Commerzbank vor der Rückkehr in den Dax
Leidtragender könnte der Konzern Rheinmetall sein, der zuvor schon mit dem Aufstieg in die Börsen-Bundesliga gerechnet hatte.
Knapp viereinhalb Jahre ist es her, dass die Commerzbank ihren Platz im Deutschen AktienIndex (Dax) dem Zahlungsdienstleister Wirecard überlassen musste. Die Verantwortlichen der Bank gaben sich damals betont gelassen ob der Konsequenzen, die sich aus dem Abstieg des Dax-Gründungsmitglieds für dessen Geschäft ergaben, doch am Finanzmarkt wirkten der Abschied der Bank und der Einzug des Tech-Konzerns Wirecard wie eine kleine Revolution. Hin zum modernen Finanzdienstleister, weg vom Bankhaus alter Prägung, das die Digitalisierung zu verschlafen droht und sein Filialnetz wie einen Mühlstein am Hals mit sich herumträgt. Der Vergleich stammt übrigens aus dem Mund des einstigen DeutscheBank-Vorstands Ulrich Cartellieri – aus den 90er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts.
Im Februar 2023 hat sich das Rad der Zeit erneut gedreht, sozusagen vorwärts in die Vergangenheit. Wirecard ist nach seinem Kollaps längst Geschichte, dafür ist der Wiederaufstieg der Commerzbank faktisch beschlossen. Zwar will die Deutsche Börse erst am 17. Februar offiziell bekannt geben, wer im wichtigsten deutschen Börsen-Index den Platz des Industriegasekonzerns Linde einnehmen soll. Doch da die Commerzbank am Freitag die Kriterien für die Rückkehr erfüllt hat, ist das Ganze wohl nur eine Formsache. Die allerdings ohne die Aufstockung des Dax von 30 auf 40 Unternehmen jetzt noch nicht möglich gewesen wäre.
Um in die sogenannte BörsenBundesliga zurückzukehren, musste die Bank zwei Voraussetzungen erfüllen: beim Streubesitz das Unternehmen sein, das den größten Börsenwert hat (abseits der aktuellen Dax-Mitglieder natürlich) und für zwei aufeinanderfolgende Jahre einen Vorsteuergewinn ausweisen. Das erste Kriterium erfüllte sie am vergangenen Freitag, beim zweiten hat sie einen Kunstgriff angewandt und die Veröffentlichung einiger Bilanzkennziffern um mehr als zwei Wochen vorgezogen. Für 2022 soll es einen Vorsteuergewinn (Ebitda) von knapp 3,4 Milliarden Euro geben. Die Botschaft vom zweiten Gewinn in Folge kam noch rechtzeitig, um sich als Linde-Nachfolger in Position zu bringen. Leidtragender könnte der Rüstungs- und Technologiekonzern Rheinmetall sein, der zuvor schon mit dem Aufstieg in den Dax gerechnet hatte.
Nach viereinhalb Jahren ist die Commerzbank dank eines Griffs in die Trickkiste also wieder dort, wo sie nach jahrzehntelangem Selbstverständnis auch hingehört – in der Beletage der börsennotierten Unternehmen. Binnen knapp drei Jahren hat sich der Kurs, der im Mai 2020 kurz vor dem Rücktritt des damaligen Vorstandsvorsitzenden Martin Zielke und des seinerzeitigen Aufsichtsratschefs Stefan Schmittmann unter die Drei-Euro-Marke gefallen war und buchstäblich am Boden gelegen hatte, deutlich mehr als verdreifacht. Dass sie das geschafft und wieder attraktiv geworden ist für Investoren, hat sie auch einem harten Sanierungskurs zu verdanken. So richtig Schub bekommen hat die Aktie nämlich seit Anfang 2021, als der damals gerade angetretene Vorstandsvorsitzende Manfred Knof ankündigte, die Bank wolle insgesamt 10.000 Arbeitsplätze abbauen und fast jede zweite der verbliebenen 790 Filialen in Deutschland schließen. 10.000 Jobs weg – dies entsprach seinerzeit etwa einem Drittel aller Stellen bei der Bank. Durch den Abbau wolle das Unternehmen bis 2024 jährlich 1,4 Milliarden Euro einsparen, hatte es damals geheißen.
Weniger Kosten, mehr Gewinn, mehr Dividende, höherer Aktienkurs – so ungefähr funktioniert stark vereinfacht die Kausalkette im Anleger-Denken. Für 2022 beträgt der Gewinn je Anteilsschein einen Euro, für die beiden Folgejahre werden 1,38 respektive 1,73 Euro Ergebnis je Aktie erwartet. Solche Prognosen ermutigen die Investoren, und somit steigt der Kurs. Zwar sind der Krieg in der Ukraine und die Veränderungen im Russland-Geschäft auch an der Commerzbank ökonomisch nicht spurlos vorbeigegangen, aber nachhaltig ausgewirkt hat sich das nicht. Und da Deutschland eine echte Rezession erspart zu bleiben scheint, sinken auch die Risiken der Branche im Kreditgeschäft, das durch die Zinspolitik der Europäischen Zentralbank in den vergangenen Monaten zudem mehr Ertrag verspricht.
Ein bisschen profitiert die Commerzbank da also auch vom Branchentrend. Das US-Haus JP Morgan, die Schweizer UBS und die Deutsche Bank hatten die immer noch zweitgrößte deutsche Privatbank jüngst auf ihrer Kaufempfehlungsliste, andere rieten den Investoren zumindest, sie zu behalten. Auch wenn die jüngsten Zahlen ein wenig unter den Erwartungen der Analysten gelegen haben.