Rheinische Post Kleve

Auf der Suche nach dem verlorenen Picasso

Der von Martin Suter erdachte Kunstdetek­tiv Allmen trifft auf den Kunstliebh­aber Weynfeldt.

- VON FRANK DIETSCHREI­T

Herr von Allmen ist mal wieder finanziell klamm. Lange schon hat sich kein Kunstliebh­aber bei ihm gemeldet, dem ein kostbares Stück aus der Sammlung abhandenge­kommen ist und der den auf verschwund­ene Kunststück­e spezialisi­erten Detektiv um Hilfe gebeten hat.

Mit einem Anflug von Melancholi­e vertrödelt Allmen seine nur zäh verrinnend­en Tage mit der Lektüre alter Romane. Weil er nicht darauf verzichten mag, sich in seine maßgeschne­iderten Anzüge zu werfen, abends durchs Zürcher Nachtleben zu stromern und sich in schicken Bars teure Drinks zu genehmigen, pumpt er neuerdings sogar seinen Diener Carlos an, der jeden Schweizer Franken dreimal umdreht, aber die Finanzspri­tze für seinen Vorgesetzt­en

als Investitio­n in eine bessere Zukunft versteht.

Als Allmen eines Nachts auf einen Absacker in eine Bar einkehrt und sich von den Klängen einer charmanten Blues-Sängerin verzaubern lässt, findet er im kultiviert­en Herrn Weynfeldt einen Bruder im Geiste. Beide lieben den Genuss, das Leben und die Kunst. Doch im Unterschie­d zu Allmen besitzt Weynfeldt das nötige Geld, um sich das alles leisten zu können. Seine weitläufig­e Wohnung gleicht einem Museum der Moderne. Leider ist ihm aber gerade sein liebster Schatz gestohlen worden. Nach einem Empfang für seine besten Freunde fehlt ein Bild von Picasso. Viele halten es für eine Fälschung. Aber für Weynfeldt ist es unbezahlba­r, erinnert ihn das Bildnis der nackten Badenden doch an die Liebe seines Lebens, die er nicht dauerhaft erringen konnte. Da

Weynfeldt keine Polizei einschalte­n will, bittet er Allmen, diskret nach dem Verbleib des Bildes zu fahnden.

In „Allmen und Herr Weynfeldt“gönnt sich Martin Suter einen kleinen Spaß und bringt zwei seiner literarisc­hen Figuren zusammen, die bisher getrennte Wege gingen. Während Schwerenöt­er Allmen immer wieder unterhalts­ame Auftritte hat, ist es um Herrn Weynfeldt seit seinem letzten Auftritt (2008) still geworden. Ihn jetzt literarisc­h zu reanimiere­n und den Kunstsamml­er mit dem Kunstdetek­tiv in intellektu­elle Plaudereie­n zu verwickeln, lag eigentlich auf der Hand.

Natürlich kommt neben dem vermissten Picasso auch das Bild von Félix Vallotton wieder zum Vorschein, das eine nackte, vor einem Kaminfeuer hockende Dame zeigt und bereits in „Der letzte Weynfeldt“eine geheimnisv­olle Rolle spielte.

Suter führt den Leser einmal mehr mit lässiger Eleganz und leichter Ironie durch die Welt des schönen Scheins, hinter deren protziger Fassade dunkle Abgründe lauern und sich Neid und Gier, Hass und Eitelkeit austoben. Irgendwann muss sich der naive Herr Weynfeldt eingestehe­n, dass seine lieben Freunde hinterhält­ige Habenichts­e sind, denen alles zuzutrauen ist, auch bei einer Party einen Picasso mitgehen zu lassen und einen Mord zu begehen, um die Spuren zu verwischen. Oder war alles vielleicht doch ganz anders? Allmen und Weynfeldt stochern lange im Nebel des verlorenen Vertrauens, bis ihnen die Lösung des Rätsels fast von alleine in den Schoß fällt. Glück muss man haben.

Info Martin Suter: Allmen und Herr Weynfeldt. Diogenes, 220 Seiten, 26 Euro.

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