Unfreiheit macht arm
Demokratie und Rechtsstaat sind inzwischen weltweit auf dem Rückzug. Aber nur wenn Bürgerrechte garantiert sind, macht auch die Wirtschaft Fortschritte. Ein Blick auf die neue Supermacht China belegt das.
Die westafrikanische Republik Benin galt noch vor einigen Jahren als demokratischer Vorzeigestaat. Von diesem Land aus lief eine Welle der Demokratisierung durch Afrika. Doch mittlerweile stuft eine Studie der Bertelsmann-Stiftung Benin nur noch als Demokratie mit hohen Defiziten ein. Präsident Patrice Talon hat nämlich mit seiner Parlamentsmehrheit das Wahlrecht so geändert, dass nur noch ihm genehme Parteien ins Parlament einziehen konnten. Er will ohne Störung durchregieren.
Das Beispiel ist typisch für viele Schwellen- und Entwicklungsländer. Noch vor vier Jahren waren unter den 137 untersuchten Staaten noch 74, die man als Demokratien bezeichnen konnte. Jetzt sind gerade einmal 63 übrig geblieben. Und nur 15 gelten als vollwertige Demokratien mit Rechtsstaat, Meinungsfreiheit und Gewaltenteilung. „Wir haben derzeit viele gewählte Autokraten. Sie verlassen sich auf einen engen Führungskreis. Parlamentarismus, freie Medien oder unabhängige Gerichte lehnen sie als störend für ihr Regierungshandeln ab“, erläutert Hauke Hartmann, der für die Erstellung des Transformationsindex BTI der Bertelsmann-Stiftung mitverantwortlich ist.
Die Demokratie ist weltweit auf dem Rückzug. Auch die westlichen Länder, die sich als Erfinder dieser Staatsform rühmen, geraten zunehmend in den Strudel von Populismus und autoritären Tendenzen. Eine Rückkehr von Donald Trump ins Weiße Haus ist nicht mehr ausgeschlossen und wäre eine ernste Belastungsprobe der US-amerikanischen Demokratie. Selbst in urdemokratischen Ländern wie den Niederlanden ist es nur knapp gelungen, den Populisten Geert Wilders als Ministerpräsidenten
zu verhindern. Und selbst eine Wahl des Rechtsextremen Björn Höcke zum Regierungschef von Thüringen gilt inzwischen als möglich.
Offenbar können sich auch viele aufstrebende Länder des globalen Südens sowie in Südostasien dem demokratiefeindlichen Trend nicht entziehen. Die Menschen sind weltweit durch Globalisierung und zunehmende ökonomische Ungleichheit verunsichert. Der Einbruch der Rohstoffpreise und die massive Verteuerung der Nahrungsmittel haben etliche Nationen in eine existenzielle Krise gestürzt. Nach der verheerenden Corona-Pandemie ist die Weltwirtschaft ins Ungleichgewicht geraten, Handelskriege und Störungen der Lieferketten bremsen empfindlich den internationalen Austausch. Seit einigen Jahren nimmt sogar die extreme Armut wieder zu. Fazit des Globalisierungsforschers Hartmann: Die unerwarteten Brüche und Verwerfungen hätten viele Länder „in eine existenzielle Krise gestürzt“. Gerade als Folge der Globalisierung, so der gelernte Historiker, habe die soziale Ungleichheit enorm zugenommen.
Doch es sind nicht allein die globalen Wirtschaftskrisen, die der Demokratie in der Welt so zusetzen. Oft verspielen auch inkompetente und korrupte Regierungen, die nur das Wohlergehen einer kleinen Führungsschicht im Auge haben, das Vertrauen in diese oft so fragile Staatsform, zu der es freilich keine Alternative gibt. Und auch die Folgen der weltweiten Finanz- und Schuldenkrise wirken immer noch nach. Der Ökonom Moritz Schularick, der das Institut für Weltwirtschaft in Kiel leitet, hat in zahlreichen Studien ermittelt, dass viele Menschen bei einem aktuellen oder drohenden Verlust ihres Geldvermögens radikalen und rechtspopulistischen Parteien und Politikern ihre Stimme geben.
Hauke Hartmann Globalisierungsexperte