Kommunen kämpfen gegen Kiesabbau
Die Abgrabungsfläche am Niederrhein muss laut Regionalplan um ein Fünftel verkleinert werden. Bürgermeistern und Naturschützern reicht das nicht. Die Wirtschaft warnt vor den Folgen für Baumaterial und Preise.
Der Streit um den Kiesabbau am Niederrhein spitzt sich nach der Offenlegung der Pläne durch den Regionalverband Ruhr (RVR) zu. Demnach werden drei der bislang 17 vornehmlich linksrheinischen Flächen zur Rohstoffgewinnung gestrichen. Dadurch verringert sich die am Niederrhein ausgeguckte Abgrabungsfläche für Kies von bislang 1163 auf 932 Hektar. Vorausgegangen war ein entsprechendes Urteil des Oberverwaltungsgerichts Münster. Kies ist ein zentraler Rohstoff für die Bauwirtschaft. Doch während die Wirtschaft Tempo bei der Genehmigung des Kiesabbaus anmahnt, halten die Kommunen auch die um ein Fünftel abgespeckten Pläne noch für überdimensioniert.
Während in Neukirchen-Vluyn zwei ursprünglich geplante Flächen im neuen Regionalplan nicht mehr vorkommen und es in KampLintfort eine Verkleinerung der Flächen
gibt, soll in Rheinberg und Alpen wie geplant abgebaggert werden. Die Bürgermeister von Alpen, Kamp-Lintfort, Neukirchen-Vluyn und Rheinberg kündigten am Montag an, gemeinsam auch gegen die neue Planung zu kämpfen. Es gehe um unberührte Kulturlandschaften und wertvolle landwirtschaftliche Flächen, die mit dem Kiesabbau für immer ihrer bisherigen Nutzung entzogen werden, warnten die Bürgermeister. Nun wollen sie Einwendungen prüfen und geltend machen. Sollte die RVR-Verbandsversammlung den Regionalplan beschließen, wollen die Bürgermeister eine erneute Klage vor dem Oberverwaltungsgericht prüfen.
Der Naturschutzbund (Nabu) kämpft seit Jahren gegen den Kiesabbau am Niederrhein und warnt, dieser führe zu einer Zerstörung der Bodendeckschicht, die das Grundwasser schütze. „Unserem Trinkwasser, das fast überall am Niederrhein noch Grundwasser ist, droht langfristig eine massive Verschlechterung, zum Beispiel auch durch die
Einleitung von Oberflächenwasser in Baggerlöcher“, erklärte der Nabu. Zudem exportiere die Industrie „erhebliche Mengen Sand und Kies ins Ausland“, auch in Länder, die selbst eine restriktive Abgrabungspolitik betrieben. NRW-Umweltminister Oliver Krischer (Grüne) äußerte sich am Montag nicht. Das Ministerium werde selbst Verfahrensbeteiligter sein, so sein Sprecher.
Die Wirtschaft begrüßte hingegen, dass es mit der Offenlegung des Regionalplans jetzt den „von vielen lang erwarteten nächsten Schritt“im aktuellen Planungsverfahren gebe, sagte Sascha Kruchen, Geschäftsführer des Verbands „Zukunft Niederrhein“, der die Kiesindustrie vertritt. „Die Flächen für die regionale Rohstoffgewinnung werden dringend gebraucht, weil eine künstliche Verknappung und Verteuerung der wichtigsten Baurohstoffe Sand und Kies nicht nur die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum und funktionierender Infrastruktur ausbremsen würde, sondern auch die Energiewende und damit den Klimaschutz“, so Kruchen weiter. „Es geht hier also um einen gesamtgesellschaftlichen Bedarf und um Versorgungssicherheit im Industrieland NRW, die man gegenüber persönlichen Interessen vor Ort abwägen muss.“Der Verband hält es für illusorisch, Kies durch andere Materialien zu ersetzen: „Ein Ausstieg aus der heimischen Sand- und Kiesgewinnung ist absolut unrealistisch, da alternative Materialien, zum Beispiel aus Recycling, auch in weiter Zukunft nicht in ausreichender Menge zur Verfügung stehen werden“, so Kruchen.
Die IHK Niederrhein ist froh, dass es mit dem Regionalplan vorangeht, auf den fünf Millionen Menschen und 280.000 Unternehmen im Ruhrgebiet seit 2011 warten würden. Die IHK hofft nun darauf, dass Bürgermeister und Kiesindustrie sich verständigen können. „Wir hoffen, dass der neue Entwurf für den Regionalplan einen guten Ausgleich zwischen den Interessen aller Beteiligten erzielt, dies gilt auch für den Abbau von wichtigen Rohstoffen wie Kies und Sand“, sagte Ocke Hamann aus der IHK-Geschäftsführung. „Wenn weniger Kies und Sand in der Region zur Verfügung stehen, steigen auf lange Sicht die Kosten für den Bau von Wohnungen, Infrastruktur und Gewerbe.“Der neue Präsident der IHK Niederrhein ist geschäftsführender Gesellschafter des Kiesunternehmens Hülskens.