Rheinische Post Kleve

Zeitloser Mond

- VON BENNO SCHWINGHAM­MER

(dpa) Eine Kaffee-Verabredun­g um 15.30 Uhr in der Lunar Basis 32, also auf dem Mond. Zu einem solchen Treffen könnte es derzeit nicht kommen. Nicht nur, weil auf dem Erdtrabant­en momentan kein Kaffee ausgeschen­kt wird und die Basis 32 noch nicht einmal in Planung ist. Sondern vor allem auch deshalb, weil es keine offizielle Mond-Uhrzeit gibt. Diverse Expedition­en und die Besiedelun­g des Himmelskör­pers im kommenden Jahrzehnt werden aber auf eine gemeinsame Zeit angewiesen sein, um sich orientiere­n und besser kooperiere­n zu können.

Wissenscha­ftler weltweit diskutiere­n einem Artikel des Fachmagazi­ns „Nature“zufolge, wie die Uhren künftig auf dem Mond ticken sollen. Internatio­nale Forscher trafen sich demnach zum Austausch über Lösungen zu dem Thema im November in den Niederland­en. Sie müssen sich in den kommenden Jahren einig werden, um ein Zeit-Chaos auf dem Mond zu verhindern.

Bislang ist es so, dass sich MondExpedi­tionen an der koordinier­ten Weltzeit UTC orientiere­n, sich aber untereinan­der nicht synchronis­ieren. Bei einer bisher überschaub­aren Anzahl an Raumschiff­en und Missionen auf und um den Mond stellte das kein größeres Problem dar. Mit der geplanten Errichtung von permanente­n Basen auf dem Trabanten, die zu einem signifikan­ten Anstieg von Menschen und Fahrzeugen dort führen wird, braucht es aber einen neuen Ansatz.

Wissenscha­ftler wie Jörg Hahn, Experte der Europäisch­en Raumfahrta­gentur Esa, sehen deshalb die Notwendigk­eit einer gemeinsame­n Mondzeit, um Kooperatio­n und Kommunikat­ion möglich zu machen: „All das muss auf eine Art Zeitbezug zurückgefü­hrt werden, sonst herrscht Chaos und die Dinge passen nicht zusammen“, so Hahn zu „Nature“. Besonders wichtig sei dies, um Positionen auf dem Mond mithilfe einer GPS-ähnlichen Technik bestimmen zu können. Die Koordinate­n einer Person oder eines Fahrzeugs werden nämlich im Zusammensp­iel mit drei Satelliten dargestell­t. Die Zeit, die die Signale von jedem der Satelliten zu der besagten Stelle brauchen, ergibt dabei die Position. Grundvorau­ssetzung dafür ist eine universell gültige Zeit.

Auf dem Mond allerdings ist das mit einigen Fallstrick­en verbunden: Zunächst einmal ist es so, dass die

Uhren dort der Relativitä­tstheorie zufolge etwas schneller ticken. Weil der Mond ein schwächere­s Gravitatio­nsfeld als die Erde hat, schätzt Nasa-Wissenscha­ftlerin Cheryl Gramling, dass die Zeit dort pro 24 Stunden 56 Mikrosekun­den – also 56 Millionste­l einer Sekunde – schneller läuft. Und auch wenn das auf den ersten Blick nur eine winzige Verschiebu­ng sein mag, kann sie einen großen Unterschie­d ausmachen, wenn es um Ortsbestim­mungen und Kommunikat­ion geht.

Auf dieser Basis gibt es mehrere Möglichkei­ten, die neue Mondzeit zu bestimmen: Die von Atomuhren auf dem Himmelskör­per gemessene Zeit könnte in regelmäßig­en Abständen an die koordinier­te Weltzeit angepasst werden, sodass Erde und Mond synchronis­iert sind. Möglich wäre aber auch, die minimal schneller laufende Zeit auf dem Mond eigenständ­ig fortlaufen zu lassen und den wachsenden Unterschie­d zur koordinier­ten Weltzeit darzustell­en.

Unabhängig­e Zeiten könnten laut „Nature“vor allem mit Blick auf die zukünftige Besiedelun­g weiterer Himmelskör­per, bei denen eine zeitliche Synchronis­ierung mit der Erde logistisch schwierige­r wäre, Sinn machen. Eine weitere Frage, die sich stellt, ist jene, ob Mondregion­en wie auf der Erde in unterschie­dliche Zeitzonen eingeteilt werden sollen. In jedem Fall ist es aber wahrschein­lich, dass das 24-Stunden-System der Erde auch für Menschen im All bedeutend bleibt. Grund ist unter anderem der natürliche Schlafrhyt­hmus – auf dem Mond nämlich dauert es von Mittag bis Mittag im Schnitt 29,5 Tage.

Auf dem Erdtrabant­en gibt es keine offizielle Uhrzeit. Weil diverse Expedition­en im kommenden Jahrzehnt geplant sind, wollen Wissenscha­ftler das nun ändern.

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FOTO: MARCUS BRANDT/DPA

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