Sternekoch wider Willen
Jahrelang führte Vincent Moissonnier Kölns bestes Restaurant. Dann gab er aus freien Stücken zwei Michelin-Sterne ab und betreibt nun ein Bistro. Das wurde jetzt aber auch ausgezeichnet. Der Gastronom hätte gern darauf verzichtet.
Als vor wenigen Tagen die Michelin-Sterne in der Hamburger Handelskammer vergeben wurden und komplette Restaurant-Teams dies gebannt via Livestream verfolgten, saß der Kölner Gastronom Vincent Moissonnier mit seiner Ehefrau Liliane und einer guten Freundin im japanischen Restaurant Kintaro. Es ist ihm wichtig, den Namen des Restaurants zu nennen, „unprätentiös, sensationelle japanische Qualität“, sagt Moissonnier. Während in Hamburg verkündet wurde, dass sein Bistro Le Moissonnier zu den frisch gekürten Ein-Sterne-Restaurants gehört, genoss der 63-Jährige seinen freien Abend. „Wir haben ein Glas Wein getrunken und unter anderem über meine große Liebe zu meiner Frau gesprochen“, sagt er: „Vielleicht haben wir ein Glas Wein zu viel getrunken, aber auch das ist erlaubt.“
Nun hat der Mann, der im vergangenen Jahr freiwillig zwei der begehrten Michelin-Sterne abgegeben hat, weil er den Restaurantbetrieb im Sommer in der alten Form einstellte, also wieder einen Stern. „Natürlich habe ich meiner Mannschaft gratuliert, aber auch mein Koch Eric Menchon meinte: Gib das Ding zurück“, erzählt Moissonnier und lacht. Moissonnier, seine Frau Liliane und Küchenchef Menchon wollen nicht undankbar erscheinen, sie sind nur vollkommen zufrieden mit ihrem französischen Bistro im Agnesviertel, das sie im Herbst 2023 eröffnet haben. Es ist von dienstags bis freitags geöffnet, spätestens um 17 Uhr ist Feierabend.
Moissonnier hat sich für einen Bistrobetrieb entschieden, weil er nach 36 Jahren nicht mehr so weiterarbeiten wollte wie vorher. Nie ein freier Abend, kaum Privatleben, Moissonnier fühlte sich ausgebrannt. 15 Mal in Folge war das Le Moissonnier zuvor konstant mit zwei Michelin-Sternen bedacht worden und war das am höchsten dekorierte Restaurant Kölns. Und so wurde auch das Bistro schnell ein
Erfolg – und der Michelin-Führer nahm es in seine Liste auf.
Dabei hatte Vincent Moissonnier sich sogar mit einer langen E-Mail an den Guide Michelin gewandt. „Ich habe die Chefredaktion angeschrieben und darum gebeten, zu respektieren, dass wir keinen Stern möchten, auch aus gesundheitlichen Gründen“, sagt er: „Ich habe mir gewünscht, dass sie sich um die jüngere Generation kümmern, die brauchen das dringend – für uns ist es kein Ziel mehr.“Er betonte, dass er die Arbeit des Guides schätze, weil er gut und neutral arbeite. „Aber wir haben uns verabschiedet, die Sterne-Gastro ist nicht mehr unsere Welt“, sagt er.
Doch was ist so schlimm daran, mit einem Michelin-Stern ausgezeichnet zu werden? Moissonnier muss nicht lange überlegen. „Was mich beunruhigt: Die Nörgler werden jetzt wiederkommen. Menschen, die rausgehen und im Internet auf Bewertungsportalen haarklein beschreiben, was ihnen alles nicht gepasst hat.“Mit seiner Mannschaft – sechs Angestellte und ein Auszubildender – will Moissonnier das Bistro so weiterführen, wie es läuft. Und es gibt einen deutschlandweiten Lieferservice. „Wir haben jeden Mittag 80 Gäste in drei Schichten“, sagt er. Einige Gäste kämen am späten Nachmittag, „sie verbinden dadurch Mittag- und Abendessen und können abends entspannt Fernsehen schauen“.
Moissonnier ist davon überzeugt, dass sich der Gastronom dem Wunsch des Kunden anpassen muss, um Erfolg zu haben. „Nur abends zu öffnen und ausschließlich Menüs anzubieten – damit fährt man gegen die Wand“, sagt er. Er hatte immer schon auch tagsüber geöffnet. „Stellen wir uns ein älteres Pärchen vor, 70 Jahre alt, und sie sollen abends acht Gänge essen, das ist alles zu viel“, sagt er: „Man sollte seinen Gästen immer die Wahl lassen. Mein Schlüssel zum Erfolg: Geh auf deine Gäste zu und versuche, entspannt zu bleiben.“
Die Michelin-Sterne sollten seiner Meinung nach andere bekommen: „Junge Kolleginnen und Kollegen, die viel bewegen, intelligent arbeiten und Jahr für Jahr auf diese Anerkennung warten.“Die Sterne-Gastro, das sei nicht mehr seine Welt, sagt er. „Ich bin abends um 17 Uhr zu Hause, das ist auch wichtig. Sehr sogar.“