Rheinische Post Kleve

Kevelaer-Stummfilm bei Netflix

Kurios: ein Schwedisch­er Stummfilm über ein Wunder in der Marienstad­t.

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(zel) An manchen Stellen wird es unfreiwill­ig komisch. Ein Paar ist in einer Kirche zu sehen, es kniet und betet. Plötzlich springt der Mann auf, zeigt seine Beine, jubelt und wirft seine Krücke weit von sich. Geheilt durch die Kraft der Jungfrau Maria. So soll es zumindest der Film zeigen, der um 1920 in Stockholm gedreht wurde. Und da das Werk ohne Ton produziert wurde, mussten die Schauspiel­er die Handlung pantomimis­ch besonders unterstrei­chen. Bei einem Wunder kann das dann schon mal etwas gewöhnungs­bedürftig aussehen.

„Vallfarten till Kevlaar“heißt der historisch­e Spielfilm über die Wallfahrt

nach Kevelaer, der jetzt wieder ziemlich populär wird. Denn das Werk ist mittlerwei­le auch beim Streamingd­ienst Netflix zu sehen. 58 Minuten dauert das Werk, das vor gut 100 Jahren gedreht wurde. Mit großem Aufwand in der Hochzeit des Schwedisch­en Films. Die Vorlage für „Die Wallfahrt nach Kevelaer“(Schwedisch: „Vallfarten till Kevlaar“) ist das Gedicht von Heinrich Heine. Ein junger Bursche, der nach dem Tod seiner Geliebten krank darniederl­iegt, wird von seiner Mutter mit auf Wallfahrt zur Trösterin der Betrübten genommen.

Es kommt im Film zu dramatisch­en Szenen: Der Sohn opfert der Madonna ein Herz aus Wachs und bittet sie, seinen Herzschmer­z zu heilen. Als die Nacht hereinbric­ht, erhebt sich die Madonna von ihrem Altarbild, tritt an das Bett des Sohnes und legt ihre Hand auf sein Herz. Als die Mutter aufwacht, stellt sie fest, dass ihr Sohn in der Nacht gestorben ist, und sie lobt Maria für ihre Güte.

In Stockholm wurde 1921 für die sehr aufwändige Produktion die Gnadenkape­lle am Filmset nachgebaut. Gedreht wurde damals auch an Original-Schauplätz­en in Köln und Kevelaer. In Kevelaer war der Film 2019 ganz passend in der Basilika aufgeführt worden. Elmar Lehnen begleitete den Stummfilm auf der Seifert-Orgel, Pastoralre­ferent Bastian Rütten war für den deutschen Begleittex­t verantwort­lich.

Er ist überrascht, dass der Film jetzt bei Netflix zu sehen ist. Einiges wirke aus heutiger Sicht sicher etwas ungewöhnli­ch. „Der Film ist nun einmal ein Kind seiner Zeit, man muss ihn sich auch mit den Augen von damals ansehen“, sagt der Theologe. Heinrich Heine werde auch nachgesagt, dass sein Wallfahrts-Gedicht auch durchaus ironisch gemeint sein könnte.

Für ihn ist der Film ein Zeitdokume­nt, auch der Frömmigkei­t von damals. Denn auch das Verständni­s von Wallfahrt habe sich in den 100 Jahren geändert. „Damals standen noch Wunder und Heilung im Fokus des Pilgerns, heute geht es eher um pastorale Anliegen“, sagt der Pastoralre­ferent. Es gehe darum, bei der Wallfahrt Trost zu finden, Kraft zu tanken. Die wenigsten würden heute erwarten, dass die kranke Mutter zuhause plötzlich gesund ist, weil jemand eine Kerze in Kevelaer angezündet hat.

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FOTO: ZEL Der Beweis: Das Werk ist auch bei Netflix zu sehen.

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