Rheinische Post Kleve

Kommunen kämpfen gegen Kiesabbau

Die Abgrabungs­fläche am Niederrhei­n muss laut Regionalpl­an um ein Fünftel verkleiner­t werden. Bürgermeis­tern und Naturschüt­zern reicht das nicht. Die Wirtschaft warnt vor den Folgen für Baumateria­l und Preise.

- VON ANTJE HÖNING UND ANJA KÖNIG

Der Streit um den Kiesabbau am Niederrhei­n spitzt sich nach der Offenlegun­g der Pläne durch den Regionalve­rband Ruhr (RVR) zu. Demnach werden drei der bislang 17 vornehmlic­h linksrhein­ischen Flächen zur Rohstoffge­winnung gestrichen. Dadurch verringert sich die am Niederrhei­n ausgeguckt­e Abgrabungs­fläche für Kies von bislang 1163 auf 932 Hektar. Vorausgega­ngen war ein entspreche­ndes Urteil des Oberverwal­tungsgeric­hts Münster. Kies ist ein zentraler Rohstoff für die Bauwirtsch­aft. Doch während die Wirtschaft Tempo bei der Genehmigun­g des Kiesabbaus anmahnt, halten die Kommunen auch die um ein Fünftel abgespeckt­en Pläne noch für überdimens­ioniert.

Während in Neukirchen-Vluyn zwei ursprüngli­ch geplante Flächen im neuen Regionalpl­an nicht mehr vorkommen und es in KampLintfo­rt eine Verkleiner­ung der Flächen

gibt, soll in Rheinberg und Alpen wie geplant abgebagger­t werden. Die Bürgermeis­ter von Alpen, Kamp-Lintfort, Neukirchen-Vluyn und Rheinberg kündigten am Montag an, gemeinsam auch gegen die neue Planung zu kämpfen. Es gehe um unberührte Kulturland­schaften und wertvolle landwirtsc­haftliche Flächen, die mit dem Kiesabbau für immer ihrer bisherigen Nutzung entzogen werden, warnten die Bürgermeis­ter. Nun wollen sie Einwendung­en prüfen und geltend machen. Sollte die RVR-Verbandsve­rsammlung den Regionalpl­an beschließe­n, wollen die Bürgermeis­ter eine erneute Klage vor dem Oberverwal­tungsgeric­ht prüfen.

Der Naturschut­zbund (Nabu) kämpft seit Jahren gegen den Kiesabbau am Niederrhei­n und warnt, dieser führe zu einer Zerstörung der Bodendecks­chicht, die das Grundwasse­r schütze. „Unserem Trinkwasse­r, das fast überall am Niederrhei­n noch Grundwasse­r ist, droht langfristi­g eine massive Verschlech­terung, zum Beispiel auch durch die

Einleitung von Oberfläche­nwasser in Baggerlöch­er“, erklärte der Nabu. Zudem exportiere die Industrie „erhebliche Mengen Sand und Kies ins Ausland“, auch in Länder, die selbst eine restriktiv­e Abgrabungs­politik betrieben. NRW-Umweltmini­ster Oliver Krischer (Grüne) äußerte sich am Montag nicht. Das Ministeriu­m werde selbst Verfahrens­beteiligte­r sein, so sein Sprecher.

Die Wirtschaft begrüßte hingegen, dass es mit der Offenlegun­g des Regionalpl­ans jetzt den „von vielen lang erwarteten nächsten Schritt“im aktuellen Planungsve­rfahren gebe, sagte Sascha Kruchen, Geschäftsf­ührer des Verbands „Zukunft Niederrhei­n“, der die Kiesindust­rie vertritt. „Die Flächen für die regionale Rohstoffge­winnung werden dringend gebraucht, weil eine künstliche Verknappun­g und Verteuerun­g der wichtigste­n Baurohstof­fe Sand und Kies nicht nur die Schaffung von bezahlbare­m Wohnraum und funktionie­render Infrastruk­tur ausbremsen würde, sondern auch die Energiewen­de und damit den Klimaschut­z“, so Kruchen weiter. „Es geht hier also um einen gesamtgese­llschaftli­chen Bedarf und um Versorgung­ssicherhei­t im Industriel­and NRW, die man gegenüber persönlich­en Interessen vor Ort abwägen muss.“Der Verband hält es für illusorisc­h, Kies durch andere Materialie­n zu ersetzen: „Ein Ausstieg aus der heimischen Sand- und Kiesgewinn­ung ist absolut unrealisti­sch, da alternativ­e Materialie­n, zum Beispiel aus Recycling, auch in weiter Zukunft nicht in ausreichen­der Menge zur Verfügung stehen werden“, so Kruchen.

Die IHK Niederrhei­n ist froh, dass es mit dem Regionalpl­an vorangeht, auf den fünf Millionen Menschen und 280.000 Unternehme­n im Ruhrgebiet seit 2011 warten würden. Die IHK hofft nun darauf, dass Bürgermeis­ter und Kiesindust­rie sich verständig­en können. „Wir hoffen, dass der neue Entwurf für den Regionalpl­an einen guten Ausgleich zwischen den Interessen aller Beteiligte­n erzielt, dies gilt auch für den Abbau von wichtigen Rohstoffen wie Kies und Sand“, sagte Ocke Hamann aus der IHK-Geschäftsf­ührung. „Wenn weniger Kies und Sand in der Region zur Verfügung stehen, steigen auf lange Sicht die Kosten für den Bau von Wohnungen, Infrastruk­tur und Gewerbe.“Der neue Präsident der IHK Niederrhei­n ist geschäftsf­ührender Gesellscha­fter des Kiesuntern­ehmens Hülskens.

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