Zypern wählt neuen Präsidenten
Als größte politische Herausforderung gilt die Vereinigung der geteilten Insel.
561.000 Wahlberechtigte auf Zypern sind am Sonntag aufgerufen, einen neuen Staatspräsidenten zu wählen. Eine seiner Herausforderungen wird sein, die Gespräche über eine Vereinigung der geteilten Insel wieder in Gang zu bringen. Allerdings sind fast 50 Jahre nach der Spaltung die Aussichten auf eine Zypernlösung geringer denn je. Viele Menschen auf der Insel beschäftigen andere Sorgen.
Noch nie war der Andrang so groß: Zwölf Männer und zwei Frauen bewerben sich um das Präsidentenamt der Republik Zypern, mehr als je zuvor bei einer Wahl, seit die ehemalige britische Kolonie 1960 in die Unabhängigkeit entlassen wurde. Nur drei Bewerber können sich Hoffnung auf das Amt machen. Die Abstimmung ist wichtig, denn Zypern hat eine Präsidialverfassung: Das Staatsoberhaupt ist zugleich Regierungschef und kann weitgehend unabhängig vom Parlament agieren.
Der konservative Amtsinhaber Nikos Anastasiades darf laut Verfassung nach zwei fünfjährigen Amtsperioden nicht ein drittes Mal kandidieren. Aber die drei aussichtsreichsten Bewerber kommen gewissermaßen aus seinem Stall:
Der frühere Außenminister Nikos Christodoulides, Averof Neophytou, Nachfolger von Anastasiades als Chef der Demokratischen Sammlungsbewegung (Disy), und Andreas Mavrogiannis, der unter Anastasiades Chefunterhändler in den Einigungsgesprächen mit der türkisch-zyprischen Volksgruppe war.
Das von Griechen und Türken besiedelte Zypern ist geteilt, seit die Türkei im Sommer 1974 den Inselnorden besetzte, um eine Annexion der Insel durch das griechische Obristenregime und die Vertreibung der türkischen Volksgruppe zu verhindern. Bisher verliefen alle Wiedervereinigungsversuche im Sand. Der letzte Anlauf scheiterte 2017.
Gewählt wird nur im Südteil der Insel, der seit 2004 zur EU gehört. Der türkisch besetzte Inselnorden hat seine eigene Verwaltung.
Während bei früheren Wahlen die Wiedervereinigung im Vordergrund stand, brennen vielen Wählern inzwischen andere Themen auf den Nägeln wie die Inflation und die Energiekosten. Auch der wachsende Migrationsdruck beschäftigt viele. Im vergangenen Jahr registrierte Zypern im Verhältnis zur Bevölkerung die meisten Asylsuchenden aller EU-Staaten. Ein weiteres Problem ist die Korruption. Vor allem bei der Vergabe von „Goldenen Pässen“an Bürger dritter Staaten, überwiegend Russen, gab es finanzielle Unregelmäßigkeiten, in die ranghohe Politiker verwickelt waren. In einer Eurobarometer-Umfrage auf Zypern sagten noch im vergangenen Jahr 94 Prozent der Befragten, die Korruption sei in ihrem Land „weit verbreitet“.
Sorge bereitet vielen Menschen auch das immer aggressivere Auftreten der Türkei im östlichen Mittelmeer. Ankara macht der Insel die unter dem Meeresboden vermuteten Erdgasvorkommen streitig. Voraussetzung für eine Beilegung des Streits wäre eine politische Lösung der Zypernfrage.