

Wer sich ein wenig für Kalkar interessie­rt wird es wissen: Der historisch­e Markt, das Herz und der Stolz der Stadt, hat ein Problem: Der auf der weiten Fläche verlegte Rheinkiese­l war so uneben, dass man dort kaum laufen konnte. Wer mit Rollstuhl, Rollator oder Kinderwage­n unterwegs ist, wird den Platz tunlichst gemieden haben. Dabei lockt er ja so sehr mit seiner imposanten Gerichtsli­nde, unter der man sitzen kann und mit der Gastronomi­e am Rande. Gar nicht zu reden davon, dass Bürger schon mal ins Rathaus müssen. Viele Jahre lang schien die Sanierung des Platzes finanziell nicht stemmbar, bis ein integriert­es Handlungsk­onzept die Förderung durch das Land ermöglicht­e. Nun musste „nur noch“der Denkmalsch­utz mit ins Boot genommen werden. Und der legt strenge Maßstäbe ans historisch­e Kleinod. In Kurzform: Der Rheinkiese­l muss bleiben, seht zu, wie ihr heutige Bedürfniss­e dieser Maßgabe anpasst.

Verschiede­ne Techniken wurden ausprobier­t, bis die geeignete feststand: Die alten Steine werden sortiert,

zu große ausgesonde­rt, bei Bedarf werden sie passend geschlagen und deutlich dichter als früher verlegt. Und zwar durch Männer, die sich mit Naturstein und historisch­en Orten auskennen: Die Baufirma Völkers hat ein Nachuntern­ehmen engagiert, das von Italienern und Portugiese­n geführt wird, die sich auf den Sachversta­nd ihrer Landsleute verlassen. Carlos zum Beispiel ist einer von vier Männern, die derzeit täglich von morgens bis nachmittag­s im Splitt und auf den Steinen knien und pflastern. Seit 26 Jahren verdient Carlos so sein Geld, 16 Jahre davon in Deutschlan­d. „Ich habe schon am Magdeburge­r Domplatz gearbeitet, an der Universitä­t in Hamburg und in der Salzburger Altstadt“, erzählt er. Jetzt ist Kalkar an der Reihe, und wenn alles weiterhin klappt wie bisher, soll das Projekt bis Mai bewältigt sein. Denn dann wollen die Wirte wieder Tische und Stühle rausstelle­n.

Carlos zuzusehen zeigt, wie sehr er mit dem Material vertraut ist: Zwei, drei Schläge mit dem Steinsetze­r-Hanmmer, dann greift er, nur aus dem Augenwinke­l blickend, aus einem Haufen Steine den genau passenden heraus und lässt ihn in den Splitt sinken. Ist der Stein etwas massiver, wird die Kuhle mit der Hand leicht vertieft. Carlos darf nicht allzu großzügig aussortier­en, denn mit der Menge Rheinkiese­l, die vor einigen Monaten aufgenomme­n wurden, müssen die Arbeiter auskommen. „Durch die barrierefr­eien Gehwege, die in Basalt-Lava ausgeführt werden, sparen wir einiges, und auch am Rand wird noch ein anderer Stein verlegt“, erklärt Fehlemann. Dennoch: Das Material ist knapp; „nach unserer Berechnung dürfte es so gerade ausreichen“, sagt der Chef der Baufirma.

Er weiß, dass die Kalkarer bei diesem Projekt sehr genau hinsehen, alle hoffen auf eine deutliche Verbesseru­ng. Die Zwischenrä­ume zwischen den grau-braunen Kieseln werden durch ein Gemisch aus dreierlei Splitt ohne Zement ausgefüllt, zum Schluss verdichtet ein Rüttler die Fläche noch. Für wen die Oberfläche noch nicht eben genug ist, der kann auf vier Fußwegen aus Basaltplat­ten, die sich an der Linde kreuzen, sein Wunschziel erreichen: das Rathaus, Eisdiele oder Restaurant, die Bushaltest­elle. Auch außen rum wird Basalt verlegt, auf ihr werden – in nur noch einer Queerreihe – auch die Autos abgestellt. Die Fahrspuren wiederum werden in Grauwacke ausgeführt.

Einen Nachteil hat die schöne

neue Pflasterun­g allerdings: „Dort dürfen keine Fahrzeuge mehr drüber fahren, dann wäre die Fläche bald wieder kaputt“, weiß Fehlemann. Gemeinsam mit der Stadt werde überlegt, was zu tun ist, damit dennoch zumindest einige Veranstalt­ungen auch künftig noch im Herzen der Stadt stattfinde­n können. Vielleicht seien schützende Baggermatt­en eine Lösung. Bis die Großbauste­lle samt Hanselaer- und Altkalkare­r Straße fertig ist, bleibt Zeit zum Überlegen.

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 ?? FOTOS (2): SETTNIK ?? Johannes Fehlemann ist Geschäftsf­ührer von Völkers Bau in Kalkar und betreut unter anderem die Großbauste­lle rund um den Markt. Auf dem Bild steht er auf dem neuen Pflaster, vor sich eine der in Basalt gearbeitet­en barrierefr­eien Querungen.
FOTOS (2): SETTNIK Johannes Fehlemann ist Geschäftsf­ührer von Völkers Bau in Kalkar und betreut unter anderem die Großbauste­lle rund um den Markt. Auf dem Bild steht er auf dem neuen Pflaster, vor sich eine der in Basalt gearbeitet­en barrierefr­eien Querungen.
 ?? ?? Der Handwerker Carlos aus Portugal ist Experte für Naturstein­Verarbeitu­ng. Mit sicherem Griff packt er den passenden Stein und klopft ihn zügig in das „Mosaik“.
Der Handwerker Carlos aus Portugal ist Experte für Naturstein­Verarbeitu­ng. Mit sicherem Griff packt er den passenden Stein und klopft ihn zügig in das „Mosaik“.

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