Tausende Azubis warten auf ihr Geld
Fortbildungen werden bezuschusst. Die zuständige Behörde kommt mit dem Aufstiegs-Bafög aber nicht hinterher.
Auszubildende und Menschen in beruflichen Weiterbildungen in NRW stehen ohne Geld da, das sie für ihren Lebensunterhalt brauchen, weil ihre Anträge unbearbeitet bei der zuständigen Behörde in Köln liegen. Je nach Aus- oder Fortbildungsgang warten sie derzeit mehr als acht Monate auf ihre Bafög-Leistungen, andere sind bald ein Jahr ohne Auskommen. Viele müssen nebenbei Jobs annehmen oder Grundsicherung beantragen, um über die Runden zu kommen, „was mit enormer psychischer Belastung einhergeht“, so die Klage eines Betroffenen. Manche gäben ihre Fortbildung aus Geldnot auf.
Die Bezirksregierung nimmt bedauernd Stellung. „Die dramatischen Folgen einer zu späten Auszahlung der Förderung für die einzelnen Menschen sind uns völlig klar und auch nicht hinnehmbar“, schreibt sie und versichert: „Die finanzielle Förderung der Fachkräftegewinnung, aber vor allem die Chancengleichheit bei der Bildung sind uns ein großes Anliegen.“
Das Problem betrifft das sogenannte Aufstiegs-Bafög. Dieses können Menschen für eine berufliche Fortbildung in Voll- oder Teilzeit beantragen, aber auch junge Leute in schulischer Ausbildung verschiedener Sparten. Beispielsweise angehende Erzieherinnen und Erzieher – Fachkräfte, die händeringend gesucht werden.
Die einzige Anlaufstelle zur Bearbeitung sämtlicher Anträge aus ganz NRW ist das Dezernat 46 der Bezirksregierung Köln. Dort schieben die Sachbearbeiter inzwischen einen Aktenberg vor sich her: Um die 10.000 Anträge warten nach Angaben der Behörde darauf, dass man sich ihrer annimmt. Dafür stehen derzeit 25 Voll- und Teilzeitkräfte zur
Verfügung. Der Bearbeitungsstand: Zum Stichtag 3. Februar waren diejenigen Vollzeit-Bafög-Anträge erstmals bearbeitet, die am 15. Mai eingegangen waren. Bei den Teilzeit-Anträgen nennt der Bearbeitungsstand den 9. März.
Wie die von der Bezirksregierung selbst bezeichneten „dramatischen Folgen“für die Wartenden aussehen können, beschreibt beispielhaft Tobias Umbreit aus Essen. Er ist seit Anfang August in einer Vollzeitfortbildung zum staatlich geprüften Agrarbetriebswirt im Garten
und Landschaftsbau. „Ich selbst habe seit August 2022 mehr als 5000 Euro Ersparnisse ausgegeben, um meinen Lebensunterhalt während der Wartezeit finanzieren zu können“, legt er dar. „Seit Januar 2023 sind diese Ersparnisse in Gänze aufgebraucht, weshalb ich nun auf einen Nebenjob angewiesen bin und ebenfalls Grundsicherung beantragen werde.“Er gehe davon aus, dass sein Antrag bearbeitet sein wird, wenn seine Weiterbildung längst abgeschlossen ist.
Die Bezirksregierung Köln verweist darauf, dass sie massiv Personal aufzustocken versucht. Zwölf neue Teil- und Vollzeitkräfte würden gerade eingestellt. Weitere zwölf Stellen seien oder würden ausgeschrieben. Auch die Landesregierung will deutlich machen, dass sie sich um die Situation kümmert: Sowohl das Innen- als auch das Bildungsministerium hätten Maßnahmen mit der Bezirksregierung abgestimmt, „um die bestehenden Rückstände schnellstmöglich aufzuarbeiten, die Bearbeitungszeiträume deutlich zu reduzieren und dauerhaft keine neuen Verzögerungen aufkommen zu lassen“, hieß es. Gesetzlich mögliche Vorschuss-Leistungen sollten konsequent ausgezahlt werden. Um den aufgelaufenen Antragsstau aufzulösen, sollen für eine Weile Zeitarbeitskräfte helfen: Auf Betreiben des Bildungsministeriums sei eine Ausschreibung für einen externen Personaldienstleister erfolgt.
Die Opposition im Düsseldorfer Landtag fordert rasches Handeln. Die Vize-Fraktionschefin der FDP, Angela Freimuth, nannte die Situation „nicht akzeptabel“. „Die Landesregierung muss dringend die Bearbeitungszeiten verkürzen, in anderen Bundesländern geht es schließlich auch“, sagte sie. „Digitalisierung kann hier einen wirklichen Beitrag zur Verfahrensbeschleunigung leisten, wenn Anträge online gestellt und medienbruchfrei digital bearbeitet, Nachweise hochgeladen und Bescheide digital zugestellt werden können.“
„Das Aufstiegs-Bafög ist ein ganz wichtiger Beitrag zur Anerkennung der Gleichwertigkeit von beruflicher und akademischer Bildung“, befand Lena Teschlade, arbeitsmarktpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion. „Gerade angesichts des überall um sich greifenden Fachkräftemangels ist es von immenser Bedeutung, dass alle, die sich fortbilden wollen, dabei finanziell unterstützt werden.“Die SPD fordere die Landesregierung dazu auf, „schnellstmöglich für Abhilfe zu sorgen – etwa durch Entbürokratisierung“.