Rheinische Post Krefeld Kempen
Die beste Pferdezucht der Welt
In diesen Tagen gehen rund 500 der weltbesten Spring-, Dressur- und Vielseitigkeitspferde beim CHIO in Aachen an den Start. Dabei zeigen die Pferde, die fast alle Warmblüter sind, Reitsport auf höchstem Niveau. Das ist nur möglich, weil über mehr als 100 Jahre Vollblüter in die Warmblutzuchten eingekreuzt wurden.
AACHEN „Blut ist der Saft, der Wunder schafft.“Dieses etwas martialisch klingende Zitat stammt von Georg Graf von Lehndorff (1833 bis 1914). Der preußische Oberlandstallmeister war zugleich AmateurRennreiter und Vollblutzüchter. Ihm ist es in großem Maße zu verdanken, dass mit der Paarung von Warmblütern mit Vollblütern die modernen Reit- und Sportpferdezuchten entstanden. Auf seinen Erfahrungen und Erkenntnissen basierend, wurde speziell ab Anfang der 1960er-Jahre, als Arbeitspferde kaum noch benötigt wurden und die Sportreiterei sich zu einem Massenphänomen entwickelte, die deutsche Warmblutzucht mit Hilfe der Vollblüter umgekrempelt. Heute verfügt Deutschland über die größte und erfolgreichste Reitpferdezucht der Welt. Pferde mit dem Prädikat „Made in Germany“sind ein weltweit begehrter Exportschlager geworden.
Aber was unterscheidet die beiden Pferderassen so sehr? Äußerlich kann der Laie fast kaum einen Unterschied feststellen, erscheint der Vollblüter im Regelfall nur etwas eleganter und leichter als sein naher Verwandter. „Der Unterschied zwischen einem Vollblüter und einem Warmblüter ist etwa der, wie zwischen dem Dienstwagen von Sebastian Vettel und einem FamilienKombi.“Wer das sagt, weiß wovon er spricht. Der Warendorfer Ferdinand Leve, Inhaber eines Planungsbüros für den Bau von Reitanlagen in der ganzen Welt, ist zugleich Pferdemann durch und durch und kennt sich in beiden Lagern bestens aus. Ursprünglich aus dem Vielseitigkeitssport kommend, hat er gemeinsam mit seiner Frau Janet in den letzten Jahren eine kleine, aber feine Vollblutzucht aufgebaut. Seit zwei Jahren ist er auch Besitzertrainer Und das mit Erfolg. Schon in seiner zweiten Saison gewann er 2013 das Besitzertrainer-Championat und wurde von den Fachmedien des Galopprennsports zum Trainer des Jahres gekürt.
Doch warum sind diese beiden Pferderassen so unterschiedlich? „Vollblüter werden seit mehr als 300 Jahren ausschließlich auf ein Ziel hin gezüchtet: die absolute Rennleistung. So wurde im Laufe der Jahrhunderte eine Rasse entwickelt, die in puncto Schnelligkeit, Härte, Ausdauer, aber auch in ihrer Leistungsbereitschaft unübertroffen ist. Genau diese Eigenschaften braucht heute aber auch der Warmblüter, um als Sportpferd erfolgreich zu sein“, so Fachmann Leve.
Die deutschen Rennfahrer sind so erfolgreich wie lange nicht – doch kaum jemanden interessiert’s.
Neben den sichtbaren Unterschieden zwischen Voll- und Warmblut gibt es noch einen unsichtbaren. Zwar verfügt der Vollblüter nicht über mehr Blut als der Warmblüter. Dafür finden sich in seinem Blut aber mehr rote Blutkörperchen, die für den Sauerstofftransport und damit die Leistungsfähigkeit zuständig sind.
Hat der Einsatz der Vollblüter die modernen Reit- und Sportpferde erst ermöglicht, haben sich dennoch beide Lager in den letzten Jahrzehnten stark voneinander entfernt. Anders als noch bis in die Mit- te des vergangenen Jahrhunderts, als es noch viele Reiter und Züchter gab, die in beiden Bereichen aktiv waren, gibt es heute kaum noch Berührungspunkte. Um dies zu ändern, haben sich Ferdinand Leve und das Direktorium für Vollblutzucht und Rennen in Köln eine besondere Initiative ausgedacht. Am 20. September werden in einer bundesweiten Aktion 42 Vollblutgestüte ihre Türen für alle Interessierten öffnen. Mehr Informationen: www.tagdesvollbluts.de“