775 Millionen unbezahlte Überstunden in Deutschland
Die Beschäftigten in Deutschland haben im vergangenen Jahr gut 1,3 Milliarden Überstunden geleistet. Davon waren 775 Millionen oder gut 58 Prozent unbezahlt. Das geht aus der Antwort des Bundesarbeitsministeriums auf eine schriftliche Frage der Linken-Abgeordneten Susanne Ferschl hervor. Das Ministerium beruft sich auf aktuelle Daten des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) der Bundesagentur für Arbeit (BA) vom Februar 2024. Demnach entsprach die Summe der geleisteten Überstunden 835.000 Vollzeitstellen. Im Vergleich zum Jahr 2022 ging die Zahl der geleisteten Überstunden 2023 zwar um rund 100 Millionen zurück. Doch verglichen mit dem Jahr 2020 ergab sich ein leichter Anstieg um 20 Millionen.
Aus Sicht der Linken ist der Trend zu Überstunden ungebrochen. Denn 2023 war ein schwaches Konjunkturjahr, die Wirtschaft schrumpfte um 0,3 Prozent. Dennoch leisteten die Beschäftigten kaum weniger Überstunden als in den besseren Vorjahren. Pro Arbeitnehmer fielen 2023 im Schnitt 31,6 Überstunden an, davon 13,2 bezahlt und 18,4 unbezahlt. Im Jahr 2022, als die Wirtschaft noch mit 1,9 Prozent expandierte, war die Überstundenzahl pro Arbeitnehmer mit 34,4 lediglich um gut drei Stunden höher. Durch die unbezahlten Überstunden im vergangenen Jahr hätten die Unternehmen 32 Milliarden
Euro an Lohnkosten eingespart, so die Linke. Dieser Wert ergebe sich, wenn man die Anzahl unbezahlter Überstunden in 2023 (775 Millionen) mit den durchschnittlichen Arbeitskosten je geleisteter Stunde – laut Statistischem Bundesamt 41,30 Euro – multipliziert.
Als Mittel zur Reduzierung der Überstunden wird seit Jahren über eine bessere und nachweisbare Erfassung der Arbeitszeiten debattiert. Vor fünf Jahren hatte der Europäische Gerichtshof die Mitgliedstaaten in einem spektakulären Urteil verpflichtet, Regelungen zur Arbeitszeiterfassung einzuführen. In Deutschland ist das bislang nicht umgesetzt worden. Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) bereitet nach eigenen Angaben einen Gesetzentwurf dazu vor.
„Arbeitgeber sparen durch unbezahlte Überstunden Lohnkosten in Milliardenhöhe, während die Beschäftigten unter ausgedehnten Arbeitszeiten und ständigen Flexibilitätsanforderungen leiden“, sagte Ferschl. Vor fünf Jahren habe der Europäische Gerichtshof entschieden, dass die Erfassung der Arbeitszeit zum Schutz der Beschäftigten verpflichtend sei. „Aber die Bundesregierung schläft weiter und bringt kein Gesetz auf den Weg, dass es Beschäftigten erleichtert, ihre Überstunden geltend zu machen und sich vor Lohnraub zu schützen“, kritisierte Ferschl. Durch unbezahlte Überstunden entstünden zudem beim Staat hohe Steuerausfälle.