Wenn Mönch und Nonne heiraten
Es ist eine ungewöhnliche Liebesgeschichte. Beate war früher Schwester Felicitas und Nonne, Bruder Ulrich aus Kevelaer Mönch bei den Franziskanern. Heute sind beide ein Ehepaar. Der Weg dahin war nicht leicht.
Bei der Frage muss Ulrich Heinen überlegen. Er macht eine kurze Pause. Ob er Gott hintergangen hat? Ein Treuebruch gegenüber Jesus? Denn ihm hat Ulrich Heinen die ewige Treue geschworen. Er hat als Mönch die Ewige Profess abgelegt. Aus der Ewigkeit wurden am Ende gute 40 Jahre. Dann trat Heinen aus dem Orden aus. Er heiratete. Eine frühere Ordensfrau.
Eine Liebesgeschichte, die selten ist, die es aber immer wieder mal gibt. Doch die von Beate und Ulrich ist eine ganz besondere. Denn wenn es zur Liebesgeschichte von Mönch und Nonne kommt, dann eigentlich in jungen Jahren. Doch das ist bei Ulrich und Beate anders. Beide sind schon im letzten Drittel ihres Lebens, als sie sich entscheiden zu heiraten. Ulrich hat da bereits weit mehr als die Hälfte seines Lebens im Kloster verbracht. Dann diesen Schritt zu gehen. Das ist ungewöhnlich. Heute ist Ulrich Heinen 68 Jahre, seine Frau wird 80.
Aber Heinen ist sicher: „Wenn ich Beate damals mit 22 kennengelernt hätte, wären wir bestimmt kein Paar geworden. Ich war damals noch nicht reif für eine Partnerschaft“, sagt er. Mit 22 Jahren lebt Ulrich Heinen als Ulrich Schmitz in Kevelaer. Hier wächst er auf, ist begeistert vom religiösen Klima der Stadt. Er ist Messdiener, seine Schwestern sind sogar die ersten Ministrantinnen in St. Marien. Ulrich wird Messdienerleiter, fährt mit Jugendlichen ins Ameland-Lager, absolviert seinen Zivildienst in Haus Freudenberg bei der Arbeit mit behinderten Menschen. Aktiv ist er auch im Sportverein, spielt im TuS Kevelaer begeistert und recht erfolgreich Fußball. All das prägt ihn in einer Zeit, in der er auf der Suche ist. Nach sich selbst, nach seinem Platz im Leben. Er hat zwar eine Freundin, doch es zieht ihn zu den Ordensgemeinschaften. Die Gemeinschaft dort habe ihn angesprochen, der Einsatz für andere, das soziale. Pastor zu werden, sei nie ein Thema gewesen, sagt Ulrich Heinen.
Er fährt zu den Franziskanern nach Waldbreitbach in Rheinland-Pfalz. Es ist ein kurzer Besuch für einen Tag. Eine Entscheidung fällt noch nicht. Die fällt, als sein drogensüchtiger Bruder sich das Leben nimmt. „Das war ein tiefer Einschnitt“, sagt Ulrich Heinen. Ein Franziskaner aus Waldbreitbach, der zufällig in Kevelaer ist, besucht ihn in dieser Zeit zuhause. Danach entscheidet sich Ulrich Heinen: Er
will ins Kloster gehen.
Kurze Zeit später sitzt er mit seinen Eltern im Auto nach RheinlandPfalz. Es sei ein seltsames Gefühl gewesen, Abschied zu nehmen, das ganze Leben gewissermaßen in zwei Koffer zu packen. Ein Aufbruch ins Ungewisse. Denn was das Klosterleben bedeutet, das wusste er nicht. Doch das Kloster wird sein Leben. Er geht auf im Orden der Franziskaner, wird dort sogar Generaloberer. Alles fühlt sich richtig an.
2009 trifft er dann Beate Heinen. Er kannte die Werke der bekannten
Künstlerin. Sein Vater hatte ihm sogar mal eine Karte von Beate Heinen nach Waldbreitbach geschickt. Sie wohnt nur wenige Kilometer vom Kloster entfernt. Ulrich will Beate Heinen für ein Dialoggespräch über den Glauben im Kloster gewinnen. Zwei Stunden unterhalten sie sich in ihrem Atelier. Es muss sofort eine innere Verbindung entstanden sein, denn auch Beate Heinen kennt das Klosterleben. Als Schwester Felicitas lebte sie zehn Jahre bei den Benediktinerinnen. „Dass Beate ähnliche Erfahrungen gemacht hat, war für uns ganz wichtig“, betont Ulrich Heinen.
