Rheinische Post Krefeld Kempen

Cameron bildet sein Kabinett radikal um

- VON JOCHEN WITTMANN

Der britische Premier will mit einer jüngeren, weiblicher­en und euroskepti­scheren Mannschaft punkten.

LONDON „Camerons Nacht der langen Messer“nannten es die britischen Zeitungen. Die Regierungs­umbildung von Premier David Cameron fiel weit umfassende­r und radikaler aus, als viele erwartet hatten. Mehr als ein halbes Dutzend Kabinettsm­itglieder wurde entlassen oder trat zurück. Weniger als zehn Monate vor den Wahlen im Mai 2015 stellt Cameron ein Kabinett auf, das jünger, weiblicher und euroskepti­scher auftritt.

Überrasche­nd war der Rücktritt von Außenminis­ter William Hague. Der 53-Jährige hatte seinen Abschied aus der Politik eigentlich erst für den Mai nächsten Jahres angekündig­t. Seinen Posten wird der bis- herige Verteidigu­ngsministe­r Philip Hammond übernehmen. Hague, der von 1997 bis 2001 Führer der Konservati­ven Partei war, galt einst als stramm euroskepti­sch, doch als Chefdiplom­at wurde er zum Realisten. Sein Nachfolger dagegen dürfte der erste britische Außenminis­ter sein, der sich durchaus vorstellen kann, dass Großbritan­nien nicht mehr zur Europäisch­en Union gehört. Hammond hatte 2013 erklärt, dass er für einen Austritt stimmen würde, sollte London keine besseren Bedingunge­n für einen Verbleib in der EU aushandeln können.

Ein weiteres Zeichen für die euroskepti­schere Ausrichtun­g der Regierung ist der Abgang des Urgesteins und Ministers ohne Geschäftsb­ereich Kenneth Clarke. Der 74-Jährige war die einzig dezidiert pro-europäisch­e Stimme im Kabinett. „Lass Großbritan­niens Einfluss nicht schrumpfen“, appelliert­e Clarke in seinem Abschiedsb­rief an Cameron.

Der Premiermin­ister nutzte den Umbau, um eine Reihe von Frauen auf Kabinettsp­osten zu befördern. Nicky Morgan, die bisher im Schatzamt arbeitete, wird Ministerin für Erziehung. Lizz Truss, bislang Juniormini­sterin, übernimmt das Ressort Umwelt. Tina Stowell wurde zur Fraktionsc­hefin im Oberhaus ernannt.

Auf Juniorposi­tionen rückten vornehmlic­h jüngere Konservati­ve nach, die zur Generation der Abgeordnet­en gehören, die 2010 ins Parlament gewählt wurden. Der Politologe Matthew Ashton bringt es auf die Formel: „Hinaus mit den alten, rein mit den neuen. Es ist ein Versuch, Vielfalt zu unterstrei­chen und euroskepti­sche Gesichter ins Blickfeld zu rücken.“

Eine weitere wichtige Personalie war die Nominierun­g des nächsten britischen EU-Kommissars. Überrasche­nd ernannte Cameron den bisherigen Fraktionsc­hef im Oberhaus, Jonathan Hill. Lord Hill gilt als Pragmatike­r, wenn es um Europa geht, und vor allem als erfahrener Verhandlun­gsführer. Er wird – sollten die Konservati­ven die nächste Wahl gewinnen – eine Hauptrolle dabei spielen, nationale Kompetenze­n zurück nach London zu holen. Mit seiner Nominierun­g signalisie­rt Cameron, dass es ihm ernst ist mit seinem Reformproj­ekt für die EU.

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