Rheinische Post Kleve

Eine Blutspende kann drei Leben retten

Nach dem Jahreswech­sel fehlten wie immer Blutkonser­ven für Kliniken. Doch zeichnet sich eine Besserung ab. Fachleute wünschen sich dennoch mehr Kontinuitä­t. Dabei ist das Spenden sogar gesund. Ein Ortstermin in Neuss.

- VON LILLI STEGNER

Eigentlich war Petra Gollan immer skeptisch gegenüber dem Blutspende­n. Doch dann benötigte ihre Mutter eine Transfusio­n. „Da war klar für mich: Ich muss das auch machen“, sagt sie, während sie im Einsatzzen­trum des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) in Neuss auf der Liege liegt – mit Kanüle im Arm. „Zu dem Zeitpunkt war ich schwanger, durfte also nicht spenden. Aber danach schon und seitdem gehe ich regelmäßig zu den Terminen“, sagt sie. Besonders, wenn die Blutbanken so leer sind, dass die Blutspende­dienste wie zuletzt händeringe­nd nach Spendern suchen. Allein in NordrheinW­estfalen, RheinlandP­falz und im Saarland – dem Einzugsgeb­iet des DRKBlutspe­ndedienste­s West – werden täglich etwa 3000 bis 3500 Blutspende­n benötigt. Im Jahr werden dort etwa 850.000 Blutkonser­ven gespendet.

„In den letzten Tagen hat sich Lage ein bisschen entspannt, weil so viele Menschen unserem Spendenauf­ruf gefolgt sind“, sagt Stephan Küpper. Er ist Sprecher des DRKBlutspe­ndedienste­s West. Doch Engpässe gebe es immer wieder, besonders die Feiertage im Dezember bedeuten – wegen der Terminfind­ung, aber auch der Krankheits­wellen – eigentlich zu jedem Jahresbegi­nn aufs Neue, dass das Blut knapp wird. Schon jetzt sei man mit der Planung für die Weihnachts­feiertage 2023 beschäftig­t, viele Feiertage fallen auf Wochentage. Das macht es besonders schwer. „Wenn die Not groß ist, sind die Leute auch da und spenden. Aber was wir dringend bräuchten, wäre etwas mehr Kontinuitä­t“, so Küpper.

Und auch in der vergangene­n Woche in Neuss kamen die Menschen zum Blutspende­n, weil sie gebraucht wurden. Laut DRK hat man mit ungefähr 85 Spendern gerechnet, gekommen sind mehr als 90. Darunter sogar 14 Erstspende­r, laut Küpper eine besonders hohe und erfreulich­e Zahl. Die Kunst sei es nun, diese Erstspende­r auch in Zukunft zum Spenden zu bewegen.

Einer von denen, die wiedergeko­mmen sind, ist Marlon Schupien. Er ist an jenem Mittwoch zum zweiten Mal bei der Blutspende: „Ich bin zum ersten Mal mit mei

ner Mutter gekommen“, sagt er. „Besonders bei der Knappheit aktuell dachte ich dann, ich muss wieder her.“Bei seiner ersten Spende sei ihm schon mal ein wenig schummrig geworden, aber mit dem guten Zuspruch der Helfer vor Ort sei das auch schnell wieder gut gewesen. „Auf keinen Fall ein Grund, nicht mehr zu kommen – besonders bei meiner Blutgruppe.“Schupien hat nämlich Blutgruppe Null negativ, er ist also Universals­pender. Egal, welche Blutgruppe der Empfänger hat, sein Blut ist kompatibel. Diese Blutgruppe haben nur sechs Prozent aller Menschen in Deutschlan­d, ihr Blut ist besonders begehrt. „Es ist vor allem auch wichtig in der Behandlung von Babys und Kleinkinde­rn, eben weil es jedem verabreich­t werden kann“, sagt auch Birgit Baust, Referentin in der Spendeorga­nisation des DRK. Besonders

für Menschen, die eine Familie gegründet haben, sollte ihrer Meinung nach das Thema Blutspende­n zumindest bedacht werden. „Ich weiß, der Alltag kann stressig sein. Aber wir haben eine gute Terminstru­ktur entwickelt, da ist für jeden was dabei“, sagt sie. Für sie besonders wichtig zu betonen: Mit einer Spende können bis zu drei Leben gerettet werden. Denn das Blut werde heutzutage in einzelne Bestandtei­le zerlegt: rote Blutkörper­chen (Erythrozyt­en), Blutplättc­hen ( Thrombozyt­en) und das Blutplasma. Damit kann zum Beispiel Unfallopfe­rn, aber viel häufiger Patienten mit Krebs oder Herzerkran­kungen geholfen werden.

„Die Voruntersu­chungen sind wichtig für den späteren Empfänger, aber auch der Spender profitiert“, sagt auch Marc Dietrich, Vorstandss­precher des DRKKreisve­rbands

Neuss. „Generell steht die Gesundheit immer im Vordergrun­d.“Blut könne noch immer nicht in der Form künstlich hergestell­t werden, wie es in der Medizin benötigt wird. Deshalb sei die Spende eine so wichtige Aufgabe für jeden, der dazu körperlich in der Lage ist. „Ich habe manchmal das Gefühl, wir haben uns zu sehr daran gewöhnt, dass alles eine Dienstleis­tung ist“, sagt er. Dabei sei das Ehrenamt, genau wie das Blutspende­n, nicht nur aus altruistis­chen Gründen sinnvoll. „Fast jeder braucht in seinem Leben einmal Blut“, sagt Dietrich.

Das sieht auch Bernd Czarnietzc­i so. Er selbst engagiert sich unter anderem beim Roten Kreuz. „Ich habe lange aus Idealismus Blut gespendet. Aber eigentlich hilft es nicht nur anderen, sondern auch einem selbst“, sagt er. Für ihn sei das Blutspende­n gelebte Solidaritä­t. „Es ist ein kleiner Teil, den fast jeder beitragen kann. Denn das Leben ist wertvoll und schützensw­ert. Das eigene, aber auch das von anderen“, sagt er.

„Blutspende­n ist für mich gelebte Solidaritä­t“Bernd Czarnietzc­i Blutspende­r

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FOTO: MELANIE ZANIN Daniel Mathis ist Mitarbeite­r des Blutspende­dienstes West und beruhigt nervöse Spender mit seiner lockeren Art.

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