„Ich habe nicht alle sofort wiedererkannt“
Die Klasse des Abschlussjahrgangs 1972 der Realschule an der Hoffmannallee traf sich zum ersten Mal seit Schulende wieder. Warum es so lange gedauert hat und warum schon bei der Organisation Emotionen aufkamen.
Der Fotograf bittet um eine „disziplinierte Aufstellung“vor dem Tropenhaus der Hochschule RheinWaal. „Das hat früher schon nicht geklappt!“schallt es lachend aus der Gruppe. Letztendlich finden sich die ehemaligen Schüler der Realschule an der Hoffmannallee dann aber doch recht schnell in der üblichen Position zusammen: die Kleinen nach vorne, die Großen nach hinten. Dabei ist ihr letztes Klassenfoto ganze 52 Jahre lang her – erst am Mittwoch, 24. April 2024, traf sich die Klasse des Abschlussjahrgangs 1972 zum ersten Mal wieder. Warum hat das so lange gedauert, oder besser gefragt, warum ausgerechnet jetzt?
Klaus Fleskes (67) erzählt: „Die Idee kam zwischendurch schonmal auf, es wurde aber nie wirklich versucht.“Fleskes ging nach dem Abschluss zum Studieren nach Berlin und wurde Lehrer für Englisch und Erdkunde. Im Jahr 2000 kam er zurück nach Kleve und lehrte hier weiter. Er traf einen Klassenkameraden, sie sprachen über ein mögliches Klassentreffen, passiert ist aber nichts. Genauso lief es zehn Jahre später ein zweites Mal, bis er im vergangenen Jahr schließlich Franz Kuhnigk (67) traf und die beiden beschlossen, mit der Organisation eines Treffens anzufangen.
Doch die erste Herausforderung bestand darin, die ehemaligen Klassenkameraden überhaupt zu finden. Fleskes konnte über Schulkontakte einige alte Adressen herausfinden, die er anschließend abklapperte. „Das war oft sehr emotional. Von Brüdern oder Schwestern, die sich total freuten und sofort den aktuellen Kontakt herausgaben, bis hin zu sehr traurigen Begegnungen, weil die Personen bereits verstorben sind.“Kuhnigk, der nach dem Abschluss in Kleve blieb, machte hingegen über Portale wie Facebook oder StayFriends weitere Menschen ausfindig. Die beiden holten außerdem Georg Ruß (67) und Dietmar Schmitt (69) hinzu. Ruß recherchierte im Internet und
fand alte Klassenkameraden etwa durch alte Zeitungsartikel. Er fügt lachend hinzu: „Dietmar war dann unser Mann, wenn wir nicht weiterkamen.“Schmitt rief im Zweifel auch mal beim Kraftfahrtamt an. Er kommt aus der Oldtimer-Autoszene und sagt: „Irgendeinen Weg gibt es immer, um noch mehr herauszufinden.“
Die Bilanz des Orga-Teams: Von den 42 Menschen aus dem Jahrgang sind neun gestorben, fünf haben sie nicht erreichen können. Und von den restlichen 28 Menschen, mit denen es Kontakt gab, kamen letztendlich 20 zum Klassentreffen. Das konnte allerdings nicht an der alten Schule stattfinden, denn die gibt es nicht mehr. Stattdessen zog eine
neue Gesamtschule ein, derzeit wird auf dem Gelände gebaut. Die ehemaligen Schüler wählten stattdessen das Tropenhaus auf dem Campus der Hochschule Rhein-Waal als
Treffpunkt. Denn Kuhnigk hat hier Kontakte, war lange Gartenmeister und arbeitet inzwischen in der Rente als Minijobber weiter.
So konnten sich die ehemaligen Schüler nach 52 Jahren in großer Gruppe austauschen. „Nach so langer Zeit habe ich gar nicht alle sofort wiedererkannt“, erzählte Fleskes. Schmitt fügt hinzu: „Aber gewisse Züge bleiben einfach trotzdem im Gesicht.“Natürlich wurde viel in Erinnerungen geschwelgt: Wie man damals nach dem Tod von Jimi Hendrix trauerte, was den Lehrern wohl gar nicht gefiel. Wie ein Viertel der Klasse in Kellen Fußball spielte und ein weiteres Viertel dagegen in Materborn. „Das war aber freundschaftliche Rivalität. Wir waren
schon sehr zusammengeschweißt, das mussten wir bei den Lehrern auch teilweise sein“, erzählt Ruß. Er erinnert sich an gutes, aber auch an sehr schlechtes Lehrpersonal. Fleskes stimmt zu, aus diesem Grund sei er Lehrer geworden – um es besser zu machen. Diese Erinnerung ist bei Schmitt weniger stark. Eine Sache ist aber hängen geblieben: „Ein Lehrer wollte immer, dass ich die Aktentasche mit den Klassenarbeiten trage.“
Mit dem nächsten Klassentreffen will man nicht erneut 50 Jahre warten. „Dafür müsste es ja auch einen riesigen medizinischen Fortschritt geben“, scherzt Kuhnigk. Spätestens in drei Jahren will man sich wieder treffen, dann 55 Jahre nach dem Abschluss.