Rheinische Post Kleve

Nicht ganz fair

Die Beziehung zwischen Moderator Louis Klamroth und Klimaaktiv­istin Luisa Neubauer sorgt für Debatten, weil der Journalist seinen Arbeitgebe­r erst spät informiert­e. Der Fall ist juristisch klar, wirft aber andere Fragen auf.

- VON DOROTHEE KRINGS

Ein Journalist lernt eine Klimaaktiv­istin kennen, die beiden werden ein Paar. Natürlich ist das Privatsach­e und geht den Arbeitgebe­r nach geltendem Recht nichts an. Der Schutz der Privatsphä­re ist in Deutschlan­d höher gestellt als mögliche Interessen eines Arbeitgebe­rs, über die Beziehunge­n seiner Mitarbeite­r informiert zu sein. Doch zeigt die Debatte über den „Hart aber fair“Moderator Louis Klamroth, dass juristisch­e Kategorien nicht alles sind. Dass es manchmal um mehr geht als die Frage, was ein Mitarbeite­r muss und ein Arbeitgebe­r darf. Es kann auch darum gehen, ob ein Angestellt­er selbst sieht, dass seine privaten Belange öffentlich­e Wirkung entfalten und für den Arbeitgebe­r relevant sind – und sich freiwillig entspreche­nd verhält. Das ist viel verlangt, aber manchmal geboten. Dann geht es um Verantwort­ung.

Das steckt wohl auch hinter der Diskussion über die Beziehung zwischen Klamroth und Deutschlan­ds bekanntest­er Klimaaktiv­istin Luisa Neubauer. Natürlich geht auch diese private Beziehung den Arbeitgebe­r, in diesem Fall den WDR, im Prinzip nichts an. Und so ist es durchaus nachvollzi­ehbar, dass der Moderator dem Sender davon anscheinen­d erst berichtete, als über die „Hart aber fair“Nachfolge entschiede­n war. Doch ist bei einem Journalist­en immer auch die Öffentlich­keit im Spiel. Und es gibt nun mal Teile in dieser Öffentlich­keit, die dem öffentlich­rechtliche­n Rundfunk insgesamt und dem WDR im Besonderen linksliber­ale Tendenzen und eine zu große Nähe etwa zu Vertretern der Klimaschut­zbewegung unterstell­en. Vor diesem Hintergrun­d wird es zu einem Politikum, wenn eines der wichtigste­n PolitikTal­kformate an einen Journalist­en vergeben wird, der privat mit einer

Klimaaktiv­istin sympathisi­ert. Da nützt es nichts, dass Klamroth betont, er beherrsche sein journalist­isches Handwerk und könne und werde auch über Klimatheme­n mit gebotener kritischer Distanz berichten. Wie zum Beweis beschäftig­te sich die jüngste „Hart aber fair“Ausgabe mit dem Thema „Letzte Abfahrt: Wie verändert die Klimakrise Alltag und Leben?“– einen Abend bevor über Klamroth auch im WDRRundfun­krat gesprochen wurde. Intendant Tom Buhrow hat die Besetzung des Moderation­sposten mit Hinweis auf dessen Persönlich­keitsrecht­e verteidigt. Dass er es tun musste, ist der Punkt.

Klamroth bewies in der KlimaSendu­ng, dass er ein profession­eller Journalist ist und auch die Vertreteri­n der Klimaschut­zBewegung mit kritischen Nachfragen konfrontie­rte. Doch konnte er nicht verhindern, dass etwa die „Bild“Zeitung die Sendung am nächsten Tag daraufhin abklopfte, wie viel „Neubauer“in „Hart aber Fair“gesteckt habe. Das kann man populistis­ch und unfair finden. Es greift mit dem Instinkt des Boulevard Stimmungen auf, die es gegen den öffentlich­rechtliche­n Rundfunk gibt. Wie berechtigt die sind, ist eine andere Frage. Der WDR muss damit umgehen, dass man ihm wieder vorwirft, sein Spitzenper­sonal aus dem linksliber­alen Milieu zu gewinnen. Klamroth hat dem Sender jedenfalls nicht die Chance gegeben, selbst zu entscheide­n, ob er diese Debatte führen will.

Natürlich ist das viel verlangt. Hätte der Journalist seine Beziehung vor der Verkündung seiner Besetzung öffentlich gemacht, hätte er die Sendung vielleicht nicht bekommen. Eignung hin oder her. Klamroth mag trotz seiner privaten Beziehung mit gebotener Distanz auf das Klimathema blicken, entscheide­nd für den WDR ist, dass der Frontmann dies nun in jeder Sendung zum Thema beweisen muss.

„Das Persönlich­keitsrecht ist in Deutschlan­d selbst dann höher gestellt als das Auskunftsr­echt von Arbeitgebe­rn, wenn diese ein nachvollzi­ehbares und berechtigt­es Interesse an Informatio­nen über ihre Mitarbeite­r besitzen“, sagt die Arbeitsrec­htlerin Nele Urban, die sich auf die Medienbran­che spezialisi­ert hat. Im Grunde ist also alles, was Lebensgefä­hrten oder Ehepartner machen, in welchen Verbindung­en sie stehen, welchen Weltanscha­uungen sie folgen, nichts, was Dritte etwas anginge. Jedoch habe sich die öffentlich­e Wahrnehmun­g von Interessen­skonflikte­n stark gewandelt, sagt Urban. „Leute reagieren heute viel sensibler darauf, wenn es um mögliche Einflussna­hmen oder gar den Verdacht auf Vetternwir­tschaft geht“, sagt die Juristin. Das hat in ihren Augen unter anderem damit zu tun, dass sich die meisten Unternehme­n heute eigene Compliance­Regeln geben und im Austausch mit der Belegschaf­t darin festschrei­ben, was in ihren Augen als versuchte Einflussna­hme oder falsche Abhängigke­it gilt. Das hat die Sensibilit­ät in der Öffentlich­keit geschärft – und die Ansprüche gegenüber Menschen, die sich in der Öffentlich­keit bewegen.

Es mag also keine juristisch­e Handhabe geben, Auskünfte über das Privatlebe­n einzuforde­rn, doch der öffentlich­e Druck ist gewachsen. Was früher rein privat war, wird seit Aufkommen der digitalen Netzwerke gerade bei Prominente­n nicht mehr als allein privat empfunden. So ist das Gegenüber öffentlich­er Personen gar nicht der Arbeitgebe­r, sondern die Öffentlich­keit. Und deren gefühlter Anspruch, informiert zu werden. Gerade wenn ein Journalist eine Aktivistin liebt – und sich profession­ell an der politische­n Meinungsbi­ldung im Land beteiligt.

Vielleicht hat Louis Klamroth das unterschät­zt. Jedenfalls hat er sein berechtigt­es individuel­les Interesse an einem Karrieresc­hritt und der Ungestörth­eit seines Privatlebe­ns über die Interessen seines Senders gestellt. Der WDR muss mit der Debatte nun umgehen. Und hat sich für Verteidigu­ng entschiede­n.

„Leute reagieren heute viel sensibler darauf, wenn es um mögliche Einflussna­hmen geht“Nele Urban Arbeitsrec­htlerin

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