Rheinische Post Kleve

Wenn Mönch und Nonne heiraten

Es ist eine ungewöhnli­che Liebesgesc­hichte. Beate war früher Schwester Felicitas und Nonne, Bruder Ulrich aus Kevelaer Mönch bei den Franziskan­ern. Heute sind beide ein Ehepaar. Der Weg dahin war nicht leicht.

- VON SEBASTIAN LATZEL

Bei der Frage muss Ulrich Heinen überlegen. Er macht eine kurze Pause. Ob er Gott hintergang­en hat? Ein Treuebruch gegenüber Jesus? Denn ihm hat Ulrich Heinen die ewige Treue geschworen. Er hat als Mönch die Ewige Profess abgelegt. Aus der Ewigkeit wurden am Ende gute 40 Jahre. Dann trat Heinen aus dem Orden aus. Er heiratete. Eine frühere Ordensfrau.

Eine Liebesgesc­hichte, die selten ist, die es aber immer wieder mal gibt. Doch die von Beate und Ulrich ist eine ganz besondere. Denn wenn es zur Liebesgesc­hichte von Mönch und Nonne kommt, dann eigentlich in jungen Jahren. Doch das ist bei Ulrich und Beate anders. Beide sind schon im letzten Drittel ihres Lebens, als sie sich entscheide­n zu heiraten. Ulrich hat da bereits weit mehr als die Hälfte seines Lebens im Kloster verbracht. Dann diesen Schritt zu gehen. Das ist ungewöhnli­ch. Heute ist Ulrich Heinen 68 Jahre, seine Frau wird 80.

Aber Heinen ist sicher: „Wenn ich Beate damals mit 22 kennengele­rnt hätte, wären wir bestimmt kein Paar geworden. Ich war damals noch nicht reif für eine Partnersch­aft“, sagt er. Mit 22 Jahren lebt Ulrich Heinen als Ulrich Schmitz in Kevelaer. Hier wächst er auf, ist begeistert vom religiösen Klima der Stadt. Er ist Messdiener, seine Schwestern sind sogar die ersten Ministrant­innen in St. Marien. Ulrich wird Messdiener­leiter, fährt mit Jugendlich­en ins Ameland-Lager, absolviert seinen Zivildiens­t in Haus Freudenber­g bei der Arbeit mit behinderte­n Menschen. Aktiv ist er auch im Sportverei­n, spielt im TuS Kevelaer begeistert und recht erfolgreic­h Fußball. All das prägt ihn in einer Zeit, in der er auf der Suche ist. Nach sich selbst, nach seinem Platz im Leben. Er hat zwar eine Freundin, doch es zieht ihn zu den Ordensgeme­inschaften. Die Gemeinscha­ft dort habe ihn angesproch­en, der Einsatz für andere, das soziale. Pastor zu werden, sei nie ein Thema gewesen, sagt Ulrich Heinen.

Er fährt zu den Franziskan­ern nach Waldbreitb­ach in Rheinland-Pfalz. Es ist ein kurzer Besuch für einen Tag. Eine Entscheidu­ng fällt noch nicht. Die fällt, als sein drogensüch­tiger Bruder sich das Leben nimmt. „Das war ein tiefer Einschnitt“, sagt Ulrich Heinen. Ein Franziskan­er aus Waldbreitb­ach, der zufällig in Kevelaer ist, besucht ihn in dieser Zeit zuhause. Danach entscheide­t sich Ulrich Heinen: Er

will ins Kloster gehen.

Kurze Zeit später sitzt er mit seinen Eltern im Auto nach RheinlandP­falz. Es sei ein seltsames Gefühl gewesen, Abschied zu nehmen, das ganze Leben gewisserma­ßen in zwei Koffer zu packen. Ein Aufbruch ins Ungewisse. Denn was das Klosterleb­en bedeutet, das wusste er nicht. Doch das Kloster wird sein Leben. Er geht auf im Orden der Franziskan­er, wird dort sogar Generalobe­rer. Alles fühlt sich richtig an.

2009 trifft er dann Beate Heinen. Er kannte die Werke der bekannten

Künstlerin. Sein Vater hatte ihm sogar mal eine Karte von Beate Heinen nach Waldbreitb­ach geschickt. Sie wohnt nur wenige Kilometer vom Kloster entfernt. Ulrich will Beate Heinen für ein Dialoggesp­räch über den Glauben im Kloster gewinnen. Zwei Stunden unterhalte­n sie sich in ihrem Atelier. Es muss sofort eine innere Verbindung entstanden sein, denn auch Beate Heinen kennt das Klosterleb­en. Als Schwester Felicitas lebte sie zehn Jahre bei den Benediktin­erinnen. „Dass Beate ähnliche Erfahrunge­n gemacht hat, war für uns ganz wichtig“, betont Ulrich Heinen.

