Rheinische Post Kleve

Irgendwo muss der Kies herkommen

- VON ANTJE HÖNING

Man kann die Bedenken der Anwohner und Naturschüt­zer am Niederrhei­n gut verstehen. Der Kiesabbau bedeutet einen gravierend­en Eingriff in die Natur, wertvolle Landschaft­en gehen dadurch verloren. Und natürlich möchte keiner den Lärm von Baggern und Lastern oder klaffende Löcher vor der Haustür haben. Doch so einfach ist die Sache nicht: Es möchte auch keiner ein Windrad oder einen Braunkohle­Tagebau in der Nachbarsch­aft haben – und trotzdem muss der Strom irgendwo herkommen. Es möchte keiner eine Autobahn oder Güterbahns­trecke in Hörweite haben – und trotzdem muss der Verkehr irgendwo rollen. Auf Kies lässt sich vorerst nicht verzichten, er ist ein zentraler Rohstoff für die Bauwirtsch­aft. Auch die Bürgermeis­ter, die nun gegen den Abbau in ihren Kommunen kämpfen, brauchen ihn für den Bau von Schulen, Kitas und Kliniken. Mit der Beggar-my-Neighbour-Politik, nach der lieber andere die Lasten tragen sollen, kommen wir nicht weiter. Hätten sich die Ruhrgebiet­sbürgermei­ster in den 1950er-Jahren so gegen den Steinkohle­bergbau gestellt, hätte es kein Wirtschaft­swunder gegeben – auch nicht am Niederrhei­n.

Wieder einmal tut sich in NRW der klassische Konflikt zwischen Industriep­olitik und Naturschut­z auf. Lange hatte dabei die Industrie Vorfahrt ohne Rücksicht auf Verluste. Der Kampf um den blauen Himmel über der Ruhr, den einst Willy Brand führte, oder der Kampf um einen sinnvollen Kohleausst­ieg im rheinische­n Revier zeugen davon. Eine Lösung im KiesKrach muss in klaren Leitplanke­n für die Firmen bestehen: Das Grundwasse­r muss geschützt werden, die Nutzung der Natur einen Preis haben – und den Abbau so teuer machen, dass ein Export nicht attraktiv ist. Aber die Nutzung muss erlaubt werden. Irgendwo muss der Kies schließlic­h herkommen, den wir nicht zuletzt zur Lösung der Wohnungskr­ise brauchen.

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