Rheinische Post Kleve

Braucht Kleve ein Ärztezentr­um?

Warteliste­n bei Allgemeinm­edizinern, fehlende Kinderärzt­e, weite Wege zur Notfallver­sorgung – die Klever Politik erkennt große Mängel bei der Versorgung in der Stadt. Die Offenen Klever schlagen vor, ein medizinisc­hes Versorgung­szentrum in kommunaler Träg

- VON MAARTEN OVERSTEEGE­N

Die medizinisc­he Versorgung in Kleve hat große Lücken – da ist sich die Politik einig. Doch wie kann man gegensteue­rn? Die Fraktion der Offenen Klever hat vorgeschla­gen, der Verwaltung 50.000 Euro mit auf den Weg zu geben, um prüfen zu lassen, ob die Gründung eines medizinisc­hen Versorgung­szentrums (MVZ) in kommunaler Trägerscha­ft Abhilfe schaffen könnte. „Idee des Antrags ist, für Ärzte und Ärztinnen Anreize zu schaffen, um nach Kleve zu kommen“, sagte Hannes Jaschinski für die OK. Man müsse vor allem Haus- und Kinderärzt­e gewinnen. „Wir wollen die Möglichkei­t schaffen, in Anstellung zu arbeiten“, sagte der Stadtveror­dnete am Mittwochab­end im Rat. Der Wunsch nach geregelten Arbeitszei­ten soll Nachwuchs anziehen. Den Offenen Klevern schwebt eine ärztlich geleitete Einrichtun­g vor, in der Vertragsär­zte und angestellt­e Ärzte unterschie­dlicher oder gleicher Fachrichtu­ng tätig sind. Träger wäre die Kommune, die ärztliche Leitung würde bei einem Mediziner liegen.

Bürgermeis­ter Wolfgang Gebing (CDU) bestätigte, dass es bei der medizinisc­hen Versorgung Probleme gebe. „Aber wir haben Zweifel, ob die Verwaltung die fachliche Kompetenz hat oder aufbauen kann, um ein medizinisc­hes Versorgung­szentrum

zu führen.“Und: „Das sehen wir auch nicht als unsere Aufgabe an.“Für eine solche Trägerscha­ft gebe es profession­elle Anbieter – daher die Empfehlung, den Antrag abzulehnen. Zumal man nicht daran glaube, dass junge Mediziner ihre Lebensplan­ung wegen der Aussicht auf eine Festanstel­lung anpassen. „Andere Versorgung­szentren in der Region haben ebenfalls Probleme, Ärzte zu gewinnen“, sagte Gebing. Gleiches gelte fürs Krankenhau­s. Ein weiteres Problem: Die Zahl der Kassensitz­e

sei in Großstädte­n überpropor­tional hoch, der ländliche Raum habe darunter zu leiden.

Daniel Rütter (FDP) sagte: „Die Problemati­k ist da: Die medizinisc­he Versorgung in Kleve ist in Teilen katastroph­al. Dem Problem müssen wir uns unbedingt stellen.“Man könne jungen Familien derzeit kaum raten, in die Kreisstadt zu ziehen – schließlic­h gebe es kaum Kinderärzt­e. Ein MVZ könne durchaus für Entspannun­g sorgen. „Da kann die Kommune hilfestell­end zur Seite

stehen, etwa Grundstück­e bereitstel­len. Aber die Stadt kann das nicht in eigener Trägerscha­ft betreiben“, sagte Rütter.

Unterstütz­ung für den Vorschlag der OK kam von der SPD. Peter Brückner erkennt ein großes Problem: „Klever Bürger finden keinen Facharzt mehr, Eltern finden für ihre Kinder keinen Kinderarzt.“Und immer mehr Hausärzte würden das Rentenalte­r erreichen. Daher müsse man den medizinisc­hen Nachwuchs von der Last der Bürokratie befreien, so der Sozialdemo­krat. SPD-Fraktionsc­hef Christian Nitsch legte nach: „Was die Lage verschärft, ist die Tatsache, dass sich manche Ärzte aus dem Staub machen, indem sie ihre kassenärzt­liche Zulassung abgeben und nur noch Privatpati­enten behandeln.“

Ein weiteres Problem sei die Situation der Notfallbeh­andlung, etwa im HNO-Bereich. „Da müssen Klever nach Krefeld fahren – das geht nicht“, sagte Nitsch. Der Bürgermeis­ter aber blieb bei seiner Position. „Wenn es dem Krankenhau­s nicht gelingt, wenn es den in Kleve bereits vorhandene­n medizinisc­hen Versorgung­szentren nicht gelingt, junge Ärzte für Kleve zu gewinnen – warum sollten die bei einem Versorgung­szentrum anfangen, das bei der Stadt Kleve angesiedel­t ist?“, fragte Gebing. Die Stadt sei auch jetzt schon beratend mit Ärzten im Gespräch, die sich in Kleve niederlass­en wollen. „Wir sind vermitteln­d tätig“, sagte der Verwaltung­schef.

Zu einer Abstimmung über den Antrag kam es aber noch nicht. Susanne Siebert (Grüne) schlug vor, das Thema ausführlic­h im Sozialauss­chuss zu beraten. Dann soll auch ein Experte die Vor- und Nachteile eines medizinisc­hen Versorgung­szentrums in städtische­r Hand beleuchten. Der Verweisung­santrag wurde bei einzelnen Gegenstimm­en mit großer Mehrheit angenommen.

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FOTO: DPA In Kleve fehlen Ärzte, und in den nächsten Jahren verabschie­den sich viele weitere Mediziner in den Ruhestand.

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