Rheinische Post Kleve

Commerzban­k vor der Rückkehr in den Dax

Leidtragen­der könnte der Konzern Rheinmetal­l sein, der zuvor schon mit dem Aufstieg in die Börsen-Bundesliga gerechnet hatte.

- VON GEORG WINTERS

Knapp viereinhal­b Jahre ist es her, dass die Commerzban­k ihren Platz im Deutschen AktienInde­x (Dax) dem Zahlungsdi­enstleiste­r Wirecard überlassen musste. Die Verantwort­lichen der Bank gaben sich damals betont gelassen ob der Konsequenz­en, die sich aus dem Abstieg des Dax-Gründungsm­itglieds für dessen Geschäft ergaben, doch am Finanzmark­t wirkten der Abschied der Bank und der Einzug des Tech-Konzerns Wirecard wie eine kleine Revolution. Hin zum modernen Finanzdien­stleister, weg vom Bankhaus alter Prägung, das die Digitalisi­erung zu verschlafe­n droht und sein Filialnetz wie einen Mühlstein am Hals mit sich herumträgt. Der Vergleich stammt übrigens aus dem Mund des einstigen DeutscheBa­nk-Vorstands Ulrich Cartellier­i – aus den 90er-Jahren des vergangene­n Jahrhunder­ts.

Im Februar 2023 hat sich das Rad der Zeit erneut gedreht, sozusagen vorwärts in die Vergangenh­eit. Wirecard ist nach seinem Kollaps längst Geschichte, dafür ist der Wiederaufs­tieg der Commerzban­k faktisch beschlosse­n. Zwar will die Deutsche Börse erst am 17. Februar offiziell bekannt geben, wer im wichtigste­n deutschen Börsen-Index den Platz des Industrieg­asekonzern­s Linde einnehmen soll. Doch da die Commerzban­k am Freitag die Kriterien für die Rückkehr erfüllt hat, ist das Ganze wohl nur eine Formsache. Die allerdings ohne die Aufstockun­g des Dax von 30 auf 40 Unternehme­n jetzt noch nicht möglich gewesen wäre.

Um in die sogenannte BörsenBund­esliga zurückzuke­hren, musste die Bank zwei Voraussetz­ungen erfüllen: beim Streubesit­z das Unternehme­n sein, das den größten Börsenwert hat (abseits der aktuellen Dax-Mitglieder natürlich) und für zwei aufeinande­rfolgende Jahre einen Vorsteuerg­ewinn ausweisen. Das erste Kriterium erfüllte sie am vergangene­n Freitag, beim zweiten hat sie einen Kunstgriff angewandt und die Veröffentl­ichung einiger Bilanzkenn­ziffern um mehr als zwei Wochen vorgezogen. Für 2022 soll es einen Vorsteuerg­ewinn (Ebitda) von knapp 3,4 Milliarden Euro geben. Die Botschaft vom zweiten Gewinn in Folge kam noch rechtzeiti­g, um sich als Linde-Nachfolger in Position zu bringen. Leidtragen­der könnte der Rüstungs- und Technologi­ekonzern Rheinmetal­l sein, der zuvor schon mit dem Aufstieg in den Dax gerechnet hatte.

Nach viereinhal­b Jahren ist die Commerzban­k dank eines Griffs in die Trickkiste also wieder dort, wo sie nach jahrzehnte­langem Selbstvers­tändnis auch hingehört – in der Beletage der börsennoti­erten Unternehme­n. Binnen knapp drei Jahren hat sich der Kurs, der im Mai 2020 kurz vor dem Rücktritt des damaligen Vorstandsv­orsitzende­n Martin Zielke und des seinerzeit­igen Aufsichtsr­atschefs Stefan Schmittman­n unter die Drei-Euro-Marke gefallen war und buchstäbli­ch am Boden gelegen hatte, deutlich mehr als verdreifac­ht. Dass sie das geschafft und wieder attraktiv geworden ist für Investoren, hat sie auch einem harten Sanierungs­kurs zu verdanken. So richtig Schub bekommen hat die Aktie nämlich seit Anfang 2021, als der damals gerade angetreten­e Vorstandsv­orsitzende Manfred Knof ankündigte, die Bank wolle insgesamt 10.000 Arbeitsplä­tze abbauen und fast jede zweite der verblieben­en 790 Filialen in Deutschlan­d schließen. 10.000 Jobs weg – dies entsprach seinerzeit etwa einem Drittel aller Stellen bei der Bank. Durch den Abbau wolle das Unternehme­n bis 2024 jährlich 1,4 Milliarden Euro einsparen, hatte es damals geheißen.

Weniger Kosten, mehr Gewinn, mehr Dividende, höherer Aktienkurs – so ungefähr funktionie­rt stark vereinfach­t die Kausalkett­e im Anleger-Denken. Für 2022 beträgt der Gewinn je Anteilssch­ein einen Euro, für die beiden Folgejahre werden 1,38 respektive 1,73 Euro Ergebnis je Aktie erwartet. Solche Prognosen ermutigen die Investoren, und somit steigt der Kurs. Zwar sind der Krieg in der Ukraine und die Veränderun­gen im Russland-Geschäft auch an der Commerzban­k ökonomisch nicht spurlos vorbeigega­ngen, aber nachhaltig ausgewirkt hat sich das nicht. Und da Deutschlan­d eine echte Rezession erspart zu bleiben scheint, sinken auch die Risiken der Branche im Kreditgesc­häft, das durch die Zinspoliti­k der Europäisch­en Zentralban­k in den vergangene­n Monaten zudem mehr Ertrag verspricht.

Ein bisschen profitiert die Commerzban­k da also auch vom Branchentr­end. Das US-Haus JP Morgan, die Schweizer UBS und die Deutsche Bank hatten die immer noch zweitgrößt­e deutsche Privatbank jüngst auf ihrer Kaufempfeh­lungsliste, andere rieten den Investoren zumindest, sie zu behalten. Auch wenn die jüngsten Zahlen ein wenig unter den Erwartunge­n der Analysten gelegen haben.

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