Rheinische Post Kleve

Visionen für den Pop

Björn Ulvaeus ist legendärer Songschrei­ber und erfolgreic­her Geschäftsm­ann. Der Abba-Star beobachtet die Entwicklun­g der künstliche­n Intelligen­z – und erzählt, wo er die Zukunft der Musik sieht.

- VON PHILIP DETHLEFS

(dpa) Als er kürzlich als Keynote-Sprecher bei der Digitalkon­ferenz DLD in München auftrat, räumte Björn Ulvaeus zuerst einen Verdacht aus der Welt: „Wenn ich solche Dinge heute mache, muss ich dem Publikum versichern, dass ich hier wirklich selbst stehe“, scherzte der 77-Jährige: „Jeder sollte einen Abbatar haben.“Zurzeit sieht man Ulvaeus nämlich täglich in London mit seiner Band Abba auf der Bühne stehen, allerdings eben nicht wirklich.

In der Konzertsho­w „Abba Voyage“, für die eine eigene Arena gebaut wurde, sind die Mitglieder des schwedisch­en Pop-Phänomens – Björn, Benny, Agnetha und Frida – als animierte, digital verjüngte Versionen zu sehen, die Welthits wie „Dancing Queen“, „Waterloo“und „Knowing Me, Knowing You“singen. Diese „Abbatare“, deren Gesang vom Band kommt und die von einer echten Liveband begleitet werden, wirken täuschend echt.

Ulvaeus interessie­rt sich leidenscha­ftlich für neue Technologi­en. „Ich verfolge das alles sehr genau“, sagt er im Zoom-Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur in London. Besonders Chat GPT, eine Chatsoftwa­re, in der eine künstliche Intelligen­z Fragen der Nutzer beantworte­t, fasziniert ihn. Zumal das auch Auswirkung­en auf die Musikindus­trie haben werde: „Künstliche Intelligen­z wird Lieder schreiben, die besser sind, als einige der rund 100.000 Songs, die jeden Tag neu bei Spotify erscheinen. Da bin ich mir absolut sicher.“

Kaum vorzustell­en, dass ein Computer einen Song wie „The Winner Takes It All“oder „Chiquitita“schreibt, oder? „Es könnte so unglaublic­h gut werden, dass es eine Bedrohung für Songwriter wird. So gut, dass die Leute gar nicht merken, dass es künstlich ist“, sagt Ulvaeus, der allerdings nicht erwartet, dass künstlich erzeugte Songs das Niveau der besten Songwriter erreichen können: „Anderersei­ts kann es nur etwas Durchschni­ttliches werden.“Künstler müssten sicherstel­len, dass ihre Musik herausstic­ht, und etwas Unerwartet­es wagen. „Und das ist vielleicht gut“, sagt Ulvaeus. „Denn wenn man sich jetzt die neuen Songs auf Spotify und so anhört, dann klingen die doch alle ziemlich ähnlich.“

In München war der Abba-Star aufgetrete­n, um eine Software vorzustell­en, die sicherstel­len soll, dass Songwriter die ihnen zustehende­n Tantiemen und damit eine gerechte Bezahlung bekommen. Wegen fehlender oder fehlerhaft­er Daten sei das oft nicht der Fall: „Da ich von Herzen Songwriter bin, ist das etwas, wo ich sehr engagiert bin.“

Als er vor rund 50 Jahren mit Benny Andersson die Musik für Abba

schrieb, sei alles einfacher gewesen. Nur dank Tantiemen hätten sie als Komponiste­n reifen können. Dass die Musik von Abba so populär wurde und noch immer so viele Menschen begeistert, ist Ulvaeus ein Rätsel. Er lacht: „Ich werde oft gefragt, woran das liegt, aber ich weiß es wirklich nicht.“

Natürlich helfen Projekte wie „Abba Voyage“, die Musik am Leben zu halten. Mehrere Jahre Arbeit flossen in die revolution­äre Show, bevor im vergangene­n Mai in Anwesenhei­t der vier echten Abba-Stars die umjubelte Weltpremie­re in London stattfand – rund 40 Jahre, nachdem

das Quartett zuletzt gemeinsam ein Konzert gegeben hatte.

Trotzdem sei er nicht nervös gewesen, sagt Ulvaeus: „Zu dem Zeitpunkt hatte ich die Show schon einige Male mit Testpublik­um gesehen und wusste, dass es funktionie­rt. Ich war also ziemlich entspannt für einen Eröffnungs­abend, habe da gesessen und es genossen.“

Die Premiere war ein voller Erfolg. Einige Menschen im Publikum hatten Tränen in den Augen. Das schwedisch­e Königspaar – König Carl Gustaf und Königin Silvia waren privat dort – tanzte auf der Tribüne: „Es war eine nette Geste, dass sie gekommen sind“, sagt der Musiker. „Ich habe ein bisschen mit ihnen geplaudert und sie waren sehr begeistert. Sie haben den Abend genossen.“

Mit der Zeit soll „Abba Voyage“verändert und manche Songs sollen ausgetausc­ht werden. London ist laut Ulvaeus nur der Anfang. Der 77-Jährige arbeitet daran, dass es das Konzertspe­ktakel bald auch in Las Vegas und Singapur gibt: „Vielleicht noch in Südamerika. Mal sehen.“Abba-Fans in Deutschlan­d dürfen sich auf „Mamma Mia! The Party“freuen. Die von Ulvaeus kreierte Dinner-Show, die auf dem Musical „Mamma Mia!“basiert, läuft schon in Göteborg und London – und soll nun nach Deutschlan­d kommen: „Es könnte in Köln sein, es könnte in Hamburg sein oder in Berlin. Wir haben nur noch nicht die richtige Location dafür gefunden.“

Abba ist derzeit nicht das einzige Projekt des Songwriter­s und viel beschäftig­ten Geschäftsm­anns. Das von ihm geschriebe­ne „Pippi Langstrump­f“-Musical „Pippi på cirkus“, das auf einer Geschichte von Astrid Lindgren basiert, soll im Sommer wieder in Stockholm gezeigt werden – und langfristi­g nicht nur dort. „Definitiv in Deutschlan­d“, versichert Ulvaeus: „Ich habe dort schon mit Leuten gesprochen und es gibt echtes Interesse.“

Langweilig wird der schwedisch­en Popikone in nächster Zeit also nicht werden. Am Ende seines DLD-Vortrags scherzte Ulvaeus, er habe sich die besten Anekdoten aus seiner Zeit als Popstar und seiner Ehe mit Agnetha für seine Memoiren aufgespart. „Ich mache es wie Prinz Harry“, sagte er unter dem Gelächter der Anwesenden: „Als ob!“Ein Enthüllung­sbuch ist von ihm bis auf Weiteres wohl nicht zu erwarten.

„KI wird Lieder schreiben, die besser sind, als einige der Songs, die jeden Tag bei Spotify erscheinen“Björn Ulvaeus Abba-Songwriter

 ?? FOTO: ANNA-KARIN NILSSON/IMAGO ?? Abba-Musiker Björn Ulvaeus hält es für möglich, dass KI künftig eine große Rolle im Songwritin­g spielt.
FOTO: ANNA-KARIN NILSSON/IMAGO Abba-Musiker Björn Ulvaeus hält es für möglich, dass KI künftig eine große Rolle im Songwritin­g spielt.

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