Die nötige Aufholjagd bei den Zinsen
Die Europäische Zentralbank (EZB) hat die Inflation lange unterschätzt. Sie hielt die Teuerung für ein vorübergehendes Problem, das sich von alleine lösen wird. Die Tauben in der EZB wollten zudem die Lage in Südeuropa nicht durch Zinserhöhungen verschärfen. Ein Fehler. Als dann die USNotenbank Fed kräftig anhob, war das der Weckruf für die EZB. Jetzt geht sie diesen Weg konsequent weiter und überholt sogar die USBanker, was die Größe des Zinsschritts angeht: Die Fed erhöhte am Mittwoch um 0,25 Prozentpunkte, die EZB nun um 0,5 Punkte. Richtig so. Die Inflationsraten gehen zwar zurück. Doch der Kampf ist noch nicht gewonnen. EZBChefin Christine Lagarde muss den Bürgern zeigen, dass sie den Preisauftrieb nicht tolerieren wird. Das gilt auch mit Blick auf die Arbeitskämpfe für Kommunen und Post in Deutschland. Die absurd hohen Lohnforderungen von Verdi zeigen, dass die Inflationserwartungen noch nicht gebrochen sind.
Nun steht die EZB vor der schweren Aufgabe, Kurs zu halten, ohne über das Ziel hinaus zu schießen. Auch die für Deutschland in diesem Jahr erwarteten sechs Prozent Inflation verletzen das EZBZiel von zwei Prozent, sind unsozial, vernichten Werte und Wachstum. Zugleich müssen die Notenbanker rechtzeitig den Fuß vom Gas bekommen. Die Fed geht mit ihrer Drosselung bereits in diese Richtung. Es ist zwingend, dass die EZB die Politik des lockeren Geldes beendet, dazu gehört auch ein konsequenterer Ausstieg aus dem Kauf von Anleihen. Doch alleine kann sie die Inflation nicht besiegen: Wer die Energiepreise senken will, muss eine Erhöhung des Angebots zulassen – das verbietet einen überstürzten Ausstieg aus Kohle und Gaskraftwerken. Und er muss die Nachfrage senken, weshalb die Energiepreisbremsen fallen müssen. Es liegt auch an Politik und Tarifpartnern, wie schnell die Inflation endet.