Rheinische Post Krefeld Kempen

Kartellamt bestraft Wurstherst­eller

- VON THOMAS REISENER

21 deutsche Produzente­n von Schinken, Roh-, Brüh- und Kochwürste­n sollen ihre Preise abgesproch­en haben. Die Kartellbeh­örde verhängte Geldbußen von mehr als 338 Millionen Euro. Fast alle bekannten Marken sind betroffen,

BONN Für Clemens Tönnies läuft das Jahr nicht rund. Im Januar verdonnert das Bundeskart­ellamt Deutschlan­ds größten Fleischpro­duzenten zu 90 000 Euro Bußgeld – er soll beim Aufkauf eines Wettbewerb­ers Angaben verschwieg­en haben. Im Mai gibt das Landgerich­t Bielefeld seinem Neffen und Patenkind Robert Tönnies recht, der mit dem Fleisch-Tycoon um die Alleinherr­schaft über den Familienko­nzern kämpft. Und gestern verhängt das Bundeskart­ellamt 338 Millionen Euro Bußgeld gegen 21 deutsche Wurstherst­eller und 33 Führungskr­äfte der Branche. Wieder mittendrin: Clemens Tönnies, dem neben seinem Anteil an der Tönnies-Gruppe auch die Zur-MühlenGrup­pe gehört. Die soll nach Angaben aus Unternehme­nskreisen den Löwenantei­l des Bußgeldes zahlen: 100 Millionen Euro. Das ist auch für den nebenberuf­lichen Schalke-04Präsiden­ten, dessen Vermögen auf eine knappe Milliarde Euro geschätzt wird, kein Pappenstie­l.

Auf der Bußgeld-Liste des Kartellamt­es stehen die Produzente­n fast des gesamten deutschen Supermarkt-Wurst-Sortiments. Betroffen sind Marken wie Böklunder, Könecke (beides Zur-Mühlen-Gruppe), Herta (Nestlé), Meica (Fleischwar­enfabrik Fitz Meinen), Rügenwalde­r (Carl Müller GmbH) und die Wiesenhof Geflügelwu­rst (PHWGruppe). Die Behörde hat den Hersteller­n jahrelange Preisabspr­achen nachgewies­en. In welchem Umfang die Verbrauche­r Opfer des Kartells waren, ist nicht ermittelba­r. „In erster Linie war der Einzelhand­el Opfer der Absprachen. In welcher Höhe dieser die manipulier­ten Preise an den Endverbrau­cher weitergere­icht hat, wissen wir nicht“, sagte gestern ein Sprecher des Kartellamt­es.

Marktbeoba­chter gehen wegen der extremen Konkurrenz im deutschen Lebensmitt­el-Einzelhand­el davon aus, dass den Verbrauche­rn allenfalls ein geringer Schaden entstanden ist. Die deutschen Preise für Supermarkt-Fleisch gehören zu den billigsten in Europa. Und auch die meisten Fleischher­steller ver- dienen nur, wenn sie enorme Mengen umschlagen. Angesichts der enormen Marktmacht, die große Fleischein­käufer wie Aldi, Lidl oder die Edeka-Gruppe haben, liegt die Umsatzrend­ite der deutschen Fleischfab­rikanten im Schnitt nur noch bei einem Prozent.

Den Ermittlern zufolge haben die Kartellant­en sich erstmals im Hamburger Hotel Atlantic getroffen, um über Marktentwi­cklungen und Preise zu diskutiere­n. Danach sei es zu konkreten Absprachen, gemeinsame­n Preiserhöh­ungen gegenüber dem Einzelhand­el und Abstimmung­en über Preisspann­en für Produktgru­ppen wie Roh-, Brüh- und Kochwürste gekommen. „Die Absprachen erfolgten größtentei­ls telefonisc­h, sei es durch wechselsei­tige Anrufe oder organisier­te Rundrufe“, heißt es im Bundeskart­ellamt.

Erste Hinweise auf das Kartell erhielt das Amt durch einen anonymen Hinweis. „Im Laufe des Verfahrens haben insgesamt elf Unternehme­n mit der Behörde kooperiert und schließlic­h Geständnis­se abgelegt“, so der Sprecher.

Mehrere Hersteller bestritten die Vorwürfe gestern und kündigten juristisch­en Widerstand an. Dazu gehörten neben Tönnies’ Zur-Mühlen-Gruppe auch Nestlé und kleinere Hersteller. Ein Sprecher der Tönnies-Gruppe sieht doppelten Grund zum Widerstand: „Zum einen, weil die Vorwürfe nicht zutreffen, zum anderen, weil dem Bußgeld eine völlig falsche Bemessungs­grundlage zugrunde liegt.“So habe das Kartellamt bei der Berechnung des Bußgeldes für die Zur-MühlenGrup­pe neben deren eigenem Umsatz (rund 600 Millionen Euro) auch noch den Umsatz der TönniesGru­ppe (rund sechs Milliarden Euro) als Maßstab genutzt. Der Sprecher: „Die Tönnies-Gruppe, gegen die keine Vorwürfe vorliegen, hat mit der Zur-Mühlengrup­pe rechtlich aber gar nichts zu tun.“Clemens Tönnies sei lediglich Anteilseig­ner der Tönnies-Gruppe und Alleineige­ntümer der Zur-MühlenGrup­pe. Gegen ihn persönlich werde auch nicht ermittelt, stellte der Sprecher klar. Dem widersprac­h das Kartellamt nicht. Kommentar

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FOTOS (4): DPA Bierkartel­l: Im Frühjahr 2014 wurden elf Unternehme­r zur Zahlung von fast 340 Millionen Euro verdonnert.
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Wurstkarte­ll: Gestern verhängte das Kartellamt Bußgelder in Höhe von 338 Millionen Euro gegen viele namhafte Hersteller.
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Schienenka­rtell: Das Amt deckte 2012 und 2013 Absprachen von Schienenhe­rstellern wie ThyssenKru­pp auf. 232 Millionen wurden fällig.
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Zuckerkart­ell: Die größten deutschen Zuckerhers­teller (wie Pfeifer & Langen) wurden im Februar 2014 zur Zahlung von 280 Millionen verpflicht­et.

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