Die Abweichler des Salons
Das Wallraf-Richartz-Museum erinnert 150 Jahre nach der ersten Impressionisten-Schau in Paris daran, wie sich Malerinnen und Maler jenseits der Etablierten selbst organisierten.
Bis heute zählt der Impressionismus zu den beliebtesten Kunstrichtungen weltweit. Vielleicht, weil er mit seinen Farbkompositionen und seinen an die Wirklichkeit angelehnten Motiven dem Auge schmeichelt, vielleicht auch, weil er den Betrachtern nicht zwingend eine Deutung aufbürdet. Mit Impressionismus verbindet man vor allem Landschaftsdarstellungen, harmonische Ausblicke in eine Welt, in der man sich wunderbar aufgehoben fühlt.
Das Kölner Wallraf-Richartz-Museum erinnert jetzt, 150 Jahre nachdem Künstler wie Degas, Monet und Renoir in Paris erstmals öffentlich ihre neue Richtung vorstellten, an deren Ursprünge. Die liegen im Politischen und sind eng mit Napoleon III. verbunden, dem Neffen des „großen“Napoleon. Er förderte die Entwicklung von Paris zur Metropole, zum Aushängeschild des Second Empire, und setzte nicht nur eine architektonische Umgestaltung der Stadt in Gang, sondern suchte ebenso die Kunst in die Zeitenwende einzuspannen.
Traditionell war der Pariser „Salon“der offizielle Ort, an dem eine Jury die Weichen für die Entwicklung der Kunst stellte. Diejenigen Maler, die nicht zugelassen worden waren, begehrten dagegen auf. Und da Napoleon III. keinen Aufruhr im Staat wünschte, beschloss er 1863, in der Nachbarschaft des Salons einmalig eine Ausstellung mit Werken der Zurückgewiesenen stattfinden zu lassen. Die Künstlerinnen und Künstler begriffen das als Liberalisierung und entfesselten daraufhin sich und ihre Arbeit.
Die gesellschaftliche Stimmung jener Zeit spricht nur verhalten aus den Bildern. Immerhin gab es genug Gründe zum Protest. Napoleon III. hatte Baron Haussmann mit einer grundlegenden Umgestaltung von Paris beauftragt. Der Preis für die breiten, noch heute das Bild der Stadt bestimmenden Boulevards war der Abriss von Arbeitervierteln mit dem Ziel, Platz zu schaffen für das Neue. Die Industrialisierung zog von den Bauernhöfen Arbeitskräfte ab. Die Kollegen, die übrig blieben, mussten sich fortan doppelt und dreifach schlagen – wie „Der Mann mit der Hacke“, den Jean-François
Millet auf düsterem Feld in Szene setzte.
Vor 150 Jahren eröffnete dann die erste unabhängige Schau junger Talente, die als die Impressionisten in die Kunstgeschichte eingingen. Worin ihre Kunst bestand, das lässt sich in den letzten Sälen des Ausstellungsrundgangs erleben. An der Stirnwand des größten Saals etwa hängt Claude Monets riesiges Gemälde „Frauen im Garten“von 1866/67, eine beschwingte Sommerszene. Unweit davon erhebt sich vom selben Maler „Die grüne Welle“, eine Komposition mit drei Segelbooten auf stürmischer See. Ringsum wirken Werke von Gauguin, Seurat, Signac und Pissarro ähnlich allein der Schönheit und dem Reiz des Motivs verpflichtet, ohne kritischen Bezug zur Zeit, in der sie entstanden.
Zu den Bildern, die im Gedächtnis bleiben, zählen „Ein Essen im Atelier“von Victor Julien Giraud, eine herrlich ausgelassene Szene vom Leben der Bohème, William Adolphe Bouguereaus „Zwischen Reichtum und Liebe“, eine junge Frau zwischen einem Alten, der sie mit einem Geschenk zu bezirzen sucht, und einem feschen jungen Mann, der gegenüber dem Alten zumindest materiell nicht mithalten kann, sowie Édouard Manets Panorama, das einen Blick auf die Weltausstellung von 1867 eröffnet, mit einem im Hintergrund ins Bild ragenden Heißluftballon. Ein Gemälde, das gleich am Anfang in Bann zieht, ist „Flucht vor der Kritik“von Pere Borrell del Caso, ein gemalter Rahmen, aus dem in einer Augentäuschung ein Junge zu springen scheint. Es wurde später als Flucht eines Malers vor den Forderungen der alten Kunstkritik gedeutet.
Heute lässt sich kaum mehr nachempfinden, dass die 165 ausgestellten Werke von 30 Künstlern 1874 auf starke Kritik stießen. Das hinderte sie nicht daran, in den folgenden zwölf Jahren weitere sieben Ausstellungen zu arrangieren. Die Art ihrer Malerei, die weniger auf Themen als auf Farbwirkungen und Lichteffekten beruht, verleitet Kunstsinnige immer wieder zum Lob, dass diese Künstler Vorläufer der Moderne gewesen seien. In Wirklichkeit aber hätten ihre Bilder auch ohne diesen Brückenschlag in die Zukunft Bestand, als dauerhafter Wert an sich.