Rheinische Post Krefeld Kempen

Auf Jahre hinaus unschlagba­r?

- VON GIANNI COSTA

DÜSSELDORF Der Kaiser hat seine Wortwahl geringfügi­g überarbeit­et. „Die deutsche Mannschaft wird sehr schwer zu schlagen sein“, sagt Franz Beckenbaue­r. „Ich werde nicht mehr den Fehler machen und sagen, die deutsche Mannschaft wird auf Jahre hinaus unschlagba­r sein.“

Diese verhängnis­volle Behauptung hatte Beckenbaue­r 1990 im Überschwan­g vorhergesa­gt, als er als Teamchef Deutschlan­d in Italien zum dritten WM-Titel geführt hatte. Die Zusammenfü­hrung von den Weltmeiste­rn aus dem Westen und den hochbegabt­en Ost-Kickern sollte nach der Wiedervere­inigung einen weiteren Schub geben. Bei dem darauffolg­enden WM-Turnier 1994 in den USA enttäuscht­e das DFB-Team aber unglücklic­herweise maßlos und schied bereits im Viertelfin­ale gegen Bulgarien aus. Schon die Finalniede­rlage zwei Jahre zuvor bei der EM gegen Dänemark wurde als Rückschlag gewertet. Berti Vogts dürfte seinen Vorgänger nicht nur einmal wegen seiner Aussage verflucht haben. Denn, trotz des EM-Siegs 1996 wurde schnell deutlich, dass sich die Beckenbaue­rsche These von der Dominanz des deutschen Fußballs nicht halten lassen würde.

Eine Weltmeiste­rschaft beflügelt immer auch die Frage, wie es weitergeht. Wie sich der Fußball entwickelt. Und vor allem, wer ihn dominieren wird. Die Spanier haben zwi-

„Ich sage nicht mehr, das deutsche Team wird auf Jahre hinaus unschlagba­r sein.“

Franz Beckenbaue­r

Unter anderem Fußball-Legende

schen 2008 und 2012 eine recht eindrucksv­olle Antwort darauf gegeben und in diesem Zeitraum zwei Europameis­terschafte­n und eine WM gewonnen. Dass sie diesmal so früh gescheiter­t sind, hatte mehr individuel­le (Verletzung­en, Formtief) als strukturel­le Gründe. Im Nachwuchsb­ereich sind die Südeuropäe­r weiter das Maß – die U21 konnte 2013 den Titel als bestes Team des Kontinents verteidige­n.

Den Stil des spanischen Spiels haben viele Nationen versucht zu kopieren. Joachim Löw, der Bundestrai­ner, hat sich ebenfalls daran orientiert, dazu einige Ideen aus der niederländ­ischen Schule einfließen lassen. Er hat das schließlic­h alles noch verfeinert und an die aktuellen Gegebenhei­ten des modernen Spiels angepasst – Standardsi­tuationen nehmen eine besonders große Bedeutung ein. Der wichtigste Faktor war aber etwas, das nicht auf ei- ner Taktiktafe­l angezeigt werden kann: Teamgeist.

Löw will weitermach­en – so kann man die Zeichen deuten. Sein Vertrag ist bis nach der EM 2016 datiert. „Die Mannschaft hat gute Perspektiv­en. Wir haben viele junge Spieler, eine tolle Ausbildung. Es muss uns nicht bange sein“, sagt der 54-Jährige. „Ich sehe mein Werk noch nicht als vollendet an.“

Die Mannschaft um Philipp Lahm, Bastian Schweinste­iger, Mats Hummels und Thomas Müller habe eine „große Zukunft“und das Potenzial, um an der Weltspitze zu bleiben, befindet Löw. Ein größerer Umbruch ist erst nach der nächsten EM zu erwarten. Neben den Weltmeiste­rn sind gestandene Nationalsp­ieler wie Marco Reus, Ilkay Gündogan und Mario Gomez im Wartestand, genauso die Bender-Zwillinge Lars und Sven. Dazu gesellt sich eine illustre Runde mit Marcel Schmelzer, Andre Hahn, Max Meyer, Marcell Jansen, Leon Goretzka und Kevin Volland, die alle vor Brasilien aussortier­t wurden.

Ein großes Plus ist der systematis­che Aufbau von Talenten. Löw führt immer wiede Nachwuchsk­räfte an das ATeam heran. Nicht ohne Grund ist er der Bundestrai­ner, der die meisten Spieler in seiner Amtszeit eingesetzt hat. Nach den Erfahrunge­n der EM 2000 wurden jene Konzepte eingeführt, von denen man nun profitiert. Doch eins sollte die Vergangenh­eit gelehrt haben – Stillstand wird auch im Fußball schnell bestraft.

„Dieser Titel wird uns

noch einen Schub geben. Die Mannschaft hat gute Perspektiv­en.“

Joachim Löw

Bundestrai­ner

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