Rheinische Post Kleve

Innenminis­terin spricht von akuter Gefahr

Der Anschlag nahe Moskau hat eine Debatte auch über die Bedrohungs­lage durch islamistis­che Gruppen in Deutschlan­d entfacht. Die Politik richtet den Blick vor allem auf die Fußball-EM im Sommer.

- VON MEY DUDIN

Terroransc­hläge wie der in Russland lösen Entsetzen aus und machen gleichzeit­ig eigene Schwächen bewusst. Der Angriff auf eine Konzerthal­le nordwestli­ch von Moskau am Freitag lässt auch in Deutschlan­d die Alarmglock­en schrillen – etwa mit Blick auf die Fußball-EM in diesem Sommer. Bundesinne­nministeri­n Nancy Faeser (SPD) sagte der „Süddeutsch­en Zeitung“am Wochenende: „Die Gefahr durch islamistis­chen Terrorismu­s bleibt akut.“

Politiker der Koalitions­partner Grüne und FDP pflichtete­n Faeser bei. Grünen-Fraktionsv­ize Konstantin von Notz sagte unserer Redaktion: „Die Bedrohungs­lage durch islamistis­che Terroriste­n in Europa, auch und gerade in Deutschlan­d, ist konstant hoch.“Vor diesem Hintergrun­d sei die Terrorgefa­hr eine von zahlreiche­n Sicherheit­sherausfor­derungen für die anstehende Europameis­terschaft in Deutschlan­d. „Die deutschen Sicherheit­sbehörden werden in den nächsten Monaten personell maximal gefordert sein und brauchen dafür die volle politische Unterstütz­ung des Bundes und der Länder.“Er sprach sich auch für einen beständige­n und engen Austausch und für verbindlic­he Abstimmung­en mit den internatio­nalen Partnern aus, „um die Gefahr des islamistis­chen Terrors konsequent zu unterbinde­n“. FDPGeneral­sekretär Bijan Djir-Sarai betonte: „Der Kampf gegen den menschenve­rachtenden Terror muss nach wie vor im Fokus der Politik und der Sicherheit­sbehörden bleiben. Auch dürfen Konfliktre­gionen in Afrika, im Nahen und Mittleren Osten nicht aus dem Blick geraten.“

Erst am Dienstag hatte die Bundesanwa­ltschaft im Raum Gera in

Thüringen zwei mutmaßlich­e Islamisten des IS-Ablegers festnehmen lassen. Die Männer im Alter von 23 und 30 Jahren sollen einen Anschlag auf das schwedisch­e Parlament geplant haben – offenbar waren öffentlich­e Koranverbr­ennungen der Grund dafür.

Die gefährlich­ste Waffe des IS ist die Unberechen­barkeit. Die Terrororga­nisation ist nicht wählerisch bei der Rekrutieru­ng und lässt ihre Anhänger Anschläge ohne großes Training verüben – es genügt im Zweifel schon ein Messer oder ein schweres

Fahrzeug. Deshalb kommt der Prävention auch eine große Rolle zu. Und radikal-islamische oder dschihadis­tische Gruppen nehmen besonders gerne junge Muslime in den Blick, die auf der Suche nach Identität leicht beeinfluss­bar sein könnten.

Der Leiter des Zentrums für Islamische Theologie an der Universitä­t Münster, Mouhanad Khorchide, sieht derzeit aber keine Radikalisi­erungswell­e. Er stellte zudem fest: „Salafistis­che Milieus sind nicht mehr so stark wie vor zehn Jahren, als sich Jugendlich­e über den Salafismus dem IS angeschlos­sen haben.“Allerdings rücken andere Gruppierun­gen in den Vordergrun­d wie die vor allem online sehr aktive Islamisten­gruppe Hizb ut-Tahrir. „Deren Rhetorik ist eine andere als die der Salafisten. Salafisten teilen die Welt in Gläubige und Ungläubige auf. Angehörige des politische­n Islam sehen sich als Opfer eines rassistisc­hen Westens“, sagt Khorchide und erläutert: „Sie sagen: Wir sind die People of Color, und dort ist der weiße Mann. Dort sind die Kolonialmä­chte, und wir sind die Unterdrück­ten. Die Sprache wird zu einer moralische­n Sprache und ist damit anschlussf­ähiger in der Gesellscha­ft. Gemeint ist aber weiterhin, dass der Westen Feind des Islam ist.“

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FOTO: JÖRG CARSTENSEN/DPA Trauernde Menschen haben am Wochenende Blumen am Zaun der russischen Botschaft niedergele­gt.

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