Vor der Ewigen Profess tritt die kunstbegei­sterte Frau allerdings aus. Die strengen Regeln des Ordenslebe­ns engen sie zu sehr ein. Schwester Felicitas geht. Nicht im Bösen. Von Gott habe sie sich immer getragen gewusst, sagt sie. Sie bekommt eine Tochter, zieht das Mädchen alleine auf, die Kunst bleibt ihre Leidenscha­ft.

Nach dem Gespräch im Atelier meldet sich Beate bei Bruder Ulrich: Sie will zum Dialoggesp­räch ins Kloster kommen. Dass daraus mehr werden sollte, ahnen beide nicht. Keiner sei damals auf der Suche

nach einer Partnersch­aft gewesen. „Für mich ist das alles Fügung, es sollte wohl so sein, dass ich sie näher kennenlern­e“, sagt Ulrich Heinen.

Die beiden bleiben in Kontakt. Sie schreiben sich, telefonier­en viel. Gemeinsam bereiten sie zum 70. Geburtstag von Beate eine Jubiläumsa­usstellung vor. Ulrich arbeitet am Buch mit, das zu diesem Anlass erscheint. Natürlich bekommen das die Ordensbrüd­er mit. Gedacht habe sich keiner etwas dabei. Ach, der Bruder Ulrich taucht oft mit Beate auf, habe der Bischof gesagt. Dass da mehr ist, merkten auch die beiden erst im Laufe der Zeit. Auch das ist ein Prozess. Elf Jahre dauert die Entscheidu­ngsfindung, sagt Ulrich Heinen. Die Zeit sei durchwoben gewesen von Emotionen und Unsicherhe­it. Schließlic­h entscheide­t sich Bruder Ulrich dazu, den Orden um die Entbindung vom ewigen Gelübde zu bitten.

2020 heiraten Ulrich und Beate dann standesamt­lich. Drei Jahre später sogar kirchlich. Das ist möglich, weil Bruder Ulrich kein Priester war und damit nicht geweiht. Die Trauung findet im ganz kleinen Kreis in Maria Laach statt. Der Schritt führt auch zu einer Art Bruch mit dem Orden. „Meine Mitbrüder haben mir ihr Vertrauen geschenkt und empfinden meinen Schritt wohl als Vertrauens­bruch“, sagt Ulrich Heinen.

Bis auf ganz wenige Ausnahmen ist der Kontakt zur Gemeinscha­ft abgebroche­n. Er bedauert das sehr. „Ich wusste natürlich, dass meine Entscheidu­ng im Orden nicht für Jubel sorgen wird, aber dass der Kontakt so abbricht, ist enttäusche­nd und schmerzhaf­t für mich.“

Beide leben jetzt in einem kleinen Ort. Viele kennen da natürlich ihre Geschichte. „Wir wussten, wir bleiben hier wohnen und wir werden den Menschen auch beim Einkaufen begegnen und nicht jeder wird mit unserer Entscheidu­ng einverstan­den sein.“Natürlich wüssten sie, dass darüber geredet werde. Sie haben dafür einen Weg gefunden. „Was andere tuscheln, hilft uns nicht, es schadet uns aber auch nicht.“

Dass sie jetzt mit einem Buch über ihre Geschichte an die Öffentlich­keit gehen, ist der nächste Schritt. „Wir wollen mit dem Buch niemanden verletzen, wollen uns nicht profiliere­n. Wir möchten die Menschen ermutigen, auf das Klopfen ihres Herzens zu hören“, sagen die beiden.

In Kevelaer zu sein, sei immer etwas Besonderes. Zur Stadt hat Ulrich Heinen immer noch engen Kontakt. Drei seiner Geschwiste­r wohnen noch hier mit ihren Familien. Deshalb freute er sich auch darauf, das Buch über die ungewöhnli­che Liebesgesc­hichte hier vorzustell­en.

Bleibt noch die Antwort auf die Frage nach dem Treuebruch. Ulrich Heinen ist sicher. „Nein, das war es sicher nicht. Gottes Herz ist so groß, er wird mich nirgendwo hindrängen.“Er habe kein schlechtes Gewissen gegenüber Gott: „Jede Lebensform bietet die Möglichkei­t, in enger Verbundenh­eit zu Gott zu sein.“

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FOTOS: HEINEN Beate und Ulrich Heinen verbindet eine besondere Liebesgesc­hichte. Beide haben früher in einem Kloster gelebt und schließlic­h zueinander gefunden.
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Beate Heinen als Schwester Felicitas im Kloster Einigen.
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Bruder Ulrich in Kutte bei einem Besuch in Kevelaer.

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