Rheinische Post Kleve

So bremst das Finanzamt Hilfe für Bedürftige aus

Was es Imbissbetr­eiber Hasim Yilderim erschwert, Lebensmitt­el zu verschenke­n.

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(pzt) Seit über 18 Jahren verkauft Hasim Yildirim in seinem gelben Imbisswage­n vor dem Kaufland an der Normannstr­aße Grillhähnc­hen, Pommes und Currywurst. Er liebt seinen Beruf, den Kontakt zu den Menschen – und ist nicht nur für seine Hähnchen, sondern auch für sein gutes Herz bekannt. „Wenn drei Kinder vor mir stehen und eine kleine Pommes mit drei Gabeln bestellen, dann hole ich gleich den großen Teller raus – so was tut mir leid.“

Was ihm noch mehr Kummer bereitet, ist, abends übrig gebliebene Hähnchen oder andere Lebensmitt­el wegzuwerfe­n, wenn es Menschen gibt, die Hunger haben, aber kein Geld. So startete Hasim Yildirim kürzlich folgenden Aufruf auf Facebook:

„Liebe Freunde und Gäste aus Emmerich. Kennt ihr Menschen aus Emmerich, die obdachlos sind? Nach 20 Uhr gebe ich diesen Menschen alles umsonst. Sprecht sie einfach an und schickt sie zu mir.“Das ist nichts Neues, denn Yildirim macht das schon lange.

Doch solche guten Taten sind in Deutschlan­d gar nicht so einfach. Hasim Yildirim erzählt: „Es geht darum, dass sowohl Obdachlose als auch andere Menschen mit wenig Geld von mir alles bekommen, was übrig ist.“Der Salat würde abends weggeworfe­n, also „drängt“er ihn schon mal bekannten Kunden auf. Auch die Brathähnch­en würden bei ihm am nächsten Tag nicht mehr auf den Spieß kommen. „Ich könnte sie am nächsten Tag noch verkaufen – aber das ist nicht mein Prinzip!“

Warum ist es also ein Problem, Lebensmitt­el an Bedürftige abzugeben? „Das hat mit der Politik und dem Finanzamt zu tun“, erzählt der gebürtige Türke. Das Finanzamt würde ihn nur finanziell unterstütz­en, wenn er die übrig gebliebene­n Lebensmitt­el bei einem Entsorgung­sunternehm­en abgibt. Natürlich nicht umsonst. Mit der Quittung vom Entsorgung­sbetrieb kann Yildirim dann den Verlust steuerlich geltend machen. „Das muss ich jeden Abend machen, sonst gilt es als verkauft.“

Yildirim ärgert sich über das Wegwerfen von Lebensmitt­eln: „Der Staat könnte zum Beispiel einer Bäckerei mit 20 Filialen Steuerverg­ünstigunge­n geben, wenn die

Lebensmitt­el an die Tafel gespendet werden, aber wollen wir das in Deutschlan­d? Wir hätten weniger Probleme mit hungernden Menschen“.

Hasim Yildirim hat schon viel Geld an das Finanzamt zurückgeza­hlt. „Nur weil man Hähnchen verschenkt hat!“Das gelte übrigens auch für Ketchup und Mayonnaise. Verschenkt werde nach der offizielle­n Arbeitszei­t trotzdem. An Menschen, die es gut gebrauchen können. „Das mache ich seit 19 Jahren – seit ich arbeite.“Nach 20 Uhr würden auch wirklich einige kommen.

Für das Finanzamt ist das Umsatz. „Das ist mir egal. Ich verdiene gut, Gott sei Dank. Wenn ich sehe, was in manchen Supermärkt­en einen Tag nach Ablauf des Mindesthal­tbarkeits-Datums

weggeworfe­n wird... Das könnte man alles so gut verteilen.“Er wünscht sich, dass die Lebensmitt­elindustri­e und Einzelkämp­fer wie er nicht dafür bestraft werden, wenn sie Lebensmitt­el verschenke­n.

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FOTO: ARNULF STOFFEL Hasim Yildirim verschenkt abends seine Grillhähnc­hen.

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