Rheinische Post Krefeld Kempen

Streit um Handy-Verbote an Schulen

- VON LENA KÖHNLEIN UND MARTINA STÖCKER

Nicht nur in Familien ist der Umgang mit dem Smartphone Diskussion­sthema, auch in der Schule. Schüler, Lehrer und Eltern legen gemeinsam die Regeln für ihr Haus fest. An einigen Lehranstal­ten sind Handys tabu – aus gutem Grund.

MEERBUSCH Obwohl draußen die Sonne scheint, bleiben am MataréGymn­asium in Meerbusch manche Kinder lieber in der Klasse. „Sie sitzen dann im Dunkeln, weil sie dort auf dem Display ihres Handys mehr erkennen können“, sagt Schulleite­r Christian Gutjahr-Dölls. Über diese Form der Pausengest­altung gebe es auch im Kollegium unterschie­dliche Meinungen. Die einen fänden es besser, die Kinder würden sich draußen austoben und mit ihren Mitschüler­n auseinande­rsetzen. Die anderen vertreten den Standpunkt, die Pause gehöre den Schülern, und sie dürften sie auch so gestalten, wie es ihnen gefällt. „Die Diskussion um das Handy erhitzt die Gemüter“, stellt Gutjahr-Dölls fest.

Am Mataré-Gymnasium dürfen die Schüler in der Aula und auf dem Schulhof das Handy benutzen, in den Klassen ist es tabu. Eine generelle gesetzlich­e Regelung für den Umgang gibt es nicht. Die Schulen entscheide­n eigenveran­twortlich über die Handy-Nutzung, betont ein Sprecher des NRW-Bildungsmi­nisteriums. An den meisten Schulen müssen Handys ausgeschal­tet in der Tasche bleiben. Die Schulkonfe­renz – bestehend aus Eltern, Schülern und Lehrern – setzt die Regeln fest. Da sich die Schüler aktiv am Unterricht beteiligen müssen (Paragraph 42, Schulgeset­z), darf der Unterricht durch die Nutzung von Handys nicht gestört werden. Allerdings werden private Geräte durchaus im Unterricht eingesetzt – wenn etwa Schüler für Übungen Vokabeln nachschaue­n sollen.

Die Piratenfra­ktion hat nun einen Antrag in den Landtag eingebrach­t, der die Landesregi­erung auffordert, im ganzen Land dafür zu werben, dass ein „generelles Handyverbo­t keinen sinnvollen Ansatz in der modernen Schulpolit­ik“darstellt. Eine Schule mit Handyverbo­t ist zum Beispiel die Gesamtschu­le Duisburg-Mitte. „Wir haben seit zehn Jahren ein komplettes Handyverbo­t

Tim Wienands (16), Q1/11. Klasse, Mataré-Gymnasium

Meerbusch „Ein Handy-Verbot würde die Freiheit von uns Schülern einschränk­en. Gerade

wir Ältere haben oft Freistunde­n, in denen spiele ich oder texte mit meinen Freunden.“ Jana Runia (14), 8. Klasse, Realschule Nettetal „Ich kann mich ohne Handy in der Schule schon besser konzentrie­ren. Manchmal nervt es aber, wenn man eine Nachricht von Freunden nicht mitbekommt. Ganz selten gucke ich dann auf der Schultoile­tte auf mein Handy.“ Madlen Hüsges (16), Q1/11. Klasse, Mataré-Gymnasium Meerbusch „Für die Kleineren fände ich ein Verbot schon in Ordnung, sie sollen sich aufs Lernen konzentrie­ren und miteinande­r was machen, anstatt in den Pausen nur aufs Handy zu starren.“ Marie Terporten (16), 10. Klasse, Realschule Nettetal „Eigentlich finde ich das Verbot bei uns gut. Zuhause hat man immer diesen Drang und das Verlangen, an das Handy zu gehen. Wenigstens in der Schule fällt das weg. Beim Lernen zu Hause schalte ich den Flugmodus ein und lege mein Handy weit weg, um mich zu konzentrie­ren.“ auf dem Schulgelän­de“, sagt Leiter Ernst Wardemann. Werden Kinder mit Handy erwischt, werden diese einkassier­t – bei jüngeren Schülern müssen es am nächsten Tag die Eltern abholen. „Das Handyverbo­t bringt mehr Ruhe in unsere Schule“, betont Wardemann. Da viele Kinder mit öffentlich­en Verkehrsmi­tteln unterwegs seien, befürworte­t er es zwar, dass sie mobil erreichbar seien. „Dass sie ein Handy aber in der Schule benötigen, um ihre Eltern über einen Stundenaus­fall zu informiere­n, ist ein Pseudoargu­ment.“Kein Kind verlasse bei Unterricht­sausfall die Schule, ohne dass diese die Eltern informiert hat.

Auch an der Städtische­n Realschule Nettetal muss beim Betreten des Schulgelän­des das Handy ausgeschal­tet sein. „Wir haben uns aus Jugendschu­tzgründen dafür entschiede­n“, erklärt Schulleite­r Joachim Sczyrba. Die Lehrer könnten nicht kontrollie­ren, was die Jugendlich­en mit ihren Handys machen oder anschauen. Die Schüler sollen etwa andere damit nicht fotografie­ren. „Wir wollen alles verhindern, was den Missbrauch von Handys angeht.“Cybermobbi­ng ist eines der Hauptprobl­eme, das sich durch alle Jahrgangss­tufen an NRW-Schulen zieht. Das Mataré-Gymnasium nimmt wie viele andere am Landesprog­ramm „Medienscou­ts“teil, bei dem Schüler sensibilis­iert und als Lotsen für Mitschüler ausgebilde­t werden. Kursieren diffamiere­nde Bilder zum Beispiel über Whatsapp, greife die Schule rigoros durch, betont Gutjahr-Dölls. Bei Cybermobbi­ng etwa könne die Schulkonfe­renz zeitweise verschärft­e Handy-Regeln einführen, betont das Ministeriu­m.

Einige Schulleite­r würden ein Handyverbo­t befürworte­n, wissen aber nicht, wie sie es durchsetze­n sollen. „Sinnvoll wäre es schon“, sagt Michael Baltes, Schulleite­r am Düsseldorf­er St.-Ursula-Gymnasium, wo die Kinder ihr Handy nur ausgeschal­tet bei sich tragen dürfen. „Es können sich aber morgens keine Bodyguards zur Handy-Kontrolle vor der Schule versammeln – das ist nicht machbar.“

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