Raubkunst nach 50 Jahren übergeben
Es ist das Ende eines Kunstraubs nach mehr als fünf Jahrzehnten. In Köln nahmen Vertreter aus Kleve die MittelalterFigur aus dem Altar entgegen. Wie es zu der Wende in dem Fall gekommen ist.
Der Prophet ist nach 50 Jahren wieder zu Hause: In Köln übergab Markus Eisenbeis, Geschäftsführer Van Ham Kunstauktionen, die knapp einen halben Meter große Schnitzfigur aus dem Antwerpener Altar in der Klever Stiftskirche an Jutta Tönnissen als Vertreterin der Propstei St. Mariä Himmelfahrt. 1972 war die Skulptur, die in der Mitte des 16. Jahrhunderts ins Eichenholz geschnitten wurde, aus Kleve geraubt worden. Jetzt war sie in einem Nachlass, der im Auktionshaus Van Ham versteigert werden sollte, wieder aufgetaucht.
„Als wir den Online-Auktionskatalog dazu veröffentlichten, dauerte es keine halbe Stunde, bis sich der erste Kunsthändler meldete, dass die Figur aus einem Raub stamme“, erinnerte Eisenbeis bei der Übergabe im Auktionshaus an der Kölner Hitzelerstraße: Beim ehemaligen Direktor des Klever Museums Kurhaus, Guido de Werd, der jetzt auch für Van Ham arbeitet, klingelte das Telefon. „Guido, der ist geklaut“, habe man ihm gesagt, führte de Werd weiter aus. Er habe nicht einmal Zeit gehabt, die zu versteigernden Figuren zu sichten. Spätestens da wäre ihm aufgefallen, dass der Prophet nicht rechtens in den Handel gekommen war. Schließlich kennt de Werd wie kein Zweiter die Geschichte der Kunstschätze der Kirchen im Klever Land und schrieb für die Stiftskirche den Kunstführer.
Was war zu tun? Einerseits sei die Straftat nach 50 Jahren verjährt, anderseits die Figur im Kunsthandel unverkäuflich, so Eisenbeis. Zwar sei sie nicht im internationalen ArtLost-Register, eine Art „Fahndungsliste“für gestohlenes Kulturgut, die in den 1980er-Jahren aufgestellt wurde, gelistet gewesen. Doch der Kunsthandel habe seine große Transparenz bewiesen und gezeigt, wie schnell er reagiere, so der Van Ham-Geschäftsführer. Hinzu kam, dass sich de Werd sagte, wo eine gestohlene Figur ist, können auch weitere sein. Er wurde fündig: Aus einem Retabel in Paffendorf waren 1971 zwei Stifterfiguren gestohlen worden – auch sie wurden
in dem Nachlass „dingfest“gemacht und jetzt übergeben. „Ich wollte eine schnelle und unkomplizierte Lösung und kein jahrelanges Verfahren um die drei Figuren“, sagte Eisenbeis. Denn nach der Verjährung hätte ein Gericht auch auf einen gutgläubigen Erwerb der Erbengemeinschaft entscheiden können. Also einigte sich das Auktionshaus mit der Erbengemeinschaft, kaufte die Figuren und gab sie als Schenkung an die Kirchen zurück.
„Für die Kirchengemeinde ist das ein Riesengeschenk“, sagte Jutta Tönnissen bei der Übergabe. Es sei für Kleve und die Stiftskirche wichtig, dass sie jetzt habe nach Köln fahren und die Figur für Kleve in Empfang nehmen könne. Wobei die Figur zunächst
einmal beim Landschaftsverband Rheinland landen wird – sie muss gesichtet und restauriert werden. Erst wenn sie vom Restaurator zurück ist, kann sie die einst nachgeschnitzte, nur holzsichtige Figur in dem Klever Altar wieder ersetzen. Zusammen mit dem zweiten Propheten, der ebenfalls Anfang der 1970er-Jahre geraubt wurde, so LVRRestaurator Marc Peez. Die Figur kam bei einer dubiosen „Rückgabe“wieder zurück: Ein Unbekannter hatte zwei Sporttaschen voller gestohlener Schnitzfiguren über die Klostermauern von Maria Laach geworfen. Dabei der zweite Klever Prophet. Wie genau die Restaurierung aussehen wird, müsse man aber noch entscheiden, so Peez.
Hier ist dann auch das Bistum Münster mit im Boot. Dafür war Thomas Fusenig, Leiter der Gruppe Kunstpflege beim Bistum, nach Köln gekommen. Denn nicht nur in Kleve, auch in Münster ist die Freude über die Rückgabe der alten Figur groß: „Die Figur ist ein herausragendes Stück, bezeichnend für die hohe Kunst der Antwerpener Schnitzer“, sagt Fusenig. Münster werde die Figur begutachten und die Frage der Restaurierung klären. Das werde jetzt zwar etwas dauern, aber man wolle hier sorgfältig vorgehen und entscheiden. Das sei die eine Botschaft, sagt der Kunstexperte. Und die andere: „Kunstraub aus Kirchen lohnt sich nicht – es kommt letzten Endes alles ans Licht“, so Fusenig.