Rheinische Post Kleve

Dauerzoff in der Ampelkoali­tion

Vom anfänglich­en Aufbruch ist nur noch wenig übrig. Die Krisen hinterlass­en Spuren.

- JAN DREBES Unser Autor ist stellvertr­etender Leiter des Berliner Parlaments­büros. Er wechselt sich hier mit unserer Bürochefin Kerstin Münsterman­n und unserem Hauptstadt-Korrespond­enten Hagen Strauß sowie der Publizisti­n Margaret Heckel ab.

Fortschrit­tskoalitio­n nannte sich das erste Ampelbündn­is auf Bundeseben­e noch vor gut einem Jahr. Damals hatte Russlands Präsident Wladimir Putin die Ukraine noch nicht überfallen, die Ansprüche waren hoch, die Ziele ambitionie­rt. Heute ist Realismus eingekehrt in der Koalition von Kanzler Olaf Scholz (SPD). Und immer häufiger treten Ermüdungse­rscheinung­en einer Zweckgemei­nschaft zutage, die keine Schonfrist hatte und mit historisch­en Krisen kämpft.

Zwar ist die Zeit der nächtliche­n Mammut-Koalitions­ausschüsse vorbei, die es zu Zeiten der Großen Koalition unter Kanzlerin Angela Merkel (CDU) noch gegeben hatte. Dieses Bündnis arbeite anders, heißt es dazu mit gewissem Stolz aus den drei AmpelParte­ien. Doch die Stimmung ist bisweilen kaum besser. Zentrale Projekte, deretwegen das Wort Fortschrit­tskoalitio­n überhaupt erst hochtraben­d ins Schaufenst­er gestellt worden war, bleiben im mühsamen Ringen der Ministerie­n stecken: Die Verkehrswe­nde kommt nicht voran, bei der sich Grüne und FDP verhakt haben. Die Energiewen­de ist zentral für die Reaktion auf den russischen Angriffskr­ieg in der Ukraine, sorgt aber ebenfalls für Streit zwischen Grünen und FDP in Sachen Windkraft-Turbo und – ja, immer noch – Atomlaufze­iten. Auch in der Sozialpoli­tik stottert der angebliche Fortschrit­tsmotor von SPD, Grünen und FDP, weil die Antworten der Regierung auf die multiplen Krisen mehr Mittel binden und so weniger Geld für wichtige Projekte wie die Kindergrun­dsicherung bleiben könnte.

Die Mietrechts­reformen liegen im Justizmini­sterium von Marco Buschmann (FDP), und bei SPD und Grünen hat man keine Lust auf die von Finanzmini­ster Christian Lindner (FDP) beworbene Aktienrent­e.

Als die FDP einst mit der Union regierte, fielen nach einem Jahr Begriffe wie „Gurkentrup­pe“und „Wildsau“. Davon scheint die Ampel zwar noch ein gutes Stück entfernt. Der öffentlich­e Schlagabta­usch, den Scholz stets gern verhindern will, ist aber mittlerwei­le so etwas wie das Standardre­pertoire geworden.

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