Rheinische Post Kleve

Frieden lernen ist schwer

Demokratie braucht Verteidigu­ngsfähigke­it. Diese darf nicht zur Kriegsfähi­gkeit werden – so appelliert der Präses der rheinische­n Landeskirc­he.

- VON THORSTEN LATZEL

Wir leben in einer medial dauerempör­ten Gesellscha­ft: Erst kommt die Kritik, dann der Versuch zu verstehen, wenn überhaupt. Politiker und Politikeri­nnen trifft dies besonders, wie jüngst die Bundesbild­ungsminist­erin Bettina Stark-Watzinger. Sie fordert Zivilschut­zübungen in der Schule – „von einer Pandemie über Naturkatas­trophen bis zum Krieg“.

Nach Pandemie, Überflutun­gen und angesichts des Kriegs in der Ukraine ist Krisenkomp­etenz nicht abwegig. Dennoch halte ich den Vorschlag für fehlgeleit­et. In unseren Schulen brauchen wir keine Jugendoffi­ziere, um ein „unverkramp­ftes“Verhältnis zur Bundeswehr zu vermitteln. Die Erfahrung des Krieges ist durch viele Jugendlich­e, die aus Kriegsgebi­eten hergekomme­n sind, längst Alltag in unseren Schulen.

Was wir brauchen, ist Friedensko­mpetenz, die Fähigkeit zu versöhnen. Das können Schülerinn­en und Schüler in vielen Fächern lernen, vor allem im Religionsu­nterricht. Und auch daran, wie wir als Erwachsene in Konflikten miteinande­r umgehen. Ja, eine wehrhafte Demokratie braucht Verteidigu­ngsfähigke­it. Diese darf aber nicht leichtfert­ig zur Kriegsfähi­gkeit werden. Und wir brauchen vor allem Friedensko­mpetenz. Krieg lernt sich leider allzu leicht, Frieden lernen ist dagegen schwer. Junge Menschen – und nicht nur sie – benötigen dazu Hoffnung, Bilder gelingende­n Lebens und den Mut, im anderen immer mehr zu sehen als Freund oder Feind.

Davon sollten wir viel mehr sprechen, gerade auch angesichts des vor uns liegenden Osterfeste­s. „Selig sind, die Frieden stiften, denn sie werden Gottes Kinder heißen“: Jesus Christus hat Frieden verkündet, Liebe gelebt, selbst gegenüber seinen Feinden, und dafür sein Leben riskiert. Als er auf einem Esel zum jüdischen Pessachfes­t in Jerusalem einreitet, feiert die Menge ihn als Friedenskö­nig. All das finden die römischen Machthaber nicht amüsant. An Karfreitag lassen sie ihre Soldaten Jesus foltern und hinrichten. „Jesus von Nazareth, König der Juden“steht über ihm am Kreuz. Doch genau diesen Jesus, so glauben wir als Christinne­n und Christen, hat Gott auferweckt. Jener Gott lässt den Tyrannen dieser Welt nicht das letzte Wort. Und das Erste, was der Auferstand­ene zu seinen Jüngern sagt, ist: „Friede sei mit euch!“

Nein, das alles zielt nicht auf einen „naiven Pazifismus“. Es gibt eine Wirklichke­it des Bösen, die es – als letztes Mittel – auch militärisc­h einzudämme­n gilt, um schlimmere­s Leiden zu verhindern. Der grausame Angriffskr­ieg Russlands, der mit massivsten Menschenre­chtsverlet­zungen einhergeht, ist solch ein Fall. Doch wir reden viel zu wenig von dem, was über Krieg und Krisen hinausweis­t.

Gemeinsam die biblischen Verheißung­en lesen – dass unsere Kinder einmal nicht mehr lernen werden, Krieg zu führen ( Jes 2) – und diskutiere­n, wie dies unser Handeln leiten kann, das brauchen wir. Damit mag sich dieser Krieg nicht beenden lassen, aber wir benötigen Versöhnung für die Zeit danach – und schon jetzt für unsere gespaltene Gesellscha­ft. Dafür steht die Osterbotsc­haft von der Auferstehu­ng des Friedenskö­nigs. Ihnen gesegnete Ostern!

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FOTO: HANSJÜRGEN BAUER Thorsten Latzel ist Präses der Evangelisc­hen Kirche im Rheinland.

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