Milliardenprojekt Chipfabrik
Immer öfter gelingt es, US-Technologiefirmen anzusiedeln – diesmal im Saarland.
(rtr) Europa kommt bei der Ansiedlung wichtiger Technologien einen weiteren Schritt voran: Der US-Konzern Wolfspeed will Insidern zufolge im Saarland ein Chipwerk bauen. Ein Großteil der Investition müsse über Subventionen finanziert werden, sagte Wolfspeed-Chef Gregg Lowe am Mittwoch in Ensdorf bei Saarlouis. „Ohne diese Förderung könnte man das Projekt in Europa nicht realisieren.“
Der eigens dazu angereiste Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) bezeichnete die Fabrik als Beitrag zu einer größeren Versorgungssicherheit Europas mit Halbleitern. Bundeswirtschaftminister Robert Habeck (Grüne) sprach von einem wichtigen Signal, „dass der Standort Deutschland in einer schwierigen Lage weiter attraktiv ist, auch für Hochtechnologie.“Die Bundesregierung hoffe auf weitere Ansiedlungen von Halbleiterherstellern, die bislang überwiegend in Asien produzieren.
Die Fabrik soll auf dem Gelände eines ehemaligen Kohlekraftwerks entstehen und 600 Arbeitsplätze schaffen. Bund und Land stünden bereit, erhebliche Zuschüsse über den EU-Förderrahmen IPCEI zu leisten, und hätten in Brüssel bereits eine Genehmigung angefragt, sagte eine mit dem Vorgang vertraute Person. „Das grüne Licht der EU-Kommission steht noch aus.“Die Freigabe gelte aber als sicher.
Hergestellt werden sollen ab 2027 Siliziumkarbid-Halbleiter, mit denen die Reichweite von Elektroautos gesteigert werden könnte. Sie kommen auch in Energie- und Industrieanlagen zum Einsatz. Beteiligt mit Know-how und einem finanziellen Beitrag von rund 170 Millionen Euro ist der Autozulieferer ZF Friedrichshafen. Es werde die weltweit modernste und größte Fertigung dieser Bauteile, erklärten die Unternehmen. Wolfspeed und ZF wollen zudem an einem anderen Standort ein Forschungszentrum errichten, um die Hochleistungschips weiterzuentwickeln. „Diese Initiativen sind ein wichtiger Schritt auf dem
Weg zu einer erfolgreichen industriellen Transformation“, erklärte ZFChef Holger Klein. Der zweitgrößte deutsche Autozulieferer steckt wie die gesamte Branche mitten im Umbruch. Mit dem weiten Einsatzfeld der Chips eröffneten sich auch ZF neue Geschäftschancen.
Wolfspeed habe sich nach Prüfen einiger möglicher Standorte in Europa für Deutschland entschieden wegen der qualifizierten Arbeitskräfte. Davon erhofft sich das Unternehmen Lowe zufolge eine besonders profitable Produktion. „Das Niveau an Qualität und Ausbildung von Technikern in Deutschland ist sehr, sehr hoch“, sagte er. „Unsere Aufgabe ist nur, sie für HalbleiterMaschinen auszubilden, und dafür haben wir vier Jahre Zeit.“Wolfspeed rechne mit einer Förderung in Höhe von rund 20 Prozent der Gesamtinvestitionen, sagte Lowe dem „Handelsblatt“.
Die EU strebt an, die Abhängigkeit Europas von Asien bei Halbleitern zu verringern. Der Chipmangel hat der Industrie die Anfälligkeit globaler Lieferketten vor Augen geführt. Mit einem „European Chips Act“im Volumen von insgesamt 45 Milliarden öffentlicher und privater Investitionen soll der weltweite Produktionsanteil von Halbleitern in Europa binnen zehn Jahren auf 20 Prozent verdoppelt werden.