Ein anderer Blick auf die Weltpolitik
Brasiliens neuer Präsident Lula ist ein Hoffnungsträger für den Westen. Doch als Friedensstifter im Ukraine-Krieg taugt er nicht – noch nicht.
Westliche Politiker erliegen gern dem Trugschluss, dass demokratische Länder des globalen Südens wie Brasilien, Südafrika oder Indien in weltpolitischen Fragen ähnlich ticken wie sie. Da ist schnell von der Gemeinsamkeit der Demokraten oder sogar der freien Welt die Rede. Gerade Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte sich in dieser Woche sehr auf den Besuch bei seinem brasilianischen Pendant Luiz Inácio Lula da Silva gefreut, dessen Arbeiterpartei er als sozialdemokratische Schwesterpartei ansieht.
Doch der von den meisten westlichen Staaten als Erneuerer der brasilianischen Demokratie gefeierte Arbeiterführer hat offenbar einen anderen Blick auf die Weltpolitik als die Europäer. Das fängt bereits damit an, dass Lula der Ukraine ein gehöriges Maß an Mitschuld am Krieg mit Russland gibt – wegen der angestrebten Nato-Mitgliedschaft der Ukraine. Wladimir Putin, der zu linken Regierungen in Lateinamerika wie Kuba oder Venezuela enge Beziehungen pflegt, ist auch bei Lula nicht so schlecht gelitten.
Der brasilianische Präsident bezeichnet auch Chinas Diktator Xi Jinping als Freund, mit dem er gemeinsam (zusammen mit Indien) eine Friedensinitiative im UkraineKrieg starten will. Nun kann es sinnvoll sein, neutrale Personen mit einer solchen Aufgabe zu betrauen.
Klar ist, dass die Brics-Staaten (Brasilien, Russland, Indien, China, Südafrika), die größeren Schwellenländer, durchaus engere Kontakte pflegen. Seit Putin die Front in der Ukraine wieder stabilisiert hat, wird er auch als wichtiger Partner wieder akzeptiert. Der Auftritt Lulas dürfte in Moskau mit Wohlwollen registriert worden sein. Bei den Verbündeten Deutschlands dürfte er eher zu Irritationen geführt haben.
In der Ampel-Koalition kritisierte insbesondere FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai den Vorstoß Lulas. „Friedensgespräche können nicht ohne die Ukraine geführt werden und schon gar nicht über die Köpfe und Interessen der Ukrainer hinweg“, sagte der FDP-Politiker. „Die Initiative von Brasiliens Präsident Lula ist daher höchst fragwürdig, zumal Lulas Positionen zum Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine stark irritieren – wie er zuletzt bei der gemeinsamen Pressekonferenz mit dem Bundeskanzler in Brasilia ein weiteres Mal unter Beweis gestellt hat“, sagte der Liberale.
Trotz aller Kritik kann es aber nicht falsch sein, China und Brasilien als Brücke zu Putin zu benutzen, wenn der Krieg in der Ukraine für beide militärischen Parteien mehr Opfer als mögliche Vorteile bedeutet. Denn an einem gefährlichen Dauerkonflikt können auch Länder wie China oder Brasilien kein Interesse haben. „Dass Brasilien gemeinsam mit China eine politische Lösung zur Beendigung des Ukraine-Kriegs suchen will – das können wir doch nur begrüßen. Brasilien,
China, Indien und Russland bilden gemeinsam die Brics-Staatengruppe der großen Schwellenländer. Druck von diesen Verbündeten auf Putin wäre hilfreich“, sagte GrünenAußenpolitiker Jürgen Trittin.
Eine Friedensinitiative der Brasilianer, die gerne eine global wichtigere Rolle spielen würden, macht allerdings zum jetzigen Zeitpunkt wenig Sinn. Putin will weiterhin die Widerstandskraft der Ukraine und die Hilfsbereitschaft des Westens testen, weil er über die stärkeren Ressourcen – militärisch wie energiepolitisch – verfügt. Da wird er sich auch nicht von Brasilien abhalten lassen.