Kein Fortschritt ohne Transparenz
Die Neuralink-Technik hilft Gelähmten. Geheimniskrämerei aber schürt Ängste.
In einem Livestream auf X hat vergangene Woche ein gelähmter 29-jähriger Mann sein NeuralinkGehirnimplantat zur Steuerung eines Computers verwendet. Dass ein Patient in der Lage ist, eine Maus auf dem Bildschirm zu bewegen, indem er einfach nur denkt, scheint einem Wunder gleichzukommen. Neuralink, das 2016 vom Milliardär Elon Musk mitgegründet wurde, entwickelt ein System, das als Gehirn-Computer-Schnittstelle (BCI) bekannt ist und Bewegungsabsichten aus Gehirnsignalen entschlüsselt. Im Livestream beschreibt der Patient, wie er lernt, die Schnittstelle zu benutzen. Man merkt an seiner Begeisterung, wie glücklich er ist, an der Studie teilzunehmen.
Das Unternehmen erhielt im vergangenen Jahr grünes Licht für eine erste Studie am Menschen und begann im Herbst mit der Rekrutierung gelähmter Teilnehmer für die Erprobung des Geräts. Bislang hat Neuralink aber nur wenige Details über den Fortschritt der Studie veröffentlicht. Dass eine Software die Signale des Gehirns analysiert und in Ausgabebefehle zur Steuerung externer Geräte umwandelt, ist ein phänomenaler Fortschritt, der scheinbar Unmögliches möglich macht. Was öffentlich bekannt ist, stammt aus Social-MediaBeiträgen und der kurzen Unternehmensbroschüre.
Insbesondere im Zusammenhang mit dem extrem polarisierenden Elon Musk strotzt das Projekt nicht unbedingt vor Seriosität und Transparenz. Wie weit ist die Forschung wirklich? Das Gehirn ist nun mal das Persönlichste,
was es gibt. Wenn wir anfangen, über die Entwicklung medizinischer Geräte für das Gehirn zu sprechen, müssen wir transparent sein. Ein offenerer Umgang mit der Forschung könnte auch Fehlinformationen über die Möglichkeiten der Neuralink-Technologie eindämmen. BCIs sind noch keine Geräte, die Gedanken lesen können. Auch wenn die Technologie bereits das Leben der Testperson positiv verändert hat, so ist die öffentliche Angst vor Gehirnmanipulation ein ernst zu nehmendes Thema. Wenn die Öffentlichkeit völlig im Dunkeln tappt, ist das nicht der richtige Weg, Fortschritte zu kommunizieren.
Unsere Autorin ist Start-up-Gründerin und Sprecherin der Initiative NRWalley. Sie wechselt sich hier mit Blogger Richard Gutjahr ab.