„Wurden nahezu nach Kleve gezwungen“
Nach der Entscheidung des Kranenburger Rates, das Gewerbegebiet Rittersfeld nicht weiter zu verfolgen, wenden sich nun acht Unternehmen an die Politik. Sie schildern die aus ihrer Sicht prekäre Lage.
Steffen Siebers ist 33 Jahre alt und hat vor zwei Jahren den Schritt in die Selbstständigkeit gewagt. Zuvor arbeitete er bei Ipsen, bis er dort einem Sparkonzept zum Opfer fiel. Seine Kündigung galt als sozial verträglich. Auch weil er zu dem Zeitpunkt noch kein Kind hatte. Nur zwei Monate nach der Entlassung wurde er Vater.
Steffen Siebers wuchs in Kleve auf und wohnt mit seiner Frau und zwei Kindern in Nütterden. Nach dem Aus bei Ipsen führt er jetzt sein Unternehmen Metallbau Siebers. Die Geschäfte laufen gut. Derzeit hat er zwei Mitarbeiter, doch würde er gerne vier weitere einstellen. Siebers baut zum Beispiel Einzelstücke für Maschinen, die nicht in Serie hergestellt werden. Seine Firma hätte er gerne in Kranenburg aufgebaut. Doch dort gab es keine Flächen. „Wir wurden nahezu gezwungen, uns in Kleve anzusiedeln. Ich würde gern nach Kranenburg umziehen. Ich weiß nur nicht wohin“, sagt Siebers. Seine Halle befindet sich derzeit auf dem XOXGelände in Kleve. Der Mietvertrag läuft noch bis 2027.
„Für zwei weitere Mitarbeiter hätte ich hier noch Platz. Aber dann wäre Schluss“, sagt der 33-Jährige. „Ich wäre froh, wenn das Gewerbegebiet Rittersfeld an der Römerstraße in Nütterden entwickelt würde. Einer meiner Männer wohnt in Kranenburg, der andere nicht weit von der Gemeinde entfernt.“Siebers möchte gerne Sicherheit haben, wo es weitergeht. Aktuell zahlt das Unternehmen Gewerbesteuern in die Klever Stadtkasse. Und die sprudeln derzeit: Für 2023 rechnet der Klever Kämmerer Klaus Keysers mit einem Plus von 7,5 Millionen Euro. Einer der größeren Gewerbesteuerzahler in Kranenburg sind die Tiefbauer Gebrüder Siebers. Geschäftsführer Nicky und Paul Siebers kommen aus Nütterden und sind auch auf der Suche nach Platz zur Weiterentwicklung ihres Unternehmens.
In Kranenburg gibt es für die Wirtschaft derzeit keine Möglichkeiten zu expandieren. Geschweige denn, sich neu anzusiedeln. Der Rat der Gemeinde hatte im vergangenen Monat die Ausweisung des Gewerbegebiets Rittersfeld an der Römerstraße abgelehnt. Falscher Platz, schlechtere Sicht auf den Reichswald, kaum Interessenten für Flächen, so die Argumente.
Jetzt starten Firmen den Versuch, mit der Politik ins Gespräch zu kommen. Dabei will man über die aus ihrer Sicht prekäre Situation informieren. So haben acht Unternehmen schriftlich ihre Situation dargestellt. Unternehmen, die Gewerbeflächen suchen. Sie alle wollen hier investieren. Dazu gehören: Hüttges Transport-Service, Siebers Metallbau, Bauschreinerei Berns, Verhoeven Bedachungen, Bauunternehmen Rambach + Scheffler, Elektrotechnik Claus Kohlmann und die Project Unternehmensgruppe.
In dem Schreiben weisen die Unternehmen darauf hin, dass sie mit der Kapitalanlage in Kranenburg ihre Wettbewerbsfähigkeit erhalten wollen. Ohne das Gewerbegebiet Rittersfeld sei die Nachfrage nicht zu decken. Die aktuelle wirtschaftliche Situation in Kombination mit dem Fachkräftemangel mache es zudem notwendig, schnell zu handeln. Ohne entsprechende Voraussetzungen sei man gezwungen, die Standorte in andere Kommunen zu verlegen.
Ein Betrieb, der sich mit diesem Gedanken beschäftigt, ist die Project
Unternehmensgruppe. 120 Mitarbeiter besitzt die innovative Firma mit Sitz im einzigen Kranenburger Gewerbegebiet „Im Hammereisen“. Project ist Hersteller von Verpackungs- und Palettiermaschinen. Hier wird Hochtechnologie entwickelt. Die Wachstumsprognose für die nächsten drei Jahre gibt Project mit 50 Prozent an. An welcher Stelle diese Entwicklung aber stattfinden soll, ist offen. Vor der entscheidenden Ratssitzung für oder gegen das Gewerbegebiet Rittersfeld hatte Johannes Jansen (60), geschäftsführender Gesellschafter von Project, erklärt: „Wir sind bis zum Stehkragen voll. Die Arbeitsbedingungen für meine Mitarbeiter sind aufgrund der räumlichen Enge kaum zu ertragen. Aber wir haben keine Möglichkeit, uns hier zu erweitern.“
Man wolle eigentlich in der Gemeinde bleiben und hier expandieren, so Jansen, der betont: „Falls nicht zu erkennen ist, dass sich hier in absehbarer Zeit etwas tut, müssen wir Kranenburg verlassen. Da bleibt uns nichts anderes übrig. Viele unserer Mitarbeiter sind in Kranenburg zu Hause und würden dementsprechend auch gerne hier arbeiten.“Eine neue Halle mit einem Investitionsvolumen von 2,5 Millionen will Project bauen. Bleibt wieder die Frage: Wo? Möglichkeiten für eine Ansiedlung in einer umliegenden Kommune wurden bereits sondiert.
Ein weiteres Beispiel ist die Bauunternehmung Rambach + Scheffler. Der junge Betrieb braucht dringend eine Lagerhalle für Baustoffe und Baumaterialien. Vor vier Jahren gegründet, hat die Kranenburger Firma bereits zehn Arbeitsplätze geschaffen und würde gern weitere sechs Mitarbeiter einstellen. Die Betriebsleiter benötigen Planungssicherheit, dass sich in der Grenzgemeinde innerhalb der nächsten zwei, drei Jahre etwas tut – sonst müsse man den Standort nach Goch verlegen.
Flächen in einem Gewerbegebiet Rittersfeld wären im Handumdrehen verkauft, sind sich die Geschäftsführer sicher. Sie denken auch einen Schritt weiter: „Es ist wichtig, den Menschen in Zukunft vor Ort einen Arbeitsplatz anbieten zu können.“Ständiges Pendeln nach Krefeld oder Düsseldorf sei von Nachteil für Arbeitnehmer, für die Umwelt und die Wertschöpfung vor Ort. Eine Umfrage innerhalb der Betriebe hat ergeben, dass 80 Prozent der Beschäftigten in der Gemeinde zu Hause sind.