Ein Stück Maywald kommt zurück
Das neue Heft „Rund um den Schwanenturm“vom Klevischen Verein ist erschienen. Julian Krause und Wiltrud Schnütgen haben spannende Geschichten aus Kleve und seiner Vergangenheit zusammengetragen.
Von der alten Pracht war nichts mehr da: Als alliierte Bomber die Reste Kleves, die nach dem Bombardement am 7. Oktober 1944 übrig geblieben waren, im Februar 1945 noch einmal angegriffen hatten, waren vom Grand Hotel Maywald nur noch zwei gemauerte Torpfosten übrig, wie ein Foto von Willy Maywald zeigt, das unmittelbar nach Kriegsende entstand. Der Rest war dem Erdboden gleichgemacht, war Geschichte. Das Haus, die Feiern darin, die Terrassen, die Anlagen zum Kermisdahl hinunter. Einzige Erinnerung an die rauschende Zeit des großen Grand-Hotels in Kleve war auch hier nur ein Mauerrest südlich des Kreishauses. Der hatte sogar eine Info-Platte, die vom Untergang des Hotels erzählte. Doch 2019 verschwand bei Umbauarbeiten am Kreishaus auch diese letzte Erinnerung.
Bis jetzt: Denn Wiltrud Schnütgen berichtet im neuen Heft „Rund um den Schwanenturm, Zeitschrift des Klevischen Vereins für Kultur- und Geschichte/Freunde der Schwanenburg“, dass die Suche nach dem Maywald-Rest ein gutes Ende gefunden hat. Er war nicht weg, er war nur – sagen wir – verlegt. Oder wie der Kreis es nennt: „Gesichert“. Wie auch immer: Er soll wieder, so zitiert Schnütgen die Sprecherin des Kreises Kleve, aufgestellt und mit einer Erinnerungstafel versehen werden. Schön, dass Schnütgen nochmals an das Dampfboot erinnerte, das über den Kermisdahl fuhr und an die schicke Terrasse, auf der sich das Savoir-vivre so genießen ließ, wie alte Fotos mit schicken Holzmöbeln und Klever Bürgern mit ihren Gästen im flotten Sonntagsstaat nach der Jahrhundertwende berichten – Bilder, die an Renoirs Frühstück der Ruderer erinnern.
Doch das ist nur eine von vielen spannenden Geschichten in dem kleinen DIN-A-5 großen Heft, das jetzt im 41. Jahrgang als Nummer 45 erschienen und für 4.50 Euro im Buchhandel zu haben ist. Das beginnt schon mit den Beispielen aus der Stadtchronik vor 200 Jahren, die vom Erhalt der Parkanlagen nach der Verwahrlosung während der französischen Herrschaft berichtet oder dass 1922 ein Liter Milch sieben Mark kostete. Und ein Zentner Kartoffeln bis 115 Mark.
Gut, dass Clemens Giesen seine Idee von der Zeitscheibe in Kleve auch im Heft wach hält: Hier hat er sein historisch umgebautes Haus als Beispiel genommen - wobei sich solche Zeitscheiben über das ganze Stadtgebiet darstellen ließen - überall
dort, wo noch ein Rest Cleve erhalten blieb. Giesens Bericht von der Hopfensackstege zwischen Kavarinerstraße und Marktstraße zeigt, wie sich Kleve durch die Zerstörung und den Wiederaufbau verändert hat - und das nicht unbedingt zu seinen Gunsten: Es gäbe viel zu tun.
Der Zweite Weltkrieg und seine Folgen sind breites Thema im Heft: Zwei Wochen dauerte 1945 im Februar die Schlacht um den Reichswald und hat bis heute ihre Spuren hinterlassen. Überall im Wald läuft der Spaziergänger, wenn er genau hinschaut,
an Schützengräben vorbei, an MG-Stellungen, an Granat- und an Bombentrichtern. Hier und da verweist auch ein Hügel auf einen alten Bunker. Julian Krause hat den „Deckungsgräben im Reichswald“ein eigenes Kapitel gewidmet, die sich kilometerlang durch das Gebüsch und unter den Bäumen herziehen. Mit neuer Technik lassen sie sich auch in Karten festmachen, die online aufgerufen werden können und die Veränderungen des Bodens gut sichtbar aufzeichnen und von denen das Heft eine abbildet. „Volkssturm,
Hitlerjugend und die im Oktober im Raum Kleve neu aufgestellte 84. Infanteriedivision, wohl auch italienische Zwangsarbeiter, führten die Arbeiten aus“, schreibt Krause. Teils wurden sogar die Anlagen aus dem Ersten Weltkrieg wiederverwendet.
Der Clou des Heftes kommt dann wieder von Wiltrud Schnütgen, die den Leser mit auf einen Vogelflug über die alte Stadt nimmt. Ein Luftbild von 1930 zeigt einen großen Teil der Innenstadt, die Wiltrud Schnütgen beschreibt. Die einzelnen herausgehobenen Gebäude sind nummeriert
und lassen sich so auf den Bildern finden. Wobei, das schreibt Schnütgen schon zu Beginn, von der alten Stadt nicht viel übrig geblieben ist, neben der wieder aufgebauten Burg und der ebenfalls wiederaufgebauten Stiftskirche.
Bliebt noch ein Stück neuere Klever Stadtplanung: Die „Torte“am Klosterplatz, deren Bau im Zusammenhang mit der Gestaltung des Klosterplatzes Mitte der 1980er-Jahre beschlossen und danach auch gebaut wurde. Ein Unikum, das dann schließlich 2003 unter Bürgermeister Josef Joeken abgerissen wurde und inzwischen Geschichte ist, woran Daniel Boumans erinnert.