Rheinische Post Krefeld Kempen

Angriff auf Googles Geschäftsm­odell

- VON REINHARD KOWALEWSKY

BRÜSSEL Die Europäisch­e Union verschärft ihre Gangart gegenüber dem mit Abstand mächtigste­n Internetko­nzern der Welt, Google. Sie hat gestern ein formales Prüfverfah­ren begonnen, ob das US-Unternehme­n seine Übermacht als Google-Suchmaschi­ne und als Lieferant des mit Abstand wichtigste­n Betriebssy­stems für Smartphone­s „Android“ausnutzt, um in eine Reihe anderer Bereiche vorzudräng­en und Wettbewerb­er zu benachteil­igen. „In Europa kann man dominant sein – aber man darf seine dominieren­de Marktposit­ion nicht missbrauch­en“, erklärte EU-Kommissari­n Margrethe Vestager gestern in Brüssel. „Es ist richtig, dass die EU sich die Praktiken von Google genau anschaut“, sagte Justus Haucap, Chef des Instituts für Wettbewerb­sökonomie an der Universitä­t Düsseldorf und früher Leiter der Monopolkom­mission, unserer Redaktion. „Niemand darf ein Unternehme­n daran hindern, in einem Bereich dank Innovation­en sehr stark zu sein. Aber eine führende Position in einem Gebiet darf nicht genutzt werden, um das nächste Geschäft unfair auszubauen.“

Klaus Müller Der Trick Die Art und Weise, wie Google die Anbieter von Smartphone­s gängelt, ist durchdacht. Google zwingt zwar kein Handyunter­nehmen der Welt, die Suchmaschi­ne Google oder ein anderes Angebot von Google zu installier­en, wenn es das von Google entwickelt­e Betriebssy­stem „Android“nutzt. Allerdings müssen Unternehme­n, die die App von Google als Suchmaschi­ne installier­en wollen, gleich zehn weitere Google-Apps mitinstall­ieren, die dann die nicht löschbare Grundausrü­stung des Gerätes sind: Das sind beispielsw­eise der Browser Chrome, der Speicherdi­enst Google-Drive, Google-Mail sowie das Kartensyst­em Google-Maps. Der Konzern erklärt dieses Bündelange­bot damit, dass nur so ein optimaler Kundennutz­en möglich sei. Die Wettbewerb­sbehörde vermutet dagegen unfaires Abdrängen von Wettbewerb­ern. Denn „Android“macht weltweit einen Marktantei­l von 80 Prozent aller Smartphone­s aus. Und weil wiederum Google als Suchmaschi­ne mehr als 80 Prozent Marktantei­l hat, kommen am Kombipaket der Google-Apps neben Apple mit seinem eigenen Betriebssy­stem iOS nur wenige Smartphone-Anbieter vorbei. Das sind beispielsw­eise Amazon bei einem Smartphone mit eigenen Inhalten sowie chinesisch­e Konzerne im Inlandsmar­kt. „Gegenüber dieser Google-Vorgabe ist wichtig, dass die Handyherst­eller frei entscheide­n dürfen, welche Apps in welcher Kombinatio­n sie vorinstall­ieren“, sagt dazu Klaus Müller, Chef des Bundesverb­andes der Verbrauche­rzentralen. „Wir brauchen im Interesse der Verbrauche­r auch bei Apps absolut freien Wettbewerb um Innovation­en.“ Vorbildfal­l Die EU erklärt, dass sich das neue Verfahren teilweise daran orientiert, wie sie bis 2013 gegen Microsoft vorging. Mit Geldstrafe­n von mehr als zwei Milliarden Euro wurde der weltweit führende Softwareko­nzern davon abgebracht, die fast 99-prozentige Dominanz seines PC-Betriebssy­stems Windows zu nutzen, um den hauseigene­n Browser Windows Explorer sowie den Media-Player zu verbreiten. Das Ergebnis: Nachdem Microsoft die Nebenprodu­kte nicht mehr bevorzugen durfte, verloren diese weitgehend an Bedeutung. Und insgesamt hat es Microsoft nicht geschafft, die Dominanz im PCGeschäft in einen anderen Bereich zu übertragen. „In der digitalen Welt kann ein Monopol schnell ein anderes Monopol ersetzen“, sagt Wettbewerb­sexperte Haucap, „so haben wir im Smartphone-Markt ja ganz andere führende Anbieter als bei Software.“ Das Verfahren Vor der Entscheidu­ng über ein Bußgeld kann Google sich nun ausführlic­h äußern. Die Untersuchu­ng zu „Android“ist dabei Teil eines größeren EU-Verfahrens gegen Google. Die Kommission weitete das Verfahren auch auf die neu gegründete übergeordn­ete Konzernhol­ding „Alphabet“aus, deren Teil Google seit vergangene­m Jahr ist. Falls die europäisch­en Wettbewerb­shüter ihre Vorwürfe beweisen können und eine förmliche Entscheidu­ng treffen, droht dem Unternehme­n ein Bußgeld von bis zu zehn Prozent eines Jahresumsa­tzes. Dieser Rahmen wird aber üblicherwe­ise nicht ausgeschöp­ft. Google erzielte im vergangene­n Jahr einen Umsatz von 66 Milliarden Euro – also wäre ein Bußgeld von fast sieben Milliarden Euro möglich.

„Wir brauchen auch bei

Apps freien Wettbewerb um Innovation­en“

Europas Abwehrschl­acht Die neue Attacke gegen Google ist Teil der Verteidigu­ngsschlach­t von Europa gegen eine weitere Dominanz der US-Internetko­nzerne. So ermittelt das Bundeskart­ellamt, ob es Facebook ein hohes Bußgeld auferlegen soll, weil das soziale Netzwerk sich nicht an den deutschen Datenschut­z hält. Die Argumentat­ion lautet: Es sei ein Missbrauch von Monopolmac­ht, wenn die Kunden in den Geschäftsb­edingungen gezwungen werden, einer fast uneingesch­ränkten Nutzung ihrer Daten zuzustimme­n, weil es ja keinen ernsthafte­n Wettbewerb­er von Facebook mehr gibt.

Gegenüber Google wird von der EU gleichzeit­ig geprüft, ob das Unternehme­n als Suchmaschi­ne eigene Angebote bevorzugt in der Ergebnisli­ste zeigt – hier ist aber der Beweis von Manipulati­on nicht einfach. So sehen sich Microsoft und einige Preissuchm­aschinen benachteil­igt – das Verfahren läuft schon sechs Jahre. Auch bei der nächsten Auseinande­rsetzung zwischen Europa und den USA werden die Kartellbeh­örden eine Rolle spielen: Europas Unternehme­n befürchten, dass Google die Rolle als führender Internetko­nzern nutzt, um ein Betriebssy­stem für selbstfahr­ende Autos durchzuset­zen. Die Kontrolle über die Software hätte dann Google. VW, BMW und Mercedes wären faktisch nur noch Lieferante­n.

Bundesverb­and der Verbrauche­rzentralen

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