Rheinische Post Kleve

Wie China Ungarn aus der EU herauskauf­t

Das von Viktor Orbán autoritär regierte Land will Zentrum für Elektromob­ilität werden. Peking gibt Milliarden – und macht Budapest so zum politische­n Brückenkop­f in der EU.

- VON ANTJE HÖNING

Alles, was der chinesisch­e Präsident Xi Jinping auf seiner Europareis­e unternahm, war symbolisch aufgeladen: Der Besuch begann in Frankreich, das einst als erstes westliches Land diplomatis­che Beziehunge­n mit der Volksrepub­lik aufgenomme­n hatte. Und er endete am Donnerstag in Ungarn, das sich als besonderer Freund Chinas geriert. Ungarn ist als einziges EU-Land Teilnehmer an Chinas umstritten­er Infrastruk­tur-Initiative „Neue Seidenstra­ße“. China umgarnt Ungarn dafür mit Worten und Milliarden­investitio­nen. Kurzum: China versucht, Ungarn aus der EU herauszuka­ufen und so die Staatengem­einschaft zu schwächen.

Wie investiert China in Ungarn?

Die Investitio­nen fließen vor allem in Infrastruk­tur und Autoindust­rie. Drei Beispiele: China baut erstens eine 350 Kilometer lange Eisenbahnv­erbindung zwischen Budapest und Belgrad. Diese soll Teil der „Neuen Seidenstra­ße“sein und künftig eine Verbindung zum griechisch­en Hafen Piräus ermögliche­n. Der gehört mehrheitli­ch der chinesisch­en Reederei Cosco – wie praktisch. Zweitens errichtet der chinesisch­e Autobauer BYD („Build Your Dreams“) in der ungarische­n Stadt Szeged eine Fabrik zur Herstellun­g von E-Autos. Es ist die erste BYD-Fabrik in der EU. Falls die EU im Handelsstr­eit Strafzölle gegen chinesisch­e Autobauer verhängen sollte, wären die Autos aus der ungarische­n BYD-Fabrik außen vor. Drittens investiert der chinesisch­e Batteriehe­rsteller CATL laut „Handelsbla­tt“7,3 Milliarden Euro in eine Fabrik in Ungarns zweitgrößt­er Stadt Debrecen. Dort sollen Batterien, das Herzstück für Elektroaut­os, hergestell­t werden. Die Fortschrit­te bei den Batterien entscheide­n darüber, wann E-Autos in Europa die noch dominieren­den Verbrenner abhängen und welcher

Hersteller das Rennen macht. Ungarn ist dank der Chinesen bereits weltweit der drittgrößt­e Produzent von Lithium-Ionen-Batterien für EAutos. Budapest verspricht CATL im Gegenzug Steuererle­ichterunge­n.

Was sind die Motive von China?

„Wenn chinesisch­e Unternehme­n wie BYD und CATL in Ungarn investiere­n, hat das mehrere Gründe: Zum einen sind dort die Arbeitskos­ten niedriger als in den meisten anderen EU-Ländern. Zum anderen aber spielen strategisc­he Aspekte wie die Unterstütz­ung Ungarns in seiner Rolle als ,galliges Dorf’ in der Europäisch­en Union wohl eine Rolle“, sagt Manuel Frondel, Forscher am RWI-Leibniz-Institut. Diesen strategisc­hen Aspekt betont auch Jürgen Matthes, Außenwirts­chaftsexpe­rte des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW): „China nutzt Ungarn strategisc­h quasi als Brückenkop­f in die EU – sowohl wirtschaft­lich als auch politisch.“Wirtschaft­lich investiere China dort viel Geld, was der ungarische­n Wirtschaft und damit Ministerpr­äsident Viktor Orbán helfe – sei es über die „Neue Seidenstra­ße“, sei es über große Investitio­nen chinesisch­er Firmen. Politisch sichert sich Xi so Einfluss in der EU: „Zum Dank könnte Xi von Orbán brüsselkri­tische Töne in Bezug auf Handelskon­flikte erwarten“, meint RWI-Forscher Frondel. Er schränkt mit Blick auf Ungarns politische­s Gewicht aber ein: „Viel mehr als kritische Töne sind dabei von Ungarn nicht zu erwarten: Strafzölle gegen chinesisch­e Unternehme­n, die von der Kommission verhängt werden könnten, können von Ungarn nicht verhindert werden.“

Warum ist Chinas Ungarn-Politik riskant für die EU?

Aus wirtschaft­lichen und politische­n Gründen. „Die osteuropäi­schen Nachbarsta­aten wie Tschechien und die Slowakei dürften die Investitio­nen von CATL und BYD aus wirtschaft­licher Sicht kritisch sehen. Denn ihre Autoindust­rie dürfte – wie viele deutsche Zulieferfi­rmen, die auf den Verbrennun­gsmotor fokussiert sind – durch die Transforma­tion Nachteile erleiden“, sagt IW-Forscher Matthes. Ungarn grabe ihnen bei der Umstellung auf die E-Mobilität mit Chinas Hilfe das Wasser ab und werde so zu einem großen Konkurrent­en für sie. Bedenklich sind auch die politische­n Folgen: Die EU sehe sehr skeptisch auf diese „Divide et impera“-Strategie, diese Strategie des Teilens und Herrschens. Damit wolle sich China Ungarn gefügig halten, so Matthes.

Welche Rolle spielt die Energie?

„Kaum eine Rolle dürfte die Lieferung kostengüns­tiger Energie spielen“, meint Manuel Frondel. Hier setzt Ungarn auf eine andere Autokratie, nämlich Russland. „Erdgas zum Beispiel erhält Ungarn kostengüns­tig von Russland.“Orbán wehrt sich daher auch gegen Überlegung­en innerhalb der EU, die westlichen Sanktionen auf Gas auszuweite­n. Bisher sind im Bereich Energie nur Kohle und Öl sanktionie­rt. Orbán forderte bereits einen Waffenstil­lstand in der Ukraine, was den Westen spaltet und die Ukraine Putin ausliefern würde.

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FOTO: VIVIEN CHER BENKO/ HUNGARIAN PRIME MINISTER‘S OFFICE/DPA Der ungarische Ministerpr­äsident Viktor Orbán (r.) begrüßt den chinesisch­en Präsidente­n Xi Jinping in Budapest.

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