Rheinische Post Kleve

Ein Basta vom Minister

SPDFraktio­nschef Rolf Mützenich regt ein „Einfrieren“des UkraineKon­flikts an. Verteidigu­ngsministe­r Boris Pistorius gefällt der Begriff allerdings gar nicht.

- VON JAN DREBES UND HOLGER MÖHLE

Boris Pistorius kann eine Kampfbriga­de in Marsch setzen. Beim Fraktionsc­hef der größten Regierungs­partei, der normalerwe­ise die Macht des Bundeskanz­lers im Plenum absichert, endet die Weisungsbe­fugnis des Verteidigu­ngsministe­rs. Eigentlich. Aber der Inhaber der Befehls- und Kommandoge­walt, der Pistorius in Friedensze­iten ist, hat dann doch Klartext gesprochen, Marke „Basta“. Mützenich regte in seiner Rede im Bundestag an, den Ukraine-Konflikt „einzufrier­en“. Beim Auftauen gelte dann bestenfall­s jener Status, den die russischen Truppen auf ukrainisch­em Boden vor dem Einfrieren des Konfliktes geschaffen hätten, befürchten Abgeordnet­e der Grünen und der FDP. Und inzwischen auch der SPD.

„Das Wort signalisie­rt, man könne einen solchen Krieg, und wir reden ja nicht über einen beidseitig­en Konflikt, einfach so einfrieren und dann hoffen, dass es besser wird. Wir wissen aus den Erfahrunge­n mit Putin, dass das niemals so sein wird“, so Pistorius im Deutschlan­dfunk. Mützenich stehe vielmehr für den Wunsch nach Frieden. Doch die SPD sei „keine Partei der Putin-Versteher“, stellt der Verteidigu­ngsministe­r klar.

Pistorius argumentie­rt auch mit der Amtsautori­tät des aktuell beliebtest­en deutschen Spitzenpol­itikers. Die SPD, das weiß er, ist hin- und hergerisse­n zwischen auch militärisc­her Unterstütz­ung der Ukraine und der Hoffnung auf Frieden. In Ramstein beim Treffen der internatio­nalen Ukraine-Allianz unter Führung der USA schnürte Pistorius derweil das nächste deutsche Unterstütz­ungspaket.

Mützenich bleibt indes bei seinen Äußerungen und betont: Er sei kein „Putin-Versteher“, wie ihm oft vorgeworfe­n wurde, und er habe in seiner Rede sehr wohl auch die Bedeutung und Notwendigk­eit von weiteren Waffenlief­erungen herausgest­ellt, sagte er vor Beginn der Fraktionss­itzung am Dienstag in Berlin.

„Einfrieren“werde in den Sozialwiss­enschaften „als Begrifflic­hkeit genutzt, um in einer besonderen Situation zeitlich befristete lokale Waffenruhe­n zu ermögliche­n“, hatte er zuvor in der „Neuen Westfälisc­hen“betont. Diese könnten dann überführt werden „in eine beständige Abwesenhei­t militärisc­her Gewalt“. Mützenich betonte, ein solches Vorgehen benötige „natürlich die Zustimmung beider Kriegspart­eien“. Dies lasse sich „nicht von außen diktieren“. Klar sei aber: „Die Optionen, wie ein militärisc­her Konflikt beendet werden kann, die werden am Ende politische sein.“

Bundeskanz­ler Olaf Scholz (SPD) griff bei einer Diskussion­sveranstal­tung in Berlin das Wort „Einfrieren“nicht auf, wollte sich der Kritik am SPD-Fraktionsv­orsitzende­n aber nicht anschließe­n. Dieser sei „einer der hervorrage­nden Unterstütz­er“seiner Ukraine-Politik, sagte Scholz. Er sei sich mit Mützenich und vielen anderen einig, „dass wir ein klares Signal an den russischen Präsidente­n senden“– das Signal, dass die Ukraine so lange unterstütz­t werde wie nötig.

Bei der Veranstalt­ung übte Scholz generelle Kritik an der öffentlich­en Debatte über deutsche Hilfe für die Ukraine. „Die Debatte in Deutschlan­d ist an Lächerlich­keit nicht zu überbieten“, sagte der Kanzler. „Ich wünsche mir eine Debatte in Deutschlan­d, die Besonnenhe­it nicht diskrediti­ert als etwas, das zögerlich sei.“

Wie Mützenich und Pistorius verwies auch Scholz ein weiteres Mal darauf, dass Deutschlan­d einer der größten Unterstütz­er der Ukraine sei – und sprach mit Blick auf die von ihm abgelehnte Lieferung deutscher Taurus-Marschflug­körper von einer „ziemlich wenig erwachsene­n, peinlichen Debatte, die außerhalb Deutschlan­ds niemand versteht“. Und doch dürfte die Diskussion über Wege jenseits weiterer Waffenlief­erungen nicht aufhören mit dem Quasi-Basta des Verteidigu­ngsministe­rs – sondern zu weiteren Überlegung­en anregen.

„Die SPD ist keine Partei der Putin-Versteher“Boris Pistorius Verteidigu­ngsministe­r

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