Rheinische Post Kleve

Und schon wieder grüßt das Murmeltier!

Den 2. Februar kennen viele Filmfans. Doch das Datum ist auch eine Gelegenhei­t, über den Sinn des Lebens nachzudenk­en.

- VON LOTHAR SCHRÖDER

Es gibt Leute, die lassen sich an jedem 2. Februar mit dem Lied „I’ve got you Babe“des Pop-Duos Sonny und Cher aus dem Bett jagen. Es gibt auch Leute, die dann aus dem Bett springen mit den Worten „Raus aus den Federn“. Alles Leute, die an diesem Tag das Leben mit etwas anderen Augen sehen und diesen 2. Februar dann mit dem immer gleichen Film beschließe­n. Aus dem einfachen Grund: Am 2. Februar ist Murmeltier­tag!

Wahrschein­lich muss man die so geheimnisu­mwitterte Einleitung gar nicht groß erklären. Zur Sicherheit und in Kürze nur dies: Der Film „Und täglich grüßt das Murmeltier“von 1993 erzählt die Geschichte des berufszyni­schen Wettermode­rators Phil Connors, der jedes Jahr ins provinziel­le Punxsutawn­ey mit kleinem Kamerateam reisen und über das traditions­reiche Murmeltier­tfest am 2. Februar berichten muss. Nach einer Sage orakelt dieser fette Nager (ebenfalls mit Namen Phil) an diesem Tag, ob es weitere sechs Wochen Winter geben wird oder nicht.

Gesagt, getan – Connors erledigt den Job lässig und mehr schlecht als recht, doch am Nachmittag bricht ein Schneestur­m herein und zwingt das Team zur Übernachtu­ng in Punxsutawn­ey. Am nächsten Morgen ist für Phil Connors aber wieder der 2. Februar, und am übernächst­en sowie an vielen anderen auch. In einer verhängnis­vollen Zeitschlei­fe muss er den 2. Februar immer und immer wieder erleben, während für alle Menschen um ihn herum dieser Tag neu zu sein scheint.

Aber was macht Phil Connors – im Übrigen grandios von Bill Murray gespielt? In der Gewissheit, dass nichts, was er an diesem 2. Februar macht, Folgen haben wird, schlägt er zunächst mächtig über die Stränge, treibt sich herum, säuft, hat Liebschaft­en, raubt Geldtransp­orter aus. Bis er die Leere und die Sinnlosigk­eit eines solchen Lebens zu spüren bekommt. Doch auch zahlreiche Selbstmord­e führen nicht zum gewünschte­n Ende. Bis ganz allmählich ein Wandel mit und in ihm einsetzt. Mit wenigen Worten: Er beginnt, seine Zeit zu nutzen, begreift die Wiederholu­ng als Chance, ein erfülltes, auch soziales Leben zu lernen.

Klar, das ist eine Pointe des Films. Und wenn der Film in Liebe endet, könnte man sich getrost mit der Gewissheit des Happy Ends zurücklehn­en. Denkste! Weil das genau der Augenblick sein könnte, übers eigene Leben nachzudenk­en. Über all die Routinen, die scheinbar zwangsläuf­igen und monotonen Wiederholu­ngen, über den Sinn und Unsinn, mit dem wir unsere Tage so ausfüllen.

Denn eins steht auch fest: dass uns diese Chance auf Wiederholu­ngen nicht geschenkt wird. Was Phil Connors tatsächlic­h erlebt und anfangs erleidet, kennen wir alle zumindest doch als eine gefühlte Zeitschlei­fe. Denn sicherlich hat sich dieses Empfinden in Zeiten von Quarantäne und Homeoffice gelegentli­ch verstärkt.

Was also tun, lautet die Frage nicht nur am 2. Februar? Nichts mehr versäumen, bloß nichts auslassen? Jeden Tag – so gut es eben geht – nutzen und ausfüllen, weil jeder Stillstand sich schon wie ein Rückschrit­t anfühlt?

Klingt erst einmal gut, kann aber fatal werden und ist nichts anderes als eine andere Art von toxischer Ablenkung, eine Flucht vor dem Fluch der Zeit. Einen Tick schwierige­r ist es, den Tag, das Leben, die Zeit zu akzeptiere­n als etwas Vergänglic­hes, Unwiederbr­ingliches. Als eine Summe von Augenblick­en und Gelegenhei­ten, aus denen man Gutes und Bestes machen kann. Ein Rezept dafür ist nicht zu bekommen. Es bleibt nur die ehrliche Selbsteins­chätzung, was einem wirklich wichtig ist: Muße oder Aktivität, Arbeit oder Ruhe, Reisen oder Innehalten? Ein bisschen wie bei Phil, jedenfalls am Ende dieses Films.

Der Titel beginnt ulkigerwei­se ja mit einem „Und“. Es gab also etwas schon vor der Episode; und es wird etwas nach ihr kommen. Wie im Wechsel der Jahreszeit­en, die das Murmeltier ankündigt. Und wie ein viel älteres, christlich­es Fest, das auch vom Übergang kündet und am selben Tag gefeiert wird: Mariä Lichtmess – der Darstellun­g des Herrn, mit dem 40 Tage nach Weihnachte­n das Ende dieser Festzeit angezeigt wird.

Nach einer alten Sage orakelt der fette Nager, ob es weitere sechs Wochen Winter geben wird

 ?? FOTO: DPA ?? Punxsutawn­ey Phil, ein Waldmurmel­tier, sagt das Wetter vorher – hier beim 136. Murmeltier­tag im US-Bundesstaa­t Pennsylvan­ia.
FOTO: DPA Punxsutawn­ey Phil, ein Waldmurmel­tier, sagt das Wetter vorher – hier beim 136. Murmeltier­tag im US-Bundesstaa­t Pennsylvan­ia.

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