Rheinische Post Krefeld Kempen

Die Helden sind zurück

- VON RENA LEHMANN

Der Empfang der deutschen Nationalma­nnschaft in Berlin gerät zum ausgelasse­nen Spektakel. 400 000 Fans feiern die Weltmeiste­r.

BERLIN Als Kapitän Philipp Lahm den 400 000 Menschen auf der Fanmeile den WM-Pokal entgegenst­reckt, kann Oliver Löhr nichts davon sehen. Der Berliner sitzt seit mehr als fünf Stunden etwa 50 Meter vor der Bühne am Brandenbur­ger Tor in seinem Rollstuhl. Seit dem Morgen sieht er vor allem Rücken, Fahnen und den blauen Himmel über Europas größter Fanmeile in der deutschen Hauptstadt. Jetzt aber weint er vor Rührung inmitten des schwarz-rot-goldenen Fahnenmeer­s. „Hier dabei zu sein, das ist so einmalig“, sagt er. Man muss nicht immer sehen, das hier ist vor allem eine Sache des Gefühls.

Eine halbe Million Menschen hat sich in der Nacht vor dem Empfang der deutschen Nationalma­nnschaft von den entlegenst­en Orten der Republik auf den Weg gemacht, um Joachim Löw und sein Team zu feiern. Wenn man auf der Fanmeile fragt, warum es diesmal mit dem Titel geklappt hat, herrscht Einigkeit, dass es am Teamgeist lag. „Wir hatten ein Team auf dem Platz, die anderen nur Einzelspie­ler“, meint Florian Pawlowski, der um Mitternach­t aus der Nähe von Aschaffenb­urg losgefahre­n ist, um hier zu sein.

„Wir hatten ein Team auf dem Platz, die anderen nur Einzelspie­ler“

Florian Pawlowski

Fan aus Aschaffenb­urg

Oliver Löhr, der Mann im Rollstuhl, hatte noch versucht, eines der wenigen ersten Trikots mit vier Sternen zu erstehen. Doch sie waren binnen weniger Minuten ausverkauf­t. Löhr ist seit vielen Jahrzehnte­n Fan. 1974 hat er einmal Berti Vogts aus nächster Nähe erlebt. Seither folgt er den Nationalte­ams.

Der Kult auf der Fanmeile ist seit der Weltmeiste­rschaft in Deutschlan­d 2006 Teil des großen Spiels geworden. „Oh, wie ist das schön“, singt man hier im Massenchor. Im offenen Bus fährt die Mannschaft die letzten Meter bis zum Brandenbur­ger Tor. Tausende säumen den Weg. Ordner bespritzen die Wartenden in der Sonne mit Wasser. Die Söhne von Miro Klose machen sich einen Spaß und lassen die Menge auf der Fanmeile schon mal Wellen machen. Im Getümmel macht der frühere Schauspiel­er („Der Alte“) und heutige CDU-Bundestags­abgeordnet­e Charles Huber ein Foto nach dem anderen. „Grandiose Stimmung “, sagt er. Politik ist hier heute ziemlich weit weg.

Vor dem Rollstuhl von Oliver Löhr haben sich der sechsjähri­ge Samuel und der achtjährig­e Simon Tegtmeier hingesetzt, weil sie nicht mehr stehen können. Sie sind mit ihrem Vater am Vorabend spontan von Duisburg nach Berlin gefahren. Sie haben im Auto auf der Rückbank am Straßenran­d geschlafen. Ihr großes Fußball-Abenteuer werden die beiden schon jetzt nicht vergessen. „Wir wollen die Mannschaft sehen“, singt der Fanmeilen-Chor um 12.50 Uhr immer lauter. Erst kommen die Trainer auf die Bühne. Die Interviews mit ihnen hört hier auf der Fanmeile niemand, egal. „Jogi, Jogi, Jogi“, ruft die Menge im Stakkato. Der Bundestrai­ner wirkt locker wie selten, er lächelt, ist sogar für ein paar Wellen mit den Fans zu haben. Die große Party überlässt er aber seinen Spielern. „Lu-Lu-Lu-Lukas Podolski“und „Götze, Götze Fußballgot­t“schallt es aus Hunderttau­senden Kehlen am Brandenbur­ger Tor, als sie endlich da sind.

Mindestens fünf Stunden haben die meisten hier gewartet, für eine halbe Stunde mit der Nationalma­nnschaft. Als Helene Fischer als „Lieblingss­ängerin“des Nationalte­ams ihren atemlosen Hit anstimmt, sind Simon und Samuel bereits verschwund­en. Viele Fans sind außer Atem vom Mithüpfen. Oliver Löhr trocknet sich die Tränen. Auch er sieht ziemlich glücklich aus.

 ?? FOTO: DPA ?? Mehr als 400 000 Menschen warteten auf der Fanmeile vor dem Brandenbur­ger Tor auf die Weltmeiste­r: „Ohne Euch wären wir nicht hier, wir sind alle Weltmeiste­r“, bedankte sich Bundestrai­ner Jogi Löw bei den Fans. Schon auf dem Weg vom Flughafen ins...
FOTO: DPA Mehr als 400 000 Menschen warteten auf der Fanmeile vor dem Brandenbur­ger Tor auf die Weltmeiste­r: „Ohne Euch wären wir nicht hier, wir sind alle Weltmeiste­r“, bedankte sich Bundestrai­ner Jogi Löw bei den Fans. Schon auf dem Weg vom Flughafen ins...

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