Neue Debatte ums Fracking
Experten werben für die neue Technologie, Umweltschützer bleiben skeptisch.
Der Sachverständige Frank Schilling, Professor am Karlsruher Institut für Technologie, fand im Düsseldorfer Landtag deutliche Worte, um eine Lanze für das Fracking zu brechen – durchaus mit politischer Botschaft. „Wir sind Weltmeister im Export von Umweltschäden. Da sind wir richtig gut drin“, sagte er sarkastisch bei einer Expertenanhörung. „Ich glaube nicht, dass wir die nächsten Jahre ohne Frackinggas in Deutschland auskommen werden. Die Frage ist nur, ob wir es importieren oder bei uns machen. Und dem Klima ist das Wurst.“Wobei er den letzten Punkt noch korrigierte. Durch Verflüssigung und Transport werde die Klimabilanz bei Gas, das von auswärts eingekauft werde, natürlich schlechter. Unterm Strich, vermutete Schilling, sei in Deutschland durch Fracking gewonnenes Gas wahrscheinlich sogar klimaschonender als konventionell gefördertes Gas, das durch Pipelines aus Russland hierher käme.
Die NRW-Politik hatte ihn und weitere Sachverständige um Stellungnahmen gebeten, weil die FDPFraktion im Landtag bei dem Thema nicht locker lässt: Sie will, dass die schwarz-grüne Landesregierung sich beim Bund dafür starkmacht, das derzeit deutschlandweit geltende Fracking-Verbot „ergebnisoffen“zu prüfen. Und sie fordert eine Potenzialstudie für Nordrhein-Westfalen. Credo der Liberalen: In der Energiekrise dürfe man Chancen im eigenen Land nicht ignorieren.
Gemeint ist immer das sogenannte „unkonventionelle Fracking“, das in Deutschland grundsätzlich nicht zu kommerziellen Zwecken erlaubt ist. In den „unkonventionellen Lagerstätten“ist Gas in festem Gestein wie Schiefer, Mergel oder Kohleflöz gebunden. Um es freizusetzen, wird beim Fracking ein Gemisch aus Wasser, Quarzsand und Chemikalien durch Bohrungen in den Grund gepresst. Das Gestein bricht dadurch auf, das Gas wird mitsamt dem Wasser hochgepumpt.
In der Anhörung beschrieb Frank Schilling einen großen technologischen Sprung: „Vor 15 Jahren waren Fracking-Fluide hochtoxisch“, sagte er. Heute würden Substanzen eingesetzt, die man auch in Lebensmitteln und Hautcremes finde. Die Umweltgefahren seien gering, wenn die Förderung in Deutschland nach dem Stand der Technik geschehe. „Dort, wo bereits ausreichend exploriert (vorerkundet) wurde, könnte technisch innerhalb von circa sechs bis zwölf Monaten Gas gefördert werden“, schreibt er in seiner schriftlichen Stellungnahme zur Debatte.
Die ebenfalls geladenen Fachleute, die die Belange des Umweltschutzes und der Wasserwirtschaft vertraten, konnten mit diesen Ausführungen
allerdings nicht viel anfangen. Da würden Rezepte aus der Vergangenheit hervorgeholt, um Probleme der Zukunft zu lösen, sagte Dirk Jansen vom Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND): „Ich dachte, das Thema sei durch hier in Nordrhein-Westfalen.“Sich auf Fracking einzulassen, würde bedeuten, dass man eine zusätzliche Infrastruktur für fossile Energie aufbaue, während die Gaspreise auf dem Weltmarkt fielen, die CO2-Bepreisung aber steige, kritisierte er. Bei Berechnungen zur Wirtschaftlichkeit würden mögliche Folgekosten durch Umweltschäden einfach nicht eingepreist. „Wenn wir das volkswirtschaftlich wirklich gut machen würden, dann hätte sich die Frage nach Kohle, Gas, Atom, längst erledigt.“
Der Bundesverband der Energieund Wasserwirtschaft (BDEW) meldete erhebliche Sorge ums Trinkwasser an. Gerade vor dem Hintergrund des Klimawandels – längere Trockenperioden setzen den Wasserhaushalt enorm unter Stress – und gerade in einem dicht besiedelten Bundesland wie NRW müsse die Sicherheit dafür im Vordergrund stehen.
Und dann sei der zu betreibende Aufwand für den Trinkwasserschutz „viel zu groß, um kurz- oder auch mittelfristig einen signifikanten Beitrag zur Gasversorgung leisten zu können“, sagte der Geschäftsführer der BDEW-Landesgruppe, Holger Gassner. Bei normalen Genehmigungsverfahren müsse man mit einer Dauer von ungefähr sieben Jahren rechnen, und das sei eher die unterere Grenze.
Die letzte große Untersuchung zu möglichen Gasvorkommen im Untergrund von NRW gab es vor zehn Jahren. Nach Einschätzung des landeseigenen Geologischen Dienstes müssten Lagerstätten immer im Einzelfall betrachtet werden: Wie ergiebig ein Vorkommen ist und wie sicher die Förderung wäre, komme auf den jeweiligen geologischen Standort an. Damit die Gasgewinnung aber wirtschaftlich lukrativ sei, müsse man „groß“denken und viel Geld investieren, so Ulrich Pahlke, Direktor des Geologischen Dienstes. Dass beispielsweise örtliche Stadtwerke in die Ausbeutung von Gasvorkommen vor der eigenen Haustür einsteigen könnten, dafür sah er kaum Chancen.