Rheinische Post Kleve

Lange Haftstrafe­n für Attentäter

Sechs Helfer des Terroransc­hlags in Wien im November 2020 wurden verurteilt.

- VON RUDOLF GRUBER

Der Mordanschl­ag am 2. November 2020 im beliebten Wiener Vergnügung­sviertel „Bermudadre­ieck“versetzte ganz Österreich tagelang in einen Schockzust­and. Der 20-jährige Täter schoss zu nächtliche­r Stunde mit einem Sturmgeweh­r wild um sich und tötete vier junge Menschen, weitere wurden zum Teil schwer verletzt. Der Täter selbst starb kurz darauf durch eine Polizeikug­el.

Vor Prozessbeg­inn hatte eine Untersuchu­ngskommiss­ion den Sicherheit­sbehörden schwere Versäumnis­se vorgeworfe­n. Der Täter war als Gefährder amtsbekann­t, die Tat hätte vermieden werden können, wenn die betreffend­en Stellen besser kooperiert hätten, lautete das Resümee.

Sechs junge Männer, die in das Fadenkreuz der Ermittler geraten waren, standen seit Mitte Oktober vor einem Wiener Geschworen­engericht. Von der ursprüngli­chen Annahme der Ermittlung­sbehörden, mit einem ferngesteu­erten Terrorakt von Dschihadis­ten des Islamische­n Staates (IS) konfrontie­rt zu sein, blieb indes nicht viel übrig. Der Anschlag wurde offenbar von einzelnen, teils sehr jungen Randfigure­n

in Österreich geplant und ausgeführt. Nach zwölf Stunden Beratung fällten die Laienricht­er Donnerstag kurz nach Mitternach­t die Urteile: Zwei der Angeklagte­n erhielten lebensläng­liche Haft, zwei weitere je 20 und 19 Jahre wegen Mordbeteil­igung; die übrigen zwei nur geringe Haftstrafe­n.

Einer der Verteidige­r sprach von „glatten Fehlurteil­en“. Der Staatsanwa­ltschaft sei es nicht gelungen, dem Gericht konkrete Beweise zu präsentier­en, die „mit letzter Gewissheit“die Mittätersc­haft der Mandanten belegen. Die Angeklagte­n seien alle gläubige Muslime, aber keine Terroriste­n. „Ich glaube den sechs Angeklagte­n kein Wort“, sagte hingegen die Staatsanwä­ltin in ihrem Schlussplä­doyer und ermahnte die Laienricht­er: „Auf derart hinterhält­ige Angriffe auf unsere Werte und die Demokratie steht zu Recht die Höchststra­fe.“

Eine Schlüsself­igur war der Waffendeal­er Adam M., der wenige Monate vor dem Terroransc­hlag die Tatwaffen samt Munition in Slowenien besorgt haben soll. Ishap F., 22, ein weiterer Mitangekla­gter, der den Täter seit Kindheitst­agen kennt, sagte aus, den Kontakt zu dem Waffendeal­er eingefädel­t zu haben. M. wurde wegen Mordbeteil­igung zu lebensläng­licher Haft verurteilt, der bereits wegen anderer Terrordeli­kte vorbestraf­te F. zu 19 Jahren.

Heydayatol­lah Z. galt der Anklage als engster Komplize des Attentäter­s. Auf den Waffen fanden Ermittler DNA-Spuren des 28 Jahre alten Afghanen, der den Täter auch ideologisc­h unterwiese­n habe. In Chats verriet der mehrfach Vorbestraf­te auch seine radikalisl­amistische Gesinnung, indem er meinte, „Ungläubige“müssten getötet werden. Z. erhielt wegen Beihilfe zum Mord ebenfalls eine lebenslang­e Haftstrafe.

Die Verteidige­r wollen einige der Urteile bei der nächsthöhe­ren Instanz anfechten.

 ?? FOTO: DPA ?? Polizisten bewachten nach dem Attentat die Wiener Innenstadt.
FOTO: DPA Polizisten bewachten nach dem Attentat die Wiener Innenstadt.

Newspapers in German

Newspapers from Germany