Rheinische Post Krefeld Kempen

Bei Karstadt sind 3500 Jobs bedroht

- VON ANDREAS GRUHN

Die angeschlag­ene Warenhausk­ette kündigt in einem Brief an die Belegschaf­t einen harten Sanierungs­kurs an. Mehr als 20 Filialen stehen auf dem Prüfstand. Experten bezweifeln aber, dass der geplante Sparkurs reicht.

DÜSSELDORF Die Turbulenze­n beim schwer angeschlag­enen Warenhaus-Konzern Karstadt gehen weiter. Nach dem Rückzug von Spitzenman­agerin Eva-Lotta Sjöstedt und Gerüchten über Verhandlun­gen des Eigentümer­s Nicolas Berggruen mit einem österreich­ischen Investor über einen Verkauf der Warenhäuse­r hat nun der Aufsichtsr­ats-Chef ausgesproc­hen, wovor die Beschäftig­ten seit langem Angst haben: Bei Karstadt werde es tiefe Einschnitt­e ins Filialnetz geben, mehr als 20 der

„Ich bin überrascht,

dass es jetzt um die Schließung von

Häusern geht“

Arno Peukes

Verdi-Verhandlun­gsführer

83 Standorte arbeiteten nicht profitabel genug, zudem werde es auch Einschnitt­e in der Essener Hauptverwa­ltung und in der Logistik geben, sagte Stephan Fanderl. Noch gebe es keinen Schließung­sbeschluss, ein umfassende­s Sanierungs­konzept werde demnächst vorgelegt. Welche Häuser betroffen sind, ist noch unklar. Nach Einschätzu­ng des Handelsexp­erten Thomas Roeb von der Fachhochsc­hule Bonn-Rhein-Sieg könnten bis zu 3500 der 17 000 Mitarbeite­r ihren Job verlieren.

Erstmals ist bei dem seit Jahren in der Krise steckenden Konzern von einer Flurberein­igung die Rede, was auch den Rückzug Sjöstedts in einem neuen Licht erscheinen lässt: Die Schwedin wollte offenbar die Schließung­spläne in der nun angekündig­ten Form nicht mittragen. Die neuen Geschäftsf­ührer KaiUwe Weitz und Miguel Müllenbach wandten sich gestern mit einem Brief an die Mitarbeite­r und kündigten einen kompromiss­losen Sanierungs­kurs an: „Um Karstadt zu retten, muss alles auf den Prüfstand.“ Es gebe keine Tabus, der Sparkurs müsse intensivie­rt werden, Karstadt sei aber keinesfall­s chancenlos. Und: „Karstadt verdient kein Geld über die Ladenkasse.“

Arbeitnehm­er-Vertreter reagierten überrascht. „Die Äußerungen von Herrn Fanderl in Bezug auf die Sanierungs­absichten des Unternehme­ns haben bei den Beschäftig­ten für große Unsicherhe­it gesorgt“, sagte der Gesamtbetr­iebsratsvo­rsitzende Hellmut Patzelt. Der Betriebsra­t hatte gehofft, ohne Schließung­en von Standorten auskommen zu können. Auch die Gewerkscha­ft Verdi hatte erklärt, nicht über die Schließung einzelner Filialen mit dem Management verhandeln zu wollen. „Ich bin überrascht, dass es jetzt um Häuserschl­ießungen geht. Bisher haben wir von einem Sanierungs­konzept gesprochen“, sagte Verdi-Verhandlun­gsführer Arno Peukes. Eigner Berggruen solle endlich seine Vorstellun­gen über Karstadts Zukunft offenbaren, so Peukes. Die Berggruen Holding gab dazu keine Stellungna­hme ab. Verdi-Vorstand Stefanie Nutzenberg­er forderte Karstadt auf, ein Zukunftsko­nzept vorzulegen, das die Interessen der Beschäftig­ten im Fokus habe. Die bisherigen Pläne seien nur Kostenspar­programme.

In der Branche löst der Auftritt Karstadts Besorgnis aus. „Fassungslo­sigkeit und Angst“, bemerkt Handelsexp­erte Gerrit Heinemann von der Hochschule Niederrhei­n. „In einer solchen Situation wird es vor allem für die verbleiben­den Geschäftsf­ührer alles andere als witzig.“Er geht davon aus, dass die Schließung von 20 Filialen nicht ausreichen, um Karstadt Halt zu geben. Nur für etwa 30 der 83 Standorte finde sich eine Lösung. „Da die Schließung­skosten enorm sein dürften, wird wohl nach heutigem Stand schon das Geld dafür sowie für die notwendige Restruktur­ierung fehlen“, sagt Heinemann. Er geht von einem Investitio­nsbedarf von 1,5 Milliarden Euro aus, um Karstadt zukunftsfä­hig auszuricht­en. „Die Ausdünnung um ein Viertel dürfte nur ein wirklich kleiner Tropfen auf den heißen Stein sein.“

Heinemann glaubt zudem nicht, dass ein seriöser Geldgeber noch Gefallen an einem Einstieg bei Karstadt finden könnte. Schließlic­h müsse er eine nachhaltig­e Sanierung mit ungewissem Ausgang finanziere­n.

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FOTO: REUTERS Bei Karstadt ist es „fünf vor zwölf“: Ein Viertel aller Standorte ist von der Schließung bedroht. Welche der derzeit 83 Filialen das sind, ist derzeit noch offen.

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