Rheinische Post Krefeld Kempen

RWE im Ausnahmezu­stand

- VON ANTJE HÖNING

Die Hauptversa­mmlung des Konzerns war von Tumulten begleitet. „Eure Zeit ist abgelaufen“, riefen Kohle-Gegner. Die Revolte der Städte aber blieb aus. Peter Terium sieht die Erzeugung im Ausnahmezu­stand – und ruft den Staat zur Hilfe.

ESSEN Auf Krach war RWE vorbereite­t: Schon der Eingang der Grugahalle, durch den die Aktionäre zur Hauptversa­mmlung des Energiekon­zerns kamen, war von einer Polizeiket­te gesäumt. Und kaum hatte RWE-Chef Peter Terium mit seiner Rede begonnen, versuchten KohleGegne­r, die Bühne zu stürmen. Sie skandierte­n: „Schützt Natur und Welt, es gibt Wichtigere­s als Geld“

„Wir haben nicht viel Zeit, die finanziell­e Situation ist angespannt“

Peter Terium und „Eure Zeit ist abgelaufen“. Sie hissten Plakate wie „Köln raus aus RWE“. Eine Aktivistin von „Fossil Free“schaffte es bis auf die Bühne und wurde dann, wie andere Störer auch, von Polizisten abgeführt. Terium nahm die Proteste gelassen: „Ich habe auch Kinder im protestfäh­igen Alter – aber die sind bei der Arbeit oder in der Schule.“

Vor einem Jahr hatte der Niederländ­er mit seinen Kollegen eine Art Vorstandsb­allett aufgeführt, um Teamgeist und Aufbruch in die digitale Welt zu demonstrie­ren. Jetzt, ein rote Bilanz später, setzte Terium auf eine One-Man-Show, um sich als Retter zu präsentier­en. „Ich habe Tage und Nächte verbracht, um zu überlegen, wie man die Dividenden-Streichung vermeiden kann.“Und: „Ich bin im Aufbruchmo­dus.“Nach dem Börsengang der Tochter Newco, in die RWE die Zukunftsge­schäfte Netze, Vertrieb und Ökostrom abgespalte­n hat, wird Terium ihr Chef. Es war seine letzte Hauptversa­mmlung als RWE-Lenker.

Terium beschrieb die düstere Lage, um erneut den Staat um Hilfe zu rufen. „Der Einbruch der Börsen- strompreis­e bedeutet Ausnahmezu­stand für unser traditione­lles Kerngeschä­ft.“Wenn die Preise, die von 60 Euro je Megawattst­unde auf 20 Euro fielen, niedrig blieben, werde die Erzeugung aus Kohle und Gas kollabiere­n. „Die Versorgung­ssicherhei­t in Deutschlan­d wäre in höchster Gefahr.“Die Bundesregi­erung müsse handeln. „Es führt kein Weg an einem Kapazitäts­markt vorbei“. Kapazitäts­markt heißt: Der Stromkunde soll für Kraftwerke zahlen, die nur als Reserve dienen.

Terium warnte: „Wir haben nicht viel Zeit. Unser finanziell­e Situation ist angespannt.“Die Rating-Agenturen drohen mit Herabstufu­ng der Bonitätsno­te, das würde Kredite verteuern. „Eine Herabstufu­ng ist wahrschein­lich.“Der Hinweis soll der Atomkommis­sion Druck machen, die mit den Versorgern über die Lasten beim Endlager streitet.

Der Streit mit den Städten, die ein Viertel der Aktien halten und sauer sind über die Dividenden-Streichung, ist dagegen erstmal erledigt. Zwar konnten die Städte sich auf keine gemeinsame Haltung einigen, doch nur wenige wollten dem Vorstand die Entlastung verweigern. Am Ende wurde er mit einer Mehrheit von 97,44 Prozent entlastet.

Marc Tüngler von der Aktionärsv­ereinigung DSW sagte, das Dividenden-Aus sei schmerzlic­h. Doch von der Substanz könne RWE nicht leben. Zugleich warnte er Terium, sich auf Staatshilf­e zu verlassen: Das Warten auf den Kapazitäts­markt werde in der Sackgasse enden.

Ebenso sorgt die Vergütung von Terium (obgleich auf 4,3 Millionen gesunken) für Debatten. Wegen des Missmanage­ments in England (nach Abrechnung­spannen laufen die Kunden davon) müsste Terium eigentlich auf die Hälfte verzichten, forderte Martin Bulmahn vom Aktionärsc­lub VIP. Applaus im Saal.

Andere Aktionäre fürchten, dass sie nach Abspaltung der Newco auf einer Bad Bank für alte Kraftwerke sitzen bleiben. „Sind wir gefangen in einem Abwicklung­sunternehm­en für Atom und Kohle?“, fragte Winfried Matthes vom Deka-Fonds. Terium versichert­e, RWE bleibe Mehrheitsa­ktionär der Newco und werde daher dauerhaft von deren Dividende profitiere­n.

Seine Mär vom grünen Konzern verfing aber nicht. Terium sagte, der Ökostrom-Anteil von RWE knacke gerade die Zehn-Prozent-Marke. Aber nur auf dem Papier: Der grüne Anteil am erzeugten Strom beträgt nur fünf Prozent. Selbst Fondsmanag­er Ingo Speich, das Gegenteil eines Umweltakti­visten, forderte RWE auf, grüner zu werden. „RWE ist der größte CO2-Emittent in Europa, ein trauriger Rekord.“Einer von vielen: RWE war 2015 auch größter Kapitalver­nichter im Dax.

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FOTO: DPA Umweltakti­visten versuchten in der Grugahalle, die Bühne zu stürmen, auf der Vorstand und Aufsichtsr­at saßen.

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