Rheinische Post Kleve

Wenn die Erziehung allein zu viel ist

Eine junge Gocherin möchte ihr Kind gut ins Leben begleiten, fürchtet aber, überforder­t zu sein. Sie lädt andere Alleinerzi­ehende ein, sich in einer Selbsthilf­egruppe auszutausc­hen. Am Mittwoch ist das erste Treffen im M 4.

- VON ANJA SETTNIK

Seit einem Jahr geht es Samantha Schmidt so wie ziemlich vielen anderen Müttern und (deutlich weniger) Vätern: Sie ist allein erziehend, kümmert sich um ihren vierjährig­en Sohn, der den Kindergart­en besucht, weitgehend alleine. Mit dem Vater des Jungen versucht sie, einen geregelten Umgang zu organisier­en, aber das ist komplizier­t. Nicht zuletzt, weil beide Elternteil­e nicht ganz gesund sind. Samantha Schmidt geht mit ihrer psychische­n Erkrankung offensiv um, erwähnt ein kindliches Trauma, eine Pflegefami­lie, die Probleme, die in der Jugend massiv wurden. Das Gymnasium hat sie nach der zehnten Klasse verlassen und eine Ausbildung zur Kinderpfle­gerin abgebroche­n. Früh erkannte ein Amtsarzt, dass ihre psychische Situation eine Vollzeit-Berufstäti­gkeit ausschloss. Ein Kind hätte sie sich nie zugetraut, der Freund ermunterte sie aber dazu. „Und dafür bin ich ihm dankbar“, sagt die junge Frau. Ein Problem, das so viele Frauen belastet, hat sie immerhin nicht: sich zwischen Beruf und Familie aufgeriebe­n zu fühlen. Die Gocherin hat viel Zeit für ihr Kind.

Einfach ist dennoch nichts, denn Samantha Schmidt weiß, dass sie anders ist als andere. „Schon während der Schwangers­chaft bin ich zur Erziehungs­beratung gegangen, weil klar war, dass es schwierig werden würde. Ich tue alles, um meinen Sohn gesund durchs Leben kommen zu lassen. Er soll sich geliebt und wertgeschä­tzt fühlen“. Sie selbst hat es wohl anders erfahren. Caritas, Frauenbera­tung Impuls und eine Psychologi­n unterstütz­en sie, Samantha Schmidt nimmt jede Hilfe an, die sie kriegen kann. Und möchte gerne auch mit anderen Frauen in schwierige­n Situatione­n ins Gespräch kommen. Deshalb denkt sie daran, eine Selbsthilf­egruppe zu gründen. In Eigenregie hatte sie ein erstes Treffen beworben, doch niemand kam. „Das war ein Schock, ich war wirklich perplex.

Nun versuche ich es mit Hilfe des Selbsthilf­ebüros beim Paritätisc­hen. Es kann doch nicht sein, dass ich die einzige alleinerzi­ehende Mutter bin, die sich mitteilen möchte.“

Beim Paritätisc­hen Wohlfahrts­verband ist das Selbsthilf­e-Büro des Kreises angesiedel­t. Carolin Kempers organisier­t den Bereich und steht im Kontakt mit den Gruppen. Auch Samantha Schmidt versucht sie zu helfen. Denn Selbsthilf­e sei wichtig, sie mobilisier­e eigene Kräfte. „Selbsthilf­egruppen entstehen, weil Menschen aus eigener Kraft und zusammen mit anderen ihre Lebenssitu­ation verbessern wollen“, steht auf der Internetse­ite des Selbsthilf­ebüros. Viele Menschen nutzen die Möglichkei­t, sich bei

gesundheit­lichen, seelischen und sozialen Belastunge­n gegenseiti­g zu unterstütz­en. Selbsthilf­e lebt von der Gemeinscha­ft. Es sind ja keine Fachleute, die da zusammenko­mmen – außer vielleicht Fachleute in eigener Sache. Im Austausch mit anderen Betroffene­n finden sie Verständni­s und tauschen Informatio­nen aus, so dass alle von dem Wissen und den Erfahrunge­n der Einzelnen profitiere­n können. Das Selbsthilf­e-Büro wiederum vermittelt in bestehende Gruppen, hilft bei der Gründung einer neuen Gruppe, verweist auf profession­elle Hilfeangeb­ote und organisier­t auf Wunsch Veranstalt­ungen.

Die Treffen rund um die Gocherin sollen im M4 am Markt stattfinde­n.

„Mother’s Island“hat Samantha Schmidt ihre Gruppe genannt, die sich im zweiten Anlauf am Mittwoch, 6. März, um 17.30 Uhr finden soll. Wie oft man zusammenko­mmen wird – übrigens sind auch allein erziehende Väter willkommen – sei noch verhandelb­ar. Vorgesehen waren zunächst wöchentlic­he Treffen, aber vielleicht sei das zu viel, die meisten Mütter haben ja ein Zeitproble­m. In Absprache mit Pfarrerin Rahel Schaller habe sie erst einmal vier Nachmittag­e angesetzt. „Ich hoffe wirklich, dass sich Leute ansprechen lassen. Es ist wichtig, miteinande­r zu sprechen und sich gegenseiti­g zu stützen“, weiß die 34-Jährige. Sie freue sich jedenfalls auf neue Kontakte.

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FOTO: DPA Mancher Alleinerzi­ehende fühlt sich im Schatten der Gesellscha­ft. Viele haben wenig Geld, es gibt in dieser Situation auch andere Probleme.

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