Vor der Ewigen Profess tritt die kunstbegeisterte Frau allerdings aus. Die strengen Regeln des Ordenslebens engen sie zu sehr ein. Schwester Felicitas geht. Nicht im Bösen. Von Gott habe sie sich immer getragen gewusst, sagt sie. Sie bekommt eine Tochter, zieht das Mädchen alleine auf, die Kunst bleibt ihre Leidenschaft.
Nach dem Gespräch im Atelier meldet sich Beate bei Bruder Ulrich: Sie will zum Dialoggespräch ins Kloster kommen. Dass daraus mehr werden sollte, ahnen beide nicht. Keiner sei damals auf der Suche
nach einer Partnerschaft gewesen. „Für mich ist das alles Fügung, es sollte wohl so sein, dass ich sie näher kennenlerne“, sagt Ulrich Heinen.
Die beiden bleiben in Kontakt. Sie schreiben sich, telefonieren viel. Gemeinsam bereiten sie zum 70. Geburtstag von Beate eine Jubiläumsausstellung vor. Ulrich arbeitet am Buch mit, das zu diesem Anlass erscheint. Natürlich bekommen das die Ordensbrüder mit. Gedacht habe sich keiner etwas dabei. Ach, der Bruder Ulrich taucht oft mit Beate auf, habe der Bischof gesagt. Dass da mehr ist, merkten auch die beiden erst im Laufe der Zeit. Auch das ist ein Prozess. Elf Jahre dauert die Entscheidungsfindung, sagt Ulrich Heinen. Die Zeit sei durchwoben gewesen von Emotionen und Unsicherheit. Schließlich entscheidet sich Bruder Ulrich dazu, den Orden um die Entbindung vom ewigen Gelübde zu bitten.
2020 heiraten Ulrich und Beate dann standesamtlich. Drei Jahre später sogar kirchlich. Das ist möglich, weil Bruder Ulrich kein Priester war und damit nicht geweiht. Die Trauung findet im ganz kleinen Kreis in Maria Laach statt. Der Schritt führt auch zu einer Art Bruch mit dem Orden. „Meine Mitbrüder haben mir ihr Vertrauen geschenkt und empfinden meinen Schritt wohl als Vertrauensbruch“, sagt Ulrich Heinen.
Bis auf ganz wenige Ausnahmen ist der Kontakt zur Gemeinschaft abgebrochen. Er bedauert das sehr. „Ich wusste natürlich, dass meine Entscheidung im Orden nicht für Jubel sorgen wird, aber dass der Kontakt so abbricht, ist enttäuschend und schmerzhaft für mich.“
Beide leben jetzt in einem kleinen Ort. Viele kennen da natürlich ihre Geschichte. „Wir wussten, wir bleiben hier wohnen und wir werden den Menschen auch beim Einkaufen begegnen und nicht jeder wird mit unserer Entscheidung einverstanden sein.“Natürlich wüssten sie, dass darüber geredet werde. Sie haben dafür einen Weg gefunden. „Was andere tuscheln, hilft uns nicht, es schadet uns aber auch nicht.“
Dass sie jetzt mit einem Buch über ihre Geschichte an die Öffentlichkeit gehen, ist der nächste Schritt. „Wir wollen mit dem Buch niemanden verletzen, wollen uns nicht profilieren. Wir möchten die Menschen ermutigen, auf das Klopfen ihres Herzens zu hören“, sagen die beiden.
In Kevelaer zu sein, sei immer etwas Besonderes. Zur Stadt hat Ulrich Heinen immer noch engen Kontakt. Drei seiner Geschwister wohnen noch hier mit ihren Familien. Deshalb freute er sich auch darauf, das Buch über die ungewöhnliche Liebesgeschichte hier vorzustellen.
Bleibt noch die Antwort auf die Frage nach dem Treuebruch. Ulrich Heinen ist sicher. „Nein, das war es sicher nicht. Gottes Herz ist so groß, er wird mich nirgendwo hindrängen.“Er habe kein schlechtes Gewissen gegenüber Gott: „Jede Lebensform bietet die Möglichkeit, in enger Verbundenheit zu Gott zu sein.“