Ein Fall für talentierte Pflasterer
Viele Jahre lang haben sich nicht nur Gehandicapte über den Zustand des Pflasters auf Kalkars historischem Marktplatz beklagt. Nun wird die Oberfläche nach den Vorgaben des Denkmalschutzes erneuert.
Es ist knapp über null Grad kalt, ordentlich windig und dazu nieselt es. Wie es sich anfühlt, stundenlang auf dem buchstäblich steinharten Boden zu knien und was der Rücken dazu sagt, will sich der Schreibtischmensch lieber nicht vorstellen. Johannes Fehlemann kann das weit besser einschätzen und bestätigt, dass diese Arbeit schon eine ordentliche Plackerei ist. Bevor er nämlich Geschäftsführer von Völkers Bau wurde, hat er selbst eine Ausbildung im Straßenbau gemacht. „So kann ich viel besser beurteilen, was die Leute leisten, und sachgerecht mit ihnen reden“, erklärt er. Aktuell drückt Johannes Fehlemann einigen Männern seine Anerkennung aus, die seit ein paar Wochen dafür sorgen, dass der Kalkarer Marktplatz sein neues Pflaster bekommt. Die alten Steine werden dazu wiederverwendet, aber die Verlegung ist eine andere und wird von echten Fachleuten ausgeführt.
Wer sich ein wenig für Kalkar interessiert wird es wissen: Der historische Markt, das Herz und der Stolz der Stadt, hat ein Problem: Der auf der weiten Fläche verlegte Rheinkiesel war so uneben, dass man dort kaum laufen konnte. Wer mit Rollstuhl, Rollator oder Kinderwagen unterwegs ist, wird den Platz tunlichst gemieden haben. Dabei lockt er ja so sehr mit seiner imposanten Gerichtslinde, unter der man sitzen kann und mit der Gastronomie am Rande. Gar nicht zu reden davon, dass Bürger schon mal ins Rathaus müssen. Viele Jahre lang schien die Sanierung des Platzes finanziell nicht stemmbar, bis ein integriertes Handlungskonzept die Förderung durch das Land ermöglichte. Nun musste „nur noch“der Denkmalschutz mit ins Boot genommen werden. Und der legt strenge Maßstäbe ans historische Kleinod. In Kurzform: Der Rheinkiesel muss bleiben, seht zu, wie ihr heutige Bedürfnisse dieser Maßgabe anpasst.
Verschiedene Techniken wurden ausprobiert, bis die geeignete feststand: Die alten Steine werden sortiert,
zu große ausgesondert, bei Bedarf werden sie passend geschlagen und deutlich dichter als früher verlegt. Und zwar durch Männer, die sich mit Naturstein und historischen Orten auskennen: Die Baufirma Völkers hat ein Nachunternehmen engagiert, das von Italienern und Portugiesen geführt wird, die sich auf den Sachverstand ihrer Landsleute verlassen. Carlos zum Beispiel ist einer von vier Männern, die derzeit täglich von morgens bis nachmittags im Splitt und auf den Steinen knien und pflastern. Seit 26 Jahren verdient Carlos so sein Geld, 16 Jahre davon in Deutschland. „Ich habe schon am Magdeburger Domplatz gearbeitet, an der Universität in Hamburg und in der Salzburger Altstadt“, erzählt er. Jetzt ist Kalkar an der Reihe, und wenn alles weiterhin klappt wie bisher, soll das Projekt bis Mai bewältigt sein. Denn dann wollen die Wirte wieder Tische und Stühle rausstellen.
Carlos zuzusehen zeigt, wie sehr er mit dem Material vertraut ist: Zwei, drei Schläge mit dem Steinsetzer-Hanmmer, dann greift er, nur aus dem Augenwinkel blickend, aus einem Haufen Steine den genau passenden heraus und lässt ihn in den Splitt sinken. Ist der Stein etwas massiver, wird die Kuhle mit der Hand leicht vertieft. Carlos darf nicht allzu großzügig aussortieren, denn mit der Menge Rheinkiesel, die vor einigen Monaten aufgenommen wurden, müssen die Arbeiter auskommen. „Durch die barrierefreien Gehwege, die in Basalt-Lava ausgeführt werden, sparen wir einiges, und auch am Rand wird noch ein anderer Stein verlegt“, erklärt Fehlemann. Dennoch: Das Material ist knapp; „nach unserer Berechnung dürfte es so gerade ausreichen“, sagt der Chef der Baufirma.
Er weiß, dass die Kalkarer bei diesem Projekt sehr genau hinsehen, alle hoffen auf eine deutliche Verbesserung. Die Zwischenräume zwischen den grau-braunen Kieseln werden durch ein Gemisch aus dreierlei Splitt ohne Zement ausgefüllt, zum Schluss verdichtet ein Rüttler die Fläche noch. Für wen die Oberfläche noch nicht eben genug ist, der kann auf vier Fußwegen aus Basaltplatten, die sich an der Linde kreuzen, sein Wunschziel erreichen: das Rathaus, Eisdiele oder Restaurant, die Bushaltestelle. Auch außen rum wird Basalt verlegt, auf ihr werden – in nur noch einer Queerreihe – auch die Autos abgestellt. Die Fahrspuren wiederum werden in Grauwacke ausgeführt.
Einen Nachteil hat die schöne
neue Pflasterung allerdings: „Dort dürfen keine Fahrzeuge mehr drüber fahren, dann wäre die Fläche bald wieder kaputt“, weiß Fehlemann. Gemeinsam mit der Stadt werde überlegt, was zu tun ist, damit dennoch zumindest einige Veranstaltungen auch künftig noch im Herzen der Stadt stattfinden können. Vielleicht seien schützende Baggermatten eine Lösung. Bis die Großbaustelle samt Hanselaer- und Altkalkarer Straße fertig ist, bleibt Zeit zum Überlegen.