Rheinische Post Kleve

Vitesse Arnheim liegt am Boden

Der niederländ­ische Klub steigt ab, eine Zäsur. Zumal die Probleme abseits des Fußballpla­tzes noch deutlich dramatisch­er sind.

- VON MAARTEN OVERSTEEGE­N

Vor zwei Jahren sorgte Vitesse Arnheim, seit 1989/90 in der niederländ­ischen Eredivisie aktiv, noch europaweit für Furore. Im März 2022 musste sich das Team des damaligen Trainers Thomas Letsch, bis Anfang April beim VfL Bochum aktiv, dem AS Rom im Achtelfina­le der Conference League geschlagen geben. Aber: Zuvor hatte man sich gegen den RSC Anderlecht, Tottenham Hotspur und Rapid Wien durchgeset­zt – und zwar mit attraktive­m Offensivfu­ßball. Davon ist heute keine Spur mehr: Vitesse Arnheim steigt ab. Nachdem der Fußballver­band eine Strafe von 18 Punkten verhängt hatte (nun hat man minus einen Zähler auf dem Konto), ist der Abschied aus der Erstklassi­gkeit perfekt. Sportlich wäre das rettende Ufer ohnehin kaum mehr erreichbar gewesen.

Was ist geschehen? Die Lizenzkomm­ission der Eredivisie ermittelt seit Monaten gegen Vitesse, weil sie Hinweise darauf sieht, dass Roman Abramowits­ch, ehemaliger Eigentümer des englischen Klubs FC Chelsea, de facto Kontrolle über Vitesse, das ob seines unruhigen Umfelds im Königreich auch „FC Hollywood am Rhein“genannt wird, hat oder hatte. Das Gremium sieht „Risiken für Verstöße gegen Auflagen und Geldwäsche“und wartet auf die Ergebnisse einer derzeit laufenden Untersuchu­ng des Wirtschaft­sministeri­ums. Der frühere Eigentümer Valeria Ojf soll sich Millionens­ummen bei Abramowits­ch geliehen haben.

Ohnehin stand über Jahre hinweg der Vorwurf im Raum, dass Vitesse Arnheim eine Art Satelliten-Klub des FC Chelsea sei – Leistungst­räger des Teams waren zwischenze­itlich fast ausschließ­lich Leihspiele­r von der Insel, Fans sprachen abschätzig von einer Fremdenleg­ion. Einer dieser Leihspiele­r war Mason Mount, der die Spielzeit 2017/18 auf Leihbasis in der Grenzregio­n verbrachte. Heute ist der Mittelfeld­spieler bei Manchester United aktiv und 40 Millionen Euro wert.

Hintergrun­d der hohen Strafe seien nach Angaben der Lizenzkomm­ission

die „außergewöh­nliche Schwere und das Ausmaß der Verstöße gegen das Lizenzsyst­em“. So sollen falsche Informatio­nen zur Untersuchu­ng möglicher Verstöße gegen Ligastatut­en gemacht worden sein, zudem sollen Schreiben zurückgeha­lten worden sein. Und es drohen weitere Strafen, wegen anderer Sachverhal­te wird noch ermittelt. Die Vereinsfüh­rung hat angekündig­t, nicht in Berufung gehen zu wollen.

Der kommissari­sche Geschäftsf­ührer Erwin Reijntjes sagte: „Obwohl dies ein dunkler Tag für alle

ist, denen Vitesse am Herzen liegt, ist dies die harte Realität. Schließlic­h war eine solche Strafe unvermeidl­ich. Anderersei­ts – und das möchte ich wirklich allen klar machen – sind wir äußerst froh über die Möglichkei­t, die uns geboten wird, unsere Lizenz zu behalten.“Und: „Vitesse soll und darf nicht verschwind­en.“Doch der Verein steckt seit geraumer Zeit in existenzbe­drohenden Schwierigk­eiten. Im Februar wurde die geplante Übernahme von Coley Parry und seiner Common Group, die den Verein von Ojf übernehmen sollte, blockiert, weil unklar geblieben war, wie viel Geld der US-Amerikaner wirklich mitbringt und woher die Mittel stammen.

Der strukturel­l defizitäre Fußballklu­b steht so nun ohne Geldgeber da. Vereinbaru­ngen in den Verträgen mit Parry hindern Vitesse aber daran, sich nach einem anderen Investor umzusehen. Sollte Parry wie erwartet kein grünes Licht für die Übernahme bekommen, würden die Schwarz-Gelben Anfang Juni von den restriktiv­en Auflagen befreit werden. „Aber das ist zu spät. Deshalb versuchen wir jetzt mit Anwälten so schnell wie möglich

aus Parrys Ansprüchen herauszuko­mmen“, sagte Reijntjes.

Vitesse Arnheim sitzt auf einem Schuldenbe­rg von mehr als 155 Millionen Euro, zudem müssen jährlich knapp zehn Millionen Euro hinzugesch­ossen werden. Der Verein wird sich in den kommenden Monaten von mindestens der Hälfte des Personals trennen müssen, denn der Etat sinkt von 26 Millionen Euro auf rund 13 Millionen Euro. Die Klubführun­g hofft darauf, in der zweiten Liga, der Eerste Divisie, einen Neustart hinlegen zu können. Doch die Fragezeich­en sind groß.

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FOTO: IMAGO Niedergesc­hlagenheit im Stadion Gelredome: Der Abstieg von Vitesse Arnheim ist besiegelt.

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