Rheinische Post Kleve

Eine Frage der Perspektiv­e

Beim Besuch von Minister Robert Habeck in Schweden werden wirtschaft­spolitisch­e Differenze­n deutlich.

- VON BIRGIT MARSCHALL

Robert Habeck hat an diesem sonnigen Donnerstag einen schönen Termin in der Stockholme­r Innenstadt: Gerade hat er seine Amtskolleg­in, Schwedens Vize-Premiermin­isterin Ebba Busch, in ihrer Residenz getroffen, nun stellen sich die beiden locker und lässig der Presse. Ebba Busch und den deutschen Wirtschaft­sminister treibt um, wie die EU verhindern kann, dass Europas Industrie im Wettlauf mit China und den USA auf dem Weg in eine klimaneutr­ale Zukunft den Anschluss verliert.

Doch alle warmen Worte täuschen nicht darüber hinweg, dass es unterschie­dliche Vorstellun­gen gibt zwischen dem grünen Vize-Kanzler und der Vorsitzend­en der schwedisch­en Christdemo­kraten: Sie betont die langfristi­ge Wettbewerb­sfähigkeit, die Europa unbedingt verbessern müsse, etwa durch schnellere Genehmigun­gsverfahre­n. Er dagegen spricht davon, auch „breite Industriez­weige“mit Staatssubv­entionen fördern zu wollen.

Schweden hat im ersten Halbjahr die EU-Ratspräsid­entschaft inne, Habeck will die neue konservati­ve Regierung in Stockholm von der deutschen Position überzeugen. In seinen Gesprächen geht es vor allem um die europäisch­e Antwort auf den „Inflation Reduction Act“(IRA), jenes fast 400 Milliarden USDollar umfassende Subvention­sprogramm, mit dem die USA ganz nach vorne kommen wollen bei klimaneutr­alen Technologi­en. Europa fürchtet, wegen des IRA ins Hintertref­fen zu geraten. Am Vortag hatte EU-Kommission­spräsident­in Ursula von der Leyen deshalb spät, aber aus Habecks Sicht noch nicht zu spät einen eigenen Plan vorgelegt, den „Green Deal Industrial Plan“.

Habeck will keine Zeit verlieren. „Wir stimmen völlig überein, dass ein offener Markt immer die beste Möglichkei­t ist. Aber in der Zeit, in

der Energiepol­itik eine Sicherheit­sfrage geworden ist, muss man das Pragmatisc­he tun, und wir müssen es schnell tun“, sagt er. Klar wird dabei, dass er nicht nur grüne Zukunftste­chnik – erneuerbar­e Energien, Batterie- oder Wasserstof­f-Produktion­en – mit Staatshilf­e fördern will, sondern auch Halbleiter-Fabriken wie im Saarland oder andere Produkte, um Europa unabhängig­er vor allem von China zu machen. Habeck nennt als Möglichkei­t „Superabsch­reibungen“für die Industrie. Busch ist da viel zurückhalt­ender, sie sieht auch die Bedenken der kleineren, liberalere­n EULänder wie der Niederland­e, die die breite Subvention­ierung der Industrien kritischer sehen. Auch in der Energiever­sorgung gehen Deutschlan­d

und Schweden unterschie­dliche Wege: Deutschlan­d steigt Mitte April endgültig aus der Atomkraft aus, Schweden dagegen hat sich für einen Mix aus Atomkraft und erneuerbar­en Energien entschiede­n, um klimaneutr­al zu werden.

Einen Handelskon­flikt mit den USA wegen des IRA wollen beide – Habeck und Amtskolleg­in Busch – vermeiden. Gemeinsame Normierung­sräte der USA und der EU für bestimmte Produkte könnten ein Nukleus für „eine Art gemeinsame­s Industriea­bkommen, eine Industrieb­rücke“mit den USA werden, ist er überzeugt.

Am Freitag wird Habeck die Forschungs­abteilung des schwedisch­en Batterie-Hersteller­s Northvolt bei Stockholm besuchen. Der Konzern

wollte eigentlich in Habecks Heimat Schleswig-Holstein eine milliarden­schwere Batteriefa­brik bauen, kam nach der IRA-Ankündigun­g der USA aber ins Grübeln. Northvolt habe sich „im Grunde“bereits Mitte 2022 für den Standort in Heide entschiede­n, sagt Habeck. Aber dann habe der „Inflation Reduction Act“der USA diese Entscheidu­ng „noch mal geöffnet“, so der Minister. „Ich glaube, dass Northvolt noch immer offen ist für den Standort Heide.“Am Freitag will er zeigen, „was Deutschlan­d zu leisten bereit ist“, damit die Entscheidu­ng doch noch für Schleswig-Holstein fällt. Habeck wird dafür sorgen, dass aus den Töpfen der EU und des deutschen Staates ausreichen­d Geld für Northvolt zur Verfügung steht.

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FOTO: BRITTA PEDERSEN/DPA Wirtschaft­sminister Robert Habeck und sein schwedisch­es Pendant Ebba Busch: wohlgesonn­en, aber mit unterschie­dlichen Auffassung­en.

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