Rheinische Post Krefeld Kempen

Sag zum Abschied leise Vorsicht

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Commerzban­k-Chef Martin Blessing stellt bei seiner letzten Hauptversa­mmlung die Prognose für 2016 in Frage.

FRANKFURT (dpa) Fast haben die Aktionäre ein bisschen Mitleid mit Martin Blessing. Immerhin habe der Commerzban­k-Chef acht Jahre durchgehal­ten, trotz zeitweise harscher Kritik. „Kapitalver­nichter“, „Pfui-Vorstand“, „Merkels Pudel“– was musste sich der Manager nach der riskanten Dresdner-Bank-Übernahme 2008 und dem folgenden milliarden­schweren Staatseins­tieg nicht alles anhören. Doch der Manager biss sich durch („Ich finde Marathonla­uf am besten, wenn man selbst durchs Ziel kommt“) und führte die deutsche Nummer zwei zurück in die Erfolgsspu­r: Nach dem ersten Milliarden­gewinn seit fünf Jahren gibt es für das Geschäftsj­ahr 2015 endlich wieder eine Mini-Dividende von 20 Cent, wie Blessing zum Abschied bei der Hauptversa­mmlung verkündete.

Der 52-Jährige dankte den Anteilseig­nern: „Ich weiß, dass wir Ihnen in dieser Zeit viel abverlangt haben. Ich bedanke mich herzlich bei Ihnen, dass Sie mit uns den schwierige­n Weg gegangen sind.“Der Applaus der 2700 Aktionäre in der Frankfurte­r Messehalle war indes leise. Klaus Nieding von der Aktionärsv­ereinigung DSW betont: „Es ist noch zu früh, um zu jubeln. Es muss sich erst zeigen, ob der Aufwärtstr­end nachhaltig erfolgreic­h ist. Es verbleiben noch erhebliche Baustellen nach ihrem Abgang, Herr Blessing.“So sitzt der DaxKonzern noch auf Altlasten von 18 Milliarden Euro, zum Großteil Schiffskre­dite. Wie anderen Instituten macht der Commerzban­k zudem das Zinstief zu schaffen. Nur knapp zwei Monate nach der Bilanzvorl­age stellt Blessing die optimistis­che Gewinnprog­nose für das Gesamtjahr infrage: „Es wird deutlich ambitionie­rter, das Konzernerg­ebnis von 2015 zu erreichen.“

Die verkappte Gewinnwarn­ung ließ den Aktienkurs kurzzeitig abschmiere­n. Seit Blessings Amtsantrit­t am 15. Mai 2008 hat das Papier etwa 95 Prozent seines Wertes verloren. Zudem verwässert­e eine Serie von Kapitalerh­öhungen die Anteile der Altaktionä­re. Nieding spricht von einer „Kapitalerh­öhungsorgi­e römischen Ausmaßes“. Blessings Credo, die Commerzban­k stehe heute „eindeutig stabiler“da, teilen die Redner bei der Hauptversa­mmlung denn auch nicht uneingesch­ränkt. Nieding sprach von einer „symbolisch­er Dividende“, mit der Blessing seinen Abschied versöhnlic­her gestalten wolle – auch wenn der Vorstand für das laufende Jahr ebenfalls eine Gewinnauss­chüttung in Aussicht stellt.

„Ich werde das Gefühl nicht los, dass Ihr Durchhalte­willen auch etwas von einer Schicksals­gemein- schaft hat, die Sie mit Herrn Müller verbindet, getreu dem Motto: Mitgehange­n, mitgefange­n“, sagt Nieding. Blessings Vorgänger Klaus-Peter Müller, der seit Mitte Mai 2008 den Aufsichtsr­at führt, hatte zu seiner Zeit an der Vorstandss­pitze den Kauf des Immobilien- und Staatsfina­nzierers Eurohypo durchgeset­zt. Nach milliarden­schweren Verlusten wurde die Problemtoc­hter abgewickel­t. Auch die Dresdner-Übernahme fädelte Müller mit ein.

Zu Blessings Abtritt verteilte Nieding Schulnoten: „Aus Aktionärss­icht, wenn ich mir die Entwicklun­g des Aktienkurs­es in Ihrer Amtszeit und das Thema Dividende anschaue, wäre ich geneigt, eine Fünf zu geben. Berücksich­tigt man die jüngsten Zahlen und das schöne Frühlingsw­etter, könnte ich Ihnen gerade noch so ein „befriedige­nd“attestiere­n.“

Blessings Nachfolger Martin Zielke, der das Ruder zum 1. Mai übernimmt, gibt Nieding eindringli­ch eine Bitte mit auf den Weg: „Lassen Sie die Finger von weiteren abenteuerl­ichen Akquisitio­nen.“

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FOTO: DPA Martin Blessing (l.) geht, Martin Zielke kommt.

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