Deichverband muss Kredit aufnehmen
Weil die bewilligten Landesmittel für die Deichsanierung zwischen Lüttingen und Wardt auf sich warten ließen, musste sich der Deichverband Xanten-Kleve Geld leihen. Beim Besuch von NRW-Umweltminister Oliver Krischer gab’s Kritik.
Das Gewitter-Grollen vom Vormittag war längst verhallt. Eine spannungsgeladene Atmosphäre herrschte beim Besuch von NRW-Umweltminister Oliver Krischer trotzdem. Der Grünen-Politiker machte auf seiner Thementour auch in Xanten Station, um sich über die seit April laufende Deichsanierung zwischen Lüttingen und Wardt zu informieren. Krischer zufolge besteht mindestens auf der Hälfte der Deich-Kilometer in Nordrhein-Westfalen Handlungsbedarf. Nicht zuletzt angesichts der verheerenden Flutkatastrophe im Ahrtal vor zwei Jahren sieht der Politiker einen „funktionierende Hochwasserschutz, der auf dem aktuellen Stand der Technik ist, und moderne Hochwasserinformationssysteme als Warnung für die breite Bevölkerung“daher als wichtige Voraussetzungen an, „um Bürgerinnen und Bürger vor Extremwettereignissen zu schützen“, wie er auf seiner Tour betonte.
Für Unmut beim Deichverband Xanten-Kleve hatte allerdings ein kürzlich veröffentlichtes Interview mit dem Umweltminister geführt. Darin geht Krischer unter anderem auf den Fahrplan „Deichsanierung am Niederrhein“ein. Der sei 2014 beschlossen worden, bis 2025 sollten alle Rheindeiche saniert sein. Die Zeitvorgaben könnten nicht erfüllt werden, gab der Minister im Interview an und ergänzte: „Es wird der Job sein, in der nächsten Zeit mit einem neu aufgesetzten Prioritätenkonzept dafür zu sorgen, dass wir schneller vorankommen. Vielleicht auch dann mit veränderten Strukturen, wenn die sich als Problem erweisen sollten.“
Der Deichverband sah in der Aussage, seine ehrenamtliche Arbeit angeprangert. „Bei Hochwasser werden die Deiche alle vier Stunden von unseren Ehrenamtlichen kontrolliert, auch nachts, auch bei schlechtem Wetter, und das ist sicher kein Spaß“, sagte Deichgräf HansHeinrich Beenen. „Wie will das Land das sonst für 530 Deich-Kilometer in NRW bewerkstelligen?“, fragte er rhetorisch. Krischer beschwichtigte, dass die Strukturen generell überprüft werden müssten. „An kleineren Flüssen jenseits des Rheins gibt es oft gar keine Deichgräfe“, gab er als Beispiel an. Auch bei den Planungsverfahren für Sanierungen müsse geprüft werden, woran es liegt, „dass wir nicht schnell genug vorankommen“.
Deichgräf Beenen nimmt die Bezirksregierung in die Pflicht. Für die aktuelle Deichsanierung zwischen
Lüttingen und Wardt habe das Planfeststellungsverfahren fünf Jahre gedauert. „Ich habe auch schon Fälle von zehn Jahren erlebt“, sagte er. Seit 2003 saniert der Deichverband Xanten-Kleve den 37 Kilometer langen Banndeich in seinem Verbandsgebiet. 25,8 Kilometer sind schon fertig. Seit April wird auf 3,8 Kilometern zwischen Lüttingen und Wardt der Deich komplett neu aufgebaut. Die Arbeiten gehen zügig voran. Bis Ende Oktober soll der Hochwasserschutz in Xanten wieder stehen.
Zwei weitere Projekte hat der Deichverband noch vor der Brust: im Bereich Kleve-Griethausen bis Kleve-Brienen, rund 1,5 Kilometer, und im Bereich Knollenkamp bis zur Rheinbrücke Emmerich, rund 6,1 Kilometer. „Die Pläne sind längst fertig, doch wir warten und warten auf das Okay aus Düsseldorf“, so Beenen. „Jedes Jahr Verzögerung verteuert die Projekte enorm.“
Zuletzt hat das Warten den Deichverband in arge Bedrängnis gebracht. Denn die rund 16,2 Millionen Euro teure Deichsanierung in Xanten wird zu 80 Prozent vom Land finanziert. Doch als im April die erste Rate abgerufen werden sollte, „haben wir schlicht kein Geld erhalten“, so Maximilian Pieper, Geschäftsführer des Deichverbands Xanten-Kleve. Im Juni sei immer noch nichts ausgezahlt worden. „Ende Juni haben wir dann die Reißleine
gezogen und zum ersten Mal in unserer Geschichte zur Zwischenfinanzierung einen Kredit aufgenommen“, berichtete Pieper. Die Arbeiten zu pausieren, sei keine Option. „Wir müssen den Deich wieder zumachen“, betonte Pieper. Also habe sich der Deichverband 2,3 Millionen Euro für einen Zeitraum von drei Monaten geliehen. „Fast zeitgleich kamen dann auch die bewilligten Landesmittel an, aber da war es schon zu spät“, so der Geschäftsführer. Das Darlehen war schon ausgezahlt. Einen Tag später sei eine Baurechnung fällig gewesen. „Wenn wir von unserer Baufirma schnelle, gute Arbeit erwarten, muss sie auch erwarten können, rechtzeitig bezahlt
zu werden“, betonte der Geschäftsführer. Unklar ist derzeit noch, wer die Zinslast von vier Prozent zahlen muss. Der Deichverband sieht nicht ein, dass das „Fördermittel-Fiasko“, wie Deichgräf Beenen es nannte, zulasten der Mitglieder gehe.
Die weiteren Auszahlungen seien dann pünktlich gekommen. Nun sei man aber an einem Punkt, dass keine Mittel mehr abgerufen werden könnten. „Bislang wurden für das laufende Jahr erst 5,3 Millionen Euro bewilligt“, erklärte Pieper. Auf die weitere Bewilligung wartet der Deichverband wieder. Umweltminister Krischer sagte bei seinem Besuch zu, dies in den nächsten Tagen in die Wege zu leiten.