Frieden lernen ist schwer
Demokratie braucht Verteidigungsfähigkeit. Diese darf nicht zur Kriegsfähigkeit werden – so appelliert der Präses der rheinischen Landeskirche.
Wir leben in einer medial dauerempörten Gesellschaft: Erst kommt die Kritik, dann der Versuch zu verstehen, wenn überhaupt. Politiker und Politikerinnen trifft dies besonders, wie jüngst die Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger. Sie fordert Zivilschutzübungen in der Schule – „von einer Pandemie über Naturkatastrophen bis zum Krieg“.
Nach Pandemie, Überflutungen und angesichts des Kriegs in der Ukraine ist Krisenkompetenz nicht abwegig. Dennoch halte ich den Vorschlag für fehlgeleitet. In unseren Schulen brauchen wir keine Jugendoffiziere, um ein „unverkrampftes“Verhältnis zur Bundeswehr zu vermitteln. Die Erfahrung des Krieges ist durch viele Jugendliche, die aus Kriegsgebieten hergekommen sind, längst Alltag in unseren Schulen.
Was wir brauchen, ist Friedenskompetenz, die Fähigkeit zu versöhnen. Das können Schülerinnen und Schüler in vielen Fächern lernen, vor allem im Religionsunterricht. Und auch daran, wie wir als Erwachsene in Konflikten miteinander umgehen. Ja, eine wehrhafte Demokratie braucht Verteidigungsfähigkeit. Diese darf aber nicht leichtfertig zur Kriegsfähigkeit werden. Und wir brauchen vor allem Friedenskompetenz. Krieg lernt sich leider allzu leicht, Frieden lernen ist dagegen schwer. Junge Menschen – und nicht nur sie – benötigen dazu Hoffnung, Bilder gelingenden Lebens und den Mut, im anderen immer mehr zu sehen als Freund oder Feind.
Davon sollten wir viel mehr sprechen, gerade auch angesichts des vor uns liegenden Osterfestes. „Selig sind, die Frieden stiften, denn sie werden Gottes Kinder heißen“: Jesus Christus hat Frieden verkündet, Liebe gelebt, selbst gegenüber seinen Feinden, und dafür sein Leben riskiert. Als er auf einem Esel zum jüdischen Pessachfest in Jerusalem einreitet, feiert die Menge ihn als Friedenskönig. All das finden die römischen Machthaber nicht amüsant. An Karfreitag lassen sie ihre Soldaten Jesus foltern und hinrichten. „Jesus von Nazareth, König der Juden“steht über ihm am Kreuz. Doch genau diesen Jesus, so glauben wir als Christinnen und Christen, hat Gott auferweckt. Jener Gott lässt den Tyrannen dieser Welt nicht das letzte Wort. Und das Erste, was der Auferstandene zu seinen Jüngern sagt, ist: „Friede sei mit euch!“
Nein, das alles zielt nicht auf einen „naiven Pazifismus“. Es gibt eine Wirklichkeit des Bösen, die es – als letztes Mittel – auch militärisch einzudämmen gilt, um schlimmeres Leiden zu verhindern. Der grausame Angriffskrieg Russlands, der mit massivsten Menschenrechtsverletzungen einhergeht, ist solch ein Fall. Doch wir reden viel zu wenig von dem, was über Krieg und Krisen hinausweist.
Gemeinsam die biblischen Verheißungen lesen – dass unsere Kinder einmal nicht mehr lernen werden, Krieg zu führen ( Jes 2) – und diskutieren, wie dies unser Handeln leiten kann, das brauchen wir. Damit mag sich dieser Krieg nicht beenden lassen, aber wir benötigen Versöhnung für die Zeit danach – und schon jetzt für unsere gespaltene Gesellschaft. Dafür steht die Osterbotschaft von der Auferstehung des Friedenskönigs. Ihnen gesegnete Ostern!