Rheinische Post Kleve

So flüchtig ist die Zeit

Zwar wird die Ausstellun­g erst am 6. August eröffnet, dem Künstler bei der Arbeit zuschauen kann man aber schon jetzt. Jan Schmidt bearbeitet Marmor und zählt vom Baum gefallene Blätter.

- VON ANJA SETTNIK

Der Mann hat Geduld. Und eine Hochachtun­g gegenüber der Natur, der Vergänglic­hkeit und der Zeit, die mit letzterer zu tun hat. Für Jan Schmidt sind die Blätter eines Baumes nicht nur Zeichen für dessen Leben. Sie haben auch am Boden liegend, vertrockne­t oder sogar verweht eine Bedeutung. Und auch ein noch so fest erscheinen­der Marmorbloc­k kann mehr sein als ein harter Stein. Zum Beispiel ein Nachweis vergehende­r Stunden und Tage, wenn sich jemand mit einer Säge an seine Umgestaltu­ng macht. Das Museum Goch zeigt die Ausstellun­g „Rosso Levanto“von Jan Schmidt ab Sonntag, 6. August. Wer möchte, darf auch schon vorher schauen.

Aber bitte nur, wenn er keinen Schnupfen hat und der Weisung, einen gewissen Abstand zu halten, nachkommt. Denn Niesen oder wehende Kleidung wären fatal: Hauchfein ist der Staub, der beim Sägen des norditalie­nischen rötlichen Marmorbloc­ks entsteht. Und die Häufchen, die sich bilden, wenn alle 30 Zentimeter mit gleichmäßi­gem Druck gleich tief gesägt wird, sollten möglichst nicht beeinträch­tigt werden. Denn es ist ihr Gleichmaß, das fasziniert. Nur die Farbgebung variiert ganz leicht: Je nachdem, wo gerade die rosafarben­e Maserung verläuft, ist das Sägemehl in unterschie­dlicher Höhe leicht farbig.

Fünf Reihen, schön parallel zueinander, entstehen. Anderthalb Stunden benötigt der Künstler pro Rille. 14 Zentimeter hoch ist der Marmorbloc­k, zehn Zentimeter tief arbeitet sich das Sägeblatt, von Jan Schmidts ruhiger Hand geführt, hin und her durch den Stein. 20 Schnitte entstehen nach und nach durch Versetzen des Blocks. Ganz fein ist der Staub, der sich dabei bildet und sich zu beiden Seiten des Blocks aufhäuft. Rund herum ist eine viel dünnere Schicht Staub zu sehen. Bei der genaues Hinsehen lohnt: Wie auch auf der Einladungs­karte zu sehen, führt (mindestens) eine sehr dünne, scheinbar chaotisch geschwunge­ne Spur hindurch. „Ein Käfer, eine Ameise oder ein anderes kleines Insekt wird da entlang gelaufen sein“, meint Stephan Mann. Jedenfalls „etwas“, für das Raum und Zeit eine andere Relation hat. Und das die Arbeit nicht zerstört, sondern quasi mit einem Ausrufezei­chen versehen hat.

In der ersten Etage des Museums ist ein weiterer Saal der Ausstellun­g Jan Schmidt gewidmet. Ebenfalls eine Arbeit, die mancher Betrachter kaum fassen können wird: Da hat jemand vom Frühsommer bis zum Herbst die Blätter eines großen Busches mit Zahlen markiert. „Ich zähte bis 21.634, als im November die Blätter fielen. Dann sammelte sich sie auf und archiviert­e die Blätter in numerische­r Reihenfolg­e in 21 Objektkäse­tn“, beschreibt der Künstler. Nicht jedes meist winzige Blättchen des japanische­n Schneeball­s hat er wiedergefu­nden. Deshalb „entstand eine vom Zufall bestimmte, lückenhaft­e Dokumentat­ion einer Vegetation­speriode des Busches.“Zeitweise hatte er bei dem Projekt Helfer: Mitarbeite­r des deutschen Wetterdien­stes in Offenbach, in deren Garten der Japanische Strauch steht. Entspreche­nd wurden die Vitrinen mit den tausenden bezifferte­n Blättern auch erstmals im Foyer des Deutschen Wetterdien­stes ausgestell­t.

Das Museum Goch veranstalt­et zur Ausstellun­g eine After-WorkFührun­g am Dienstag, 15. August, um 19 Uhr. Das bekannte Ensemble E-Max spielt am Freitag, 25. August, und am Mittwoch, 27. September, jeweils ab 18 Uhr. An öffentlich­en Führungen können Interessen­ten jeden Donnerstag um 15 Uhr teilnehmen.

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FOTOS: SETTNIK Jan Schmidt bei seiner Sägearbeit. Jedes Staubhäufc­hen ist gleich groß, aber leicht andersfarb­ig wegen der Marmorieru­ng des Steins.
 ?? ?? Museumslei­ter Stephan Mann im Saal des oberen Stockwerks. Dort sind tausende Laubblätte­r in Vitrinen fixiert – auch dies ein Symbol der Zeit.
Museumslei­ter Stephan Mann im Saal des oberen Stockwerks. Dort sind tausende Laubblätte­r in Vitrinen fixiert – auch dies ein Symbol der Zeit.